Die Bioethik-Debatte in Österreich. Argumentesplitter

Imago Hominis (2001): 8(3): 191-196
Notburga Auner

Seit Anfang dieses Jahres läuft in der Bundesrepublik eine ziemlich kontroversielle Debatte über aktuelle ethische Fragen der Biotechnologie. Plattform zur Austragung dieser Diskussion sind die wichtigsten Zeitungen: FAZ, Die Zeit, Die Welt, Süddeutsche Zeitung usw. Höchste Prominenz – vom Bundespräsidenten und Bundeskanzler angefangen, mehrere Minister und Abgeordnete ebenso wie Hauptvertreter der Biologie, Medizin, Philosophie und Soziologie – haben sich daran beteiligt. Es ist gar keine Frage, dass diese Diskussion, was Niveau und Brillanz betrifft, einzigartig in der Geschichte ist. Die Medien haben auch für eine ausgewogene Vorstellung der verschiedensten Positionen gesorgt. Diese sind nun ziemlich geklärt, die Öffentlichkeit informiert, ein Konsens ist allerdings nicht in Sicht.

In Österreich sprach man zuletzt viel von einer bioethischen Debatte, aber es gibt in Wirklichkeit noch keine. Immer wieder wurde in den Medien und bei Veranstaltungen über Vorstöße gewisser Interessensgruppen, z.B. der Österreichischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie und ihren Vertretern berichtet. Sie verlangen beispielsweise die gesetzliche Zulassung von Präimplantationsdiagnostik (vgl. Imago Hominis 2/2001, S.91-93), die Verlängerung der Kryokonservierung, eine gesetzliche Zulassung des therapeutischen Klonens und der Embryonenforschung. Es wurde dabei verschiedentlich argumentiert, Reaktionen darauf wurden da und dort artikuliert. Ein echter öffentliche Diskurs ist bisher nicht in Gang gekommen. Die Klärung der Positionen und die Information der Öffentlichkeit ist noch nicht gelungen.

Die Österreichische Volkspartei hat am 13. Juli eine Bioethik-Konferenz veranstaltet, in der erstmals die Argumente aufeinander prallen sollten. Die Diskussion war aber nicht so offen, wie erwartet. Nur die Gäste aus dem Ausland haben die Kontroverse geführt, die Österreicher hielten sich weitgehend bedeckt. Von den erwähnten Forderungen der Österreichischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie war wenig zu hören, obwohl alle ihre prominenten Mitglieder anwesend waren. Das mediale Echo der Konferenz war gering. Es ist sehr fraglich, ob in Österreich eine Debatte von der Qualität der Deutschen gelingen wird. 

In der Folge will Imago Hominis auf Argumente, die in der Diskussion immer wieder zur Sprache gebracht werden, eingehen. Der Gegenargumentation wurde bis jetzt weniger Platz eingeräumt als den Argumenten, die die Forderungen nach Gesetzesänderung unterstützen.

1. Zu Forschungszwecken soll die Verwendung der aus der In-Vitro-Fertilisation übriggebliebenen Embryonen zugelassen werden.

„Huber, Vorsitzender der Bioethik-Kommission des Bundeskanzlers fordert im Gespräch mit dem Standard entsprechende Gesetzesänderungen. Nach derzeitigem Recht müssten „überzählige“ Embryonen aus künstlichen Befruchtungen nach einem Jahr vernichtet werden, was der Mediziner und Theologe Huber für „unethisch“ hält. Die Verwendung von Embryonen zu Forschungszwecken sei eindeutig das „kleinere Übel“.“ [Standard, 10.05.2001]

„Auf der Basis des Embryonenschutzgesetzes ist der Import von Embryonen möglich. Der Import ist möglich, aber nicht die Herstellung. Wir dürfen sie kaufen und dürfen dann daran forschen.“ [Interview mit Gerhard Schröder, FAZ 3.05.2001]

Diskussion: 

