Tagungsbericht: „Altern als Schicksal?“

Imago Hominis (1998); 5(4): 284-285
Notburga Auner, Ivan Drmic

Die 2.Wiener Geriatrietage, die vom 4. - 7. November 1998 im Geriatriezentrum am Wienerwald abgehalten wurde, standen unter dem Motto: „Altern als Schicksal? Prävention – Intervention – Palliation“. Die zahlreiche Teilnahme läßt schon darauf schließen, daß die speziellen Fragen der geriatriatrischen Medizin zunehmend an Bedeutung gewinnen. So spiegeln die Themenschwerpunkte wohl die großen Problemfelder der medizinischen Altenbetreuung wider: Demenz, Palliativmedizin, Schmerztherapien, Ernährung im Alter, Flüssigkeits- und Nahrungssubstitution, ethische Fragen etc.

In Österreich allein gibt es zur Zeit an die 140.000 Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Die Zahlen der Neuerkrankungen zeigen eine deutliche Tendenz der Steigerung, und dies allein macht schon deutlich, daß an neuen Strategien der Frühdiagnose und der Therapie gearbeitet werden muß. Unterschieden wird zwischen Vorboten (Interesselosigkeit, Vitalitätsverlust, sozialer Rückzug, Ermüdbarkeit, Affektabilität, depressive Verstimmung, Merkfähigkeitsstörungen für Zahlen oder Namen, Delegation von Amtsgeschäften, Telefonaten usw.) und der bereits beginnenden Demenz (geistige Leistungsminderung, Persönlichkeitsabbau, Schwierigkeiten im Alltag). Eine große Schwierigkeit besteht in der Früherkennung, weil den Patienten wohl auch das Recht eingeräumt werden muß, zu Zeiten noch Entscheidungen bezüglich der Zukunft zu treffen. In diesem Zusammenhang sind die verschiedenen frühdiagnostischen Tests interessant. In der Therapie müssen stets mehrere Faktoren zusammenspielen: die richtige Medikation muß vom gezielten Training der kognitiven Fähigkeiten unterstützt und der Fürsorge der Angehörigen (soziales Umfeld) begleitet werden. Die Vorstellung des „Demenzstation“-Projektes im Geriatriezentrum, wo in der nächsten Zeit eine eigene Abteilung für Demenzkranke geschaffen wird, die ganz speziell auf die Bedürfnisse der alten Menschen und ihre geänderten Lebensgewohnheiten eingeht. Die Räumlichkeiten werden, farblich abgestimmt, auf „Wachzone“ und „Ruhe- bzw. Schlafzone“ aufgeteilt, sogar ein eigener Garten mit speziell gestalteten Wegen wird errichtet.

Der Palliativmedizin wurden eine ganze Reihe von Vorträgen und Workshops gewidmet. Schmerztherapie und Symptomkontrolle nehmen einen vorrangigen Stellenwert ein. Die Schmerzursachen im Alter sind vornehmlich auf chronische, nicht reparable Funktionsstörungen, wie Abnützungserkrankungen von Wirbelsäule und Gelenken, Knochenbrüche, maligne Tumoren, Insultfolgen, neurogene Schmerzen (Herpes, Trigeminusneuralgie, Fantomschmerzen), Immobilität, Ischämien etc. zurückzuführen.

Die Palliativmedizin stellt sich aber auch die Frage, ab wann ein Patient sterbend ist, und somit jede weitere Therapie anstelle der Leidensverminderung eine unnötige Lebensverlängerung darstellt. Einige Grundsätze wie „Dehydratation ist Bestandteil des Sterbens“, „Sterben ist keine Krankheit“, „Sterben (selbst) braucht keine Therapie“, sollen die Ärzteschaft zu neuem Bewußtsein bringen und vor therapeutischem Übereifer schützen. Infusionstherapien in der Terminalphase des Lebens schaffen Probleme wie Herzinsuffizienz, Ödeme, Schmerzen, vermehrtes Bronchialsekret, Harnkatheter usw. und erfordern unnötige zusätzliche Therapiemaßnahmen.

Die ethischen Fragen, die sich gerade in der Geriatrie notwendigerweise stellen, wurden ebenfalls in einigen Vorträgen und Workshops zur Sprache gebracht. Oftmals wurde die Patientenautonomie und die Schwierigkeit, daß gerade bei alten oder dementen Patienten diese kaum noch beachtet werden, genannt. Die Rolle der Angehörigen als Interessensvertreter wird stark hervorgekehrt, obwohl in vielen Fällen gerade das soziale Umfeld versagt. Vom Arzt wird mehr Sensibilität für das Wertbild des Patienten gefordert, um nach Möglichkeit immer in seinem Sinn entscheiden zu können. Ein Vortragender bemühte sich auch, deutlich zu machen, was vor einigen Jahren durch eine Studie in den USA belegt werden konnte. In der Liste der „Ängste“ stehen nicht die Schmerzen obenan, sondern die Machtlosigkeit, das Ausgeliefertsein und Alleingelassenwerden, während die Furcht vor den Schmerzen erst an der neunten Stelle rangiert.

Die Veranstalter haben mit Sicherheit die wichtigen und aktuellen Probleme in der Geriatrie herausgegriffen. Lösungsansätze sind da, es bleibt aber viel Arbeit für die Zukunft.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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