Elektronische Gesundheitsakte – ELGA: Solides Fundament notwendig!

Imago Hominis (2010); 17(2): 133-135
Lukas Stärker

Die „Elektronische Gesundheitsakte“ (ELGA) ist eines der gegenwärtig größten EDV-Projekte im Österreichischen Gesundheitswesen. Konkret geht es dabei darum, bestimmte Patientendaten Ärzten, Krankenhäusern und anderen sogenannten „Gesundheitsdiensteanbietern“ („GDAs“) im Behandlungs- bzw. Bedarfsfall zur Verfügung zu stellen. ELGA soll ein „Super-Inhaltsverzeichnis mit qualifizierten Suchfunktionen“ sein. Damit soll eine bereichs- bzw. sektorenübergreifende Behandlung erleichtert werden.

Organisation der ELGA

Die Projektentwicklung der ELGA erfolgt durch die durch Bund, Länder und gesetzliche Krankenversicherung gegründete ELGA-GmbH (vormals „Arbeitsgemeinschaft ELGA“ – ARGE ELGA).

ELGA-Basiskomponenten

Die ELGA besteht aus folgenden Basiskomponenten:1

  • ein österreichweit einheitlicher, EU-kompatibler Patienten-Index zur eindeutigen Identifikation der im österreichischen Gesundheitswesen in Behandlung stehenden Personen.
  • ein österreichweit einheitlicher Gesundheitsdiensteanbieter-Index („GDA-Index“) zur eindeutigen Identifikation der befugten Gesundheitsdienstleister in Österreich.
  • ein österreichweit einheitliches Dokumenten-Register, in dem die für die weitere Behandlung relevanten Gesundheitsdokumente der Patienten registriert werden können. Die Speicherung der Dokumente selbst erfolgt bei den Gesundheitsdienstleistern bzw. den von ihnen beauftragten EDV-Dienstleistern.
  • ein datenschutzkonformes Berechtigungsregelwerk, aus dem klar hervorgeht, wer wann auf welche registrierten medizinischen Dokumente zugreifen darf.
  • ein Portal, über das die einzelne Bürgerin, der einzelne Bürger, gesicherte Gesundheitsinformationen und Gesundheitsförderungsmaßnahmen abrufen kann, über das sie/er aber auch Zugang zu den über sie/ihn registrierten medizinischen Dokumenten erhält und nachvollziehen kann, wer wann auf diese Daten zugegriffen hat.

Als erste Anwendungsfelder der ELGA sind ab dem Jahr 2012 geplant:

  • Entlassungsdokumente (Arzt-/Patientenbrief)
  • Laborbefunde,
  • Radiologiebefunde und
  • die e-Medikation

Für eine grafische Darstellung der ELGA-Architektur siehe Abb. 1.

Status quo: Fehlendes Fundament, viele offene Fragen

Schon seit Jahren laufen Vorbereitungsarbeiten und Vorarbeiten zur Umsetzung der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA). Bereits wiederholt wurde der Start von ELGA angekündigt. Allerdings: Bis dato fehlt ein tragfähiges ELGA-Fundament. Dies kann wohl nur ein solides, klares und den Anforderungen sämtlicher Akteure und der Patienten entsprechendes ELGA-Gesetz sein.

Genau darin liegt die Schwachstelle dieses Projektes: Anstatt mit diesem sauberen Fundament zu beginnen, auf dem das „ELGA-Haus“ dann aufgebaut werden könnte, wurden zuerst Lastenhefte, Machbarkeitsstudien, Marktanalysen, ein Memorandum of Cooperation, eine Kosten-Nutzen-Analyse (die weder Auskunft über die Kosten gibt, noch den Nutzen aufzeigt), Funktionsanalysen, Anforderungsdokumente, Positionspapiere, Case-Studies, Management-Summaries, Übersichtsfolien etc. im Gesamtumfang von mehreren Tausend Seiten erstellt.