Die Empfehlung, die aus der IVF-übriggebliebenen und todgeweihten Embryonen für Forschungszwecke freizugeben, wird häufig so begründet, dass ein Embryo, der nicht mehr auf die Mutter übertragen werden kann und zum Absterben bestimmt ist, durch eine allgemein fremdnützige Forschung noch im nachhinein einen Lebenszweck erhält, indem er dem Wohle anderer dient. Der gute Zweck soll nicht bestritten werden, aber auch in diesem Fall heiligt er nicht die Mittel: Der neue Lebenszweck kann nicht die Verletzung der Menschenwürde, die durch eine pure Instrumentalisierung des Embryos und seiner anschließenden Tötung geschieht, wieder gutmachen. Auch ein kleineres Übel bleibt dennoch ein Übel. Diese nachträgliche Rechtfertigung einer schlechten Handlung wird aber zusätzlich zur Rechtfertigung künftig böser Handlungen, oder zumindest eine indirekte Anstiftung dazu. Auf Grund jener, der Forschung immanenten Haltung, würden dann die IVF-Verfahren mit überschüssigen Embryonen erwünscht sein. Damit wäre der Forschungsfortschritt gewährleistet. Es genügt bereits eine indirekte Mitwirkung an einem Übel, weil diese Forschung nicht unumgänglich oder unbedingt notwendig ist. Die Forschung selbst wäre daher ethisch unzulässig. Die Tatsache, dass das Absterben der überschüssigen Embryonen nicht mehr zu verhindern ist, kann in diesem Fall nicht zum Tragen kommen. Im Gegenteil, einem bereits bestehenden Übel wird noch ein weiteres hinzugefügt. 

2. Man soll keine biotechnologische Forschung verbieten. Wenn wir es nicht tun, tun es die anderen, die uns dann voraus sein werden, während wir den Anschluss an die Spitze der Wissenschaft verlieren.

„Es herrscht unter den Medizinern und Wissenschaftlern die berechtigte Sorge, dass Österreich, bisher international führend auch auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin, sowohl die wissenschaftliche, wie auch therapeutische Kompetenz innerhalb kürzester Zeit verlieren wird, wenn eine zu restriktive Gesetzgebung die Möglichkeiten an der Forschung und an den Errungenschaften der letzten Jahre teilzunehmen, verhindert.“ [Franz Fischl, Vortrag im Rahmen der Enquete des Bundesministeriums für Justiz, 22.11.2000]

„Deutschland ist, was die Zahl der Biotechnologie-Unternehmen angeht, bereits führend. Wir können uns aber meiner Ansicht nach nicht darauf beschränken, in diesem Bereich nur Lizenznehmer für von anderen entwickelte Verfahren zu sein.“ [Interview mit Gerhard Schröder, FAZ 3.05.2001]

Diskussion: 

Dieses Argument entbehrt jeder moralischen Sensibilität. Spaemann hat ganz richtig angemerkt: „Dieses Argument markiert das Ende jeder Moral. Auch in der Natur kommen Menschen gewaltsam zu Tode. Und sterben müssen wir schließlich alle. Aber müssen oder dürfen wir deshalb töten?“ Die Tatsache, dass andere etwas tun oder in der Natur Geschehnisse vorkommen, legitimiert keinesfalls dazu, auch selbst so zu handeln. Bundespräsident Rau hat in seiner Berliner Rede am 18. Mai dieses Argument als „Ausdruck ethischer Kapitulation“ bezeichnet.

Die moralverweigernde Position kommt immer wieder in der laufenden Debatte vor und verrät ganz konkrete und mächtige wirtschaftliche und politische Interessen, die an die Forschung geknüpft sind.

3. Man soll vom absoluten Lebensschutz des Menschen von der Befruchtung bis zum Tode auf einen abgestuften Lebensschutz übergehen. 

Menschliches Leben entwickelt sich graduell (Zellhaufen, fühlender Fötus, selbständiger Organismus, autonomer Mensch); dies spricht für eine abgestufte Schutzwürdigkeit. Außerdem können sich Embryonen in-vitro nicht ohne Mutter entwickeln, d.h. auch, dass sie keine Schutzrechte real durchsetzen können. Im Gegenteil, seine Schutzrechte stehen oft im Konflikt mit den Rechten der Techniker, die am Embryonenerzeugungsprozess mitwirken und für die Qualität jener haftet.

