Diagnostik unter Verdacht? Die gefährliche Angst vor dem Blick ins Genom

Imago Hominis (2020); 27(2): 113-120
Theo Dingermann

Zusammenfassung

Ein Heilerfolg im Rahmen der Behandlung einer Erkrankung hängt neben der Verfügbarkeit einer wirksamen Therapie ganz entscheidend auch von der richtigen Diagnose ab. Je früher und genauer eine korrekte Diagnose gestellt werden kann, umso größer sind die Chancen, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, mit der Krankheit verbundene destruktive Prozesse zu stoppen oder im besten Fall die Krankheit zu heilen. Diese Prinzipien sind uralt und weitgehend akzeptiert. In den letzten zehn Jahren hat die Diagnostik allerdings in Form der Gendiagnostik eine rasante Ausweitung erfahren, die zum einen auf revolutionären neuen Erkenntnissen, zum anderen auf einem faszinierend neuen Methodenspektrum beruht. Durch diese neue Form der Diagnostik lassen sich nicht nur Krankheitsursachen viel genauer definieren. Darüber hinaus werden die beiden Gruppen Gesunde und Kranke um eine Gruppe von Risikopersonen erweitert, deren Mitgliedern neue Formen der Selbstführung an die Hand gegeben werden können.

Schlüsselwörter: Diagnostik, Gendiagnostik, prädiktive Diagnostik

Abstract

The successful treatment of a disease depends not only on the availability of effective therapies but also on a correct diagnosis. The earlier and more accurately a correct diagnosis can be made, the greater the chances of slowing the course of the disease, stopping any destructive processes associated with the disease, or, in the best case scenario, curing the disease. These are ancient and widely accepted principles. However, in the last ten years there has been a rapid expansion in the use of genetic diagnostics based on revolutionary new findings, on the one hand, and the appearance of a broad spectrum of fascinating new methods, on the other. These new forms of diagnostics not only allow the causes of diseases to be defined more precisely; they also mean that the categories of those who are healthy and those who are sick can be expanded to also include groups of ‘people at risk’, whose members can then be provided with new forms of self-management.

Keywords: diagnostics, gene diagnostics, predictive diagnostics

Anschrift des Autors:

Univ.-Prof. Dr. Theo Dingermann
Institut für Pharmazeutische Biologie
Biozentrum, Max-von-Laue-Str. 9, D-60438 Frankfurt
dingermann(at)em.uni-frankfurt.de

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Anthropologie und Bioethik
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