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Studien: Verheiratete haben niedrigeres Risiko für Demenz und leben länger trotz Krebs

Familiäre Bindungen stützen Patienten in schwierigen Zeiten, Kinder reduzieren das Demenzrisiko

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Wer verheiratet ist, lebt gesünder. Das geht mittlerweile aus zahlreichen Studien hervor. Dass Ehepartner sogar eine bessere Prognose bei schweren Erkrankungen wie Krebs und Demenz haben, haben nun Forscher aus Slowenien und Norwegen erhoben.

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Kaja Krajc von der Universität Primorska in Koper, Slowenien und ihr Team haben die Rolle von Partnerschaften im Zusammenhang mit Krebserkrankungen in einem systemischen Review mit Metaanalyse genauer unter die Lupe genommen (Cancer Medicine, Volume12, Issue2, January 2023, 1685-1708 https://doi.org/ 10. 1002/cam4. 5003). Sie analysierten dazu insgesamt 67 Studien, in denen Verheiratete mit Nicht-Verheirateten, Nie-Verheirateten, Singles, Geschiedenen/Getrennten und Verwitweten verglichen wurden. Das Ergebnis: Verheiratete Patienten überlebten ihre Krebserkrankung länger als die verschiedenen Gruppen von Unverheirateten, sowohl was das Gesamtüberleben als auch das krebsspezifische Überleben angeht. Erkrankte mit Ehepartnern hatten ein um 34 % erhöhtes Gesamtüberleben, berichtet hautnah (2022 21:194–195 https:// doi.org/ 10.1007/ s12326- 022-00532-3).

Geschiedene und getrennt lebende Männer sind im Nachteil

Die höchste klinische Signifikanz wurde beim Vergleich von verheirateten und verwitweten Krebspatienten festgestellt. Erkrankte mit einem Ehepartner oder einer Ehepartnerin hatten um 45 % höhere Gesamt- und um 34 % höhere krebsspezifische Überlebensraten als Verwitwete. Bei der geschlechterspezifischen Analyse zeigte sich, dass geschiedene beziehungsweise getrenntlebende Männer eine geringere Überlebensrate hatten. Im Vergleich zu Frauen war das Ergebnis statistisch signifikant, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 31.1.2023).

Mediziner hatten bereits in früheren Untersuchungen gezeigt, dass Verheiratete länger leben und gesünder sind. Die engen familiären Bindungen erleichtern es den Patienten auch, frühzeitig eine Erkrankung zu erkennen, sich im Gesundheitswesen zurechtzufinden und während langwieriger Therapien den Mut nicht vollends zu verlieren.

Lange Ehe ist ein Schutzfaktor bei Demenz

Wer in der Lebensmitte über viele Jahre ununterbrochen verheiratet ist, hat auch ein geringeres Risiko, im Alter an Demenz zu erkranken. Das ist das Ergebnis einer kürzlich veröffentlichten Studie (Journal of Aging and Health, 0(0). https://doi.org/10.1177/08982643221131926), die auf Daten von Gesundheitserhebungen der HUNT-Studie in Nord-Trøndelag basiert.

Die Forscher erhoben verschiedene Arten des Familienstands bei Menschen über einen Zeitraum von 24 Jahren – vom 44. bis zum 68. Lebensjahr – in der ländlichen 150.000 Einwohner zählenden Region Nord-Trøndelag.  Sie untersuchten, ob dieser Status mit einer klinischen Diagnose einer Demenz oder einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (MCI) nach dem Alter von zusammenhängt.

Die höchste Demenz-Inzidenz wurde bei geschiedenen und alleinstehenden Personen gefunden

Die Ergebnisse zeigen, dass die Gruppe, die während des gesamten Zeitraums ununterbrochen verheiratet war, die niedrigste Inzidenz von Demenz aufwies. 70,5 % waren in erster Ehe verheiratet. In dieser Gruppe wurden die wenigsten Demenzerkrankungen diagnostiziert. In der kleinen Gruppe von 4,6 %, die niemals verheiratet waren, traten dagegen zu 73 % häufiger Demenzen auf.

Die Bereitschaft zur Teilnahme an der HUNT-Studie war in der Bevölkerung mit fast 90 % sehr hoch. In der letzten Runde (2017-2019) nahmen 8.706 über 70-Jährige an einer ausführlichen neuropsychiatrischen Untersuchung teil.

Kinder reduzieren das Risiko

Ein wichtiger Schutzfaktor in Zusammenhang mit Demenz könnten Kinder sein. In einer kausalen Mediationsanalyse ließen sich 60 % des erhöhten Demenzrisikos von unverheirateten Menschen auf die Tatsache zurückführen, dass sie zumeist kinderlos waren. Was die anderen 40 % erklärt, konnte die Studie nicht ermitteln. „Eine Theorie besagt, dass Verheiratete gesünder leben und dass dies Unterschiede im Risiko für verschiedene Krankheiten erklärt. In dieser Umfrage fanden wir keine Belege für gesundheitliche Unterschiede zwischen Verheirateten und Unverheirateten, die den Unterschied im Demenzrisiko erklären würden“, erklärt Asta Håberg vom St. Olav's Hospital und Professorin an der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU).

Singles vereinsamen oft im Alter

Hingegen erwiesen sich zwischenmenschliche Bindungen als statistisch signifikant. Ein Grund dafür kann sein, dass verheiratete Menschen in der Regel mehr soziale Kontakte haben als Ledige. Dies gilt insbesondere, wenn sie Kinder haben. Selbst im Alter sind sie, solange beide Partner leben, nicht allein, während Singles im Alter oft vereinsame (Deutsches Ärzteblatt online, 31.1.2023). Mit den Kontakten fehlen ihnen soziale Stimuli, die im Erwachsenenleben helfen könnten, eine kognitive Reserve zu bilden, von der sie im Alter zehren.

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