„Ein Achtzeller ist noch kein Mensch. Menschliches Leben entsteht chronologisch über mehrere Etappen.“ [Interview mit Johannes Huber, Format 28/01]

„Auch im Recht finden sich meistens gradualistische Auffassungen. (...) Dies zeigt sich in der deutschen Situation darin, dass zwar auf der einen Seite das Bundesverfassungsgericht dem menschlichen Embryo vom Zeitpunkt der Befruchtung an volle Menschenwürde zuspricht. Gleichzeitig aber in seiner eigenen Rechtssprechung die Tötung von Embryonen in vielfacher Hinsicht zugelassen hat, zum Teil zwar als illegal bezeichnet hat, aber straffrei gestellt hat. Zum Teil aber als legal bezeichnet. Wenn man ernstnehmen würde, was das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle gesagt hat, würde das ja bedeuten, dass es in Deutschland legal wäre, Menschenwürdeträger zu töten. Das kann es also nicht sein. Von da her denke ich, unterschwellig liegt auch hier die Auffassung zugrunde, dass der moralische Status von Embryonen abgestuft ist. Dass frühe Embryonen nicht einfach nur biologisches Material sind, dass ihnen aber auf der anderen Seite nicht der volle Status der Menschenwürde zukommt.“ [Kurt Bayertz, Vortrag der 1. Österreichischen Bioethik-Konferenz, 13. 07.2001]

Diskussion:

Von biologisch wissenschaftlicher Seite her muss ganz deutlich gesagt werden, dass das menschliche Leben zwar verschiedene Etappen durchläuft, dass es aber mit der Befruchtung beginnt. „Der Biologe muss eigentlich ganz deutlich sagen, dass das Leben mit der Befruchtung beginnt. Das ist eigentlich gar keine Frage für den Biologen. Es ist die Entwicklung, die dadurch in Gang gesetzt wird, das Entwicklungsprogramm, wenn sie so wollen, ein Programm der Selbstorganisation. Das ist ein vierdimensionaler Vorgang. Dreidimensional, weil die Strukturen immer komplexer werden, aber natürlich auf vierdimensional, weil diese Zunahme an Komplexität entlang einer Zeitachse passiert. Wenn ich diese Zeitachse zu irgendeiner Zeit durchtrenne, dann kann die Enden niemand mehr zusammenfügen. Also von den Biologen her beginnt das Leben mit der Befruchtung. Auch das menschliche Leben.“ [Christian Schöfer, Vortrag der 1. Österreichischen Bioethik-Konferenz, 13. 07.2001]

Aber auch von Seiten der philosophischen Argumentation sprechen viele Argumente dafür, dem menschlichen Leben von allem Anfang an Würde und Rechte zuzusprechen (Vgl. Status des Embryos, Imabe, Fassbänderverlag 1991). Wenn man die Würde des Menschen an Eigenschaften koppelt, die der Mensch haben kann, oder auch nicht haben muss, dann wird die Würde zu einem Begriff, der jeweils neu definiert werden kann und daher nicht mehr als anthropologischer Grundbegriff taugt. Damit wird aber auch das Konzept der Menschenrechte ad absurdum geführt.

Der Lebensschutz ist ein fundamentales Menschenrecht. Es ist in der Allgemeinen Erklärung der Vereinten Nationen enthalten und in praktisch jeder Verfassung verankert. „Wenn es überhaupt so etwas wie Rechte des Menschen geben soll, kann es sie nur geben unter der Voraussetzung, dass niemand befugt ist, darüber zu urteilen, ob jemand Subjekt solcher Rechte ist“ (Böckenförde und Spaemann, FAZ 30.6.2001).