Darin wurden die wesentlichen Fragen bis dato jedoch noch nicht beantwortet. Hierzu zählen insbesondere Fragen, wie

  • ob für Patienten und Ärzte eine Mitwirkungsmöglichkeit oder Mitwirkungspflicht besteht,
  • ob dies nur für bestimmte Gruppen gilt oder nicht,
  • welche Kosten inkl. Folgekosten realistischerweise anfallen werden,
  • wer die Kosten inkl. Folgekosten trägt,
  • wo der medizinische Nutzen für Ärzte und Patienten liegt,
  • jene nach dem ELGA-Sicherheitskonzept,
  • man einen wirksamen Datenschutz garantiert,
  • wie die Einhaltung der Regelungen garantiert/überprüft wird,
  • jene nach der Haftung,
  • die Anwender zur jeweiligen EDV kommen, wie diese aktualisiert wird, etc.,
  • welche Sanktionen im Missbrauchsfall drohen bis zu der Frage
  • nach einem verbindlichen ELGA-Gesetz („Rechtsfundament“).

Befasst war mit diesem Problemkreisen eine Vielzahl an Arbeitsgruppen, Projektlenkungsausschüssen, Expertenbeiräten, Steuerungsgruppen, Projektlenkungsbeiräten, ein „Review-Team“, „Akzeptanzmanager“ sowie Beratungsgremien der ARGE ELGA, nunmehr ELGA-GmbH. Hinzu kommen Erwartungshaltungen großer Firmen, die „ein gutes Geschäft“ wittern.

All dies sind zweifellos Versuche, das Projekt zu beschleunigen. Konkret reichen sie vom „Nach-vor-Treiben“ bis zum „Vor-sich-her-Treiben“ der Projektorganisation. Nur: Warum lässt man sich so nach vorne treiben? Noch dazu ohne Fundament? Oder sollen so bewusst Fakten geschaffen werden? Es ist Vorsicht geboten, dass das Haus „ELGA“ nicht auf dem sprichwörtlichen Sand gebaut wird. Bildlich gesprochen: Man weiß zwar noch nicht, wie das Haus aussehen soll, dafür steht schon fast fest, wie die Zimmer eingerichtet werden sollen und wer die Möbel liefern darf. Diese Vorgangsweise ist nicht nachhaltig zielführend und bedarf einer Änderung!

Empfehlenswert wäre es daher, im nächsten Schritt insbesondere

  1. die gesetzlichen Grundlagen als solides Fundament – das sämtliche offenen Fragen klärt – einmal im Entwurfstadium fertig zu stellen und mit den Vertretern der betroffenen Hauptakteure, also den Ärztinnen und Ärzten, zu akkordieren, denn ohne diese wird eine ELGA nicht umsetzbar sein;
  2. die ELGA Abfragemodalitäten möglichst anwenderfreundlich, effektiv und effizient so zu gestalten, dass die gewünschte Information jeweils punktgenau am Bildschirm ist; Stichworte Dokumentenformat CDA-Level 3 und entsprechende EDV-Programme, die ausnahmsweise die Arbeit erleichtern und nicht verkomplizieren;
  3. den medizinischen Nutzen von ELGA für Ärztinnen und Ärzte sowie für Patientinnen und Patienten aufzuzeigen;
  4. Kosten (inklusive Folge- und Wartungskosten) und Kostentragung klar und im Konsens mit den Hauptakteuren verbindlich festzulegen.

Danach ist im übernächsten Schritt zu klären, wie weit sämtliche andere, bis dato bereits erstellte ELGA-Konzepte, Unterlagen, Papiere, Ablaufdarstellungen, Grafiken, Dokumentstrukturen und Dokumentformate den hier angeführten Punkten entsprechen. Falls ja, können sie eingebaut werden; falls nein, sind sie entsprechend abzuändern.

So kann sicher gestellt werden, dass die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) auf einem soliden Fundament steht und zu einem deutlich spürbaren medizinischen Nutzen führt – derzeit ist diese Verbesserung für Patienten und Ärzte noch nicht garantiert.

Referenzen

  1. Vgl. Bundesgesundheitskommission 04. 05. 2007, TOP 5
  2. ARGE ELGA, erste Umsetzungsschritte 22. 02. 2007

Anschrift des Autors:

Dr. Lukas Stärker
stv. Direktor der Österreichischen Ärztekammer
Weihburggasse 10-12, A-1010 Wien
post(at)aerztekammer.at

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