Jürgen Habermas, der Vater der Diskursethik hat erst kürzlich bei einem Vortrag in Marburg dafür plädiert, eine Fairnessregel für den Diskurs um den Status des Embryos einzufordern. Habermas meinte, dass unabhängig von irgendeiner ontologischen Überzeugung über den Anfang personalen Lebens der Embryo als jemand betrachtet werden müsste, der in der Diskussionsgemeinschaft ein Stimmrecht hat. „Wir sollen – Habermas wörtlich – ihn in Antizipation seiner Bestimmung wie eine zweite Person behandeln, die sich, wenn sie geboren würde, zu dieser Behandlung verhalten könnte.“ Wer bereit ist, diese Fairnessregel einzuhalten, wird sich schwer tun, die embryonenverbrauchende Forschung zu rechtfertigen.

4. Der moralische Status des Embryo in-vitro ist nicht gleichgestellt mit dem im Uterus. Man braucht den Embryo in-vitro nicht mehr schützen als den Embryo im Uterus. 

In der Natur kommt es häufig zum spontanen Absterben von Embryonen im Uterus. Embryonenverbrauch kann nicht so schlimm sein, da ähnliches sowieso Tag für Tag geschieht.

Dieses Argument wurde immer wieder schon in den achtziger Jahren verwendet, um die verbrauchten Embryonen der Künstlichen Befruchtung zu rechtfertigen: damit ein Kind lebend geboren wird, müssen im Durchschnitt zehn erzeugte Embryonen sterben. 

„Der frühe (ja schon der ungezeugte) Embryo, auf dessen Geburt ein Menschenpaar hofft und wartet, ist wunderbarer- und richtigerweise schon von diesem Moment an für diese beiden ein „Du". Ein „Du" im Sinne eines kompromisslos zu schützenden Anderen werden Embryonen erst deutlich später. Hier müssten strikte Grenzen gezogen werden, die man von menschlicher Willkür nie ganz wird freisprechen können, die aber sicherstellen, dass Missbrauchsgefahren gebannt und unsere Empathien als moralische Grundhaltung nicht tangiert würden. Die britische Zweiwochenfrist als Obergrenze jeglicher Embryonenforschung wäre dafür durchaus akzeptabel.“ [Bettina Schöne-Seifert, Die Zeit 09/01]

Diskussion:

Niemand ist für alles verantwortlich, was irgendwo geschieht. Verantwortlich sind wir aber für das, was wir tun. Naturereignisse haben keine sittliche Dimension, sie sind auch nicht sittlicher Maßstab für unser Handeln. Selbst wenn in einem Krankenhaus auf natürlichem Weg viele Patienten zu Tode kommen, dürfen die Ärzte, die in diesem Spital tätig sind, keineswegs den Schluss daraus ziehen, dass sie einem schwerkranken Patienten den Todesstoß versetzen dürfen. Ethik fragt immer nach der sittlichen Qualität einer Handlung, weil der Mensch die Verantwortung für sein Tun nicht abstreifen kann. Für das, was man getan hat, muss man gerade stehen.

Man soll auch den Mut haben IVF wieder zu hinterfragen. 25 Jahre IVF-Praxis am Menschen haben eindeutig gezeigt, dass der in-vitro erzeugte Embryo faktisch nicht den gleichen Lebensschutz bekommt wie der im Mutterleib gezeugte Embryo. Den Beteiligten am IV-Prozess – Ärzte und Laborpersonal – steht das Leben des Embryos praktisch ungehindert zur Verfügung. Sie werden ja sogar gesetzlich für die Entscheidung verantwortlich gemacht, „lasse ich den Embryo weiter leben oder nicht“. Auch in Deutschland, wo ein sehr restriktives Gesetz die Herstellung von Embryonen, die nicht übertragen werden sollen, unter Strafe stellt, gibt es letztlich überzählige Embryonen, deren Lebensrecht nicht geschützt werden kann.

Faktum ist also: ein IV-Embryo hat einen anderen Statuts, weil er nicht gleichermaßen geschützt werden kann. Es wäre allerdings ein naturalistischer Fehlschluss, aus dieser Tatsache ein „sollen“ zu machen, d.h. es wäre falsch, zu schließen, dass wir keine Pflicht mehr hätten ihn zu schützen, weil der IV-Embryo nicht geschützt werden kann. Wir haben ihn ja selber erzeugt!

Die Erzeugung in-vitro selbst wird kaum hinterfragt. Wenn es so ist, dass das IVF-Verfahren den Embryonen, die Individuen der Spezies Menschen sind, das Recht auf Schutz entzieht, dann muss man entweder begründen, warum Embryonen nicht Menschen sind oder erklären, es gäbe keine allgemeine Menschrechte mehr, weil konkrete Rechte immer von Mehrheiten definiert werden. Eine andere Alternative gibt es wirklich nicht. 

Im Übrigen verbietet jede Gesetzgebung – z.B. in der Bauordnung – Verfahren und Prozesse, die unzumutbare Lebensgefahren bedeuten. Es wäre darüber nachzudenken und zu diskutieren, ob es nicht wirklich so ist, wie der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft Prof. Winnacker am 3. Mai behauptet hat, dass der Rubikon mit der Zulassung der IVF überschrittet wurde. 

Man soll IVF nicht tabuisieren: die gesetzliche Zulassung der IVF war ein Schritt in die falsche Richtung.

5. Wer Abtreibung legitimiert, muss auch embryonenverbrauchende Techniken in Kauf nehmen.

Vergleicht man die sehr permissiv geratenen Regelungen, die der österreichische Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Schutz der negativen Freiheit der Frau, kein Kind haben zu wollen, angeordnet hat (§ 97 Abs. 1 StGB), mit § 9 Abs. 1 FMedG, so besteht ein rational nicht erklärbarer Wertungswiderspruch. Dieser Wertungswiderspruch wird insbesondere offenkundig, wenn man das Verbot der Präimplantationsdiagnostik der Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch wegen embryopathischer Indikation durchführen zu lassen (§ 97 Abs. 1 Z 2 Fall 2 StGB), gegenüberstellt. 
Die Regelung des § 9 Abs. 1 FMedG sollte daher durch eine Norm ersetzt werden, die es dem Forscher und/oder dem Arzt unter näher auszuführenden Auflagen gestattet, in-vitro-Embryonen bis zur Entwicklung des sog. „primitive streak" zu untersuchen (beispielsweise für Zwecke einer Präimplantationsdiagnostik) sowie gegebenenfalls auch im Rahmen der sog. „verbrauchenden Forschung" zu nutzen (beispielsweise zum Zweck der Gewinnung embryonaler Stammzellen)."
 [Konsensuspapier der Österreichischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, Wien 2000]

(Das obige Zitat von Kurt Bayertz suggeriert auch diese Position.)

Diskussion:

Von rechtlicher Seite her gesehen dürfen Abtreibungsregelung und embryonenverbrauchende Techniken nicht gleich bewertet werden. In der Frage der Abtreibung argumentiert der Deutsche Gesetzgeber, dass es sich um einen Notfall handelt, bei dem das Recht der Mutter mit dem Recht des Kindes in Konflikt gerät. Im Falle der Embryonen in-vitro handelt es sich keineswegs um einen Notfall. Dies hat auch Bundespräsident Rau klar in seiner öffentlichen Rede am 18. Mai dieses Jahres zum Ausdruck gebracht. „Nun wird gesagt, die PID könne man schon deswegen nicht verbieten, weil bei uns jedes Jahr Tausende von Abtreibungen straflos bleiben. Dieses Argument übersieht, dass es sich hier um zwei vollkommen unterschiedliche Sachverhalte handelt.

Erinnern wir uns an die schwierige Debatte zum Paragraf 218: Eine breite Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages war der Überzeugung, dass das Leben des Kindes nicht gegen den Willen der Frau geschützt werden kann und dass Beratung und praktische Unterstützung das Leben besser schützen als Strafandrohung. Darum stellt der Paragraf 218 eine Abtreibung unter bestimmten Bedingungen straffrei.

Er liefert also kein Argument für die Präimplantationsdiagnostik, denn er zielt auf die unvergleichbare Konfliktsituation während einer Schwangerschaft ab. Er rechtfertigt keine Praxis, die das Tor weit öffnet für biologische Selektion, für eine Zeugung auf Probe.“

Anschrift der Autorin:

Dr. Notburga Auner
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