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Corona: Fünfzig Prozent der COVID-19 Todesfälle in Pflegeheimen

Pandemie rückt prekäre Arbeitsbedingungen für Pflegende in den Fokus

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Knapp die Hälfte der Menschen, die in Europa an COVID-19 gestorben sind, waren Bewohner von Langzeitpflegeeinrichtungen. Dass Pflegeeinrichtungen besonders betroffen sind, überrascht nicht, da hier besonders viele Hochrisikopatienten versammelt sind. Eine Forschergruppe der London School of Economics warnen jedoch, dass das Ausmaß der Infektionen und Todesfälle in den Heimen nicht ignoriert werden dürfe. Laut ihren Erhebungen waren in Irland 54 Prozent der COVID-19 Todesfälle Bewohner in Pflegeheimen. In Spanien kam das Team auf 57 Prozent, Belgien kam auf einen Wert von 42 Prozent, Frankreich auf 45 Prozent und Italien auf 53 Prozent (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online, 14.4.2020).

„In der gesamten europäischen Region wurde die Langzeitpflege oft sträflich vernachlässigt, aber das sollte nicht so sein“, betont Hans Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa (vgl. Pressemitteilung, online, 23.4.2020) angesichts der Zahlen. Bereits vor der COVID-19-Pandemie hätten Pflegende unter problematischen Bedingungen arbeiten müssen. Die aktuelle Situation „erinnert uns schmerzlich daran, dass wir Gelder für unentbehrliche Leistungen nicht kürzen dürfen“, betonte Kluge. Es sei wichtig, sicherzustellen, dass alle über eine Schutzausrüstung und andere wichtige Hilfsmittel verfügen, damit sie sich selbst und die von ihnen betreuten Personen schützen können. Die Pandemie habe die „übersehenen und unterbewerteten Bereiche gesellschaftlich in den Mittelpunkt gerückt“, so Kluge.

Kluge spricht angesichts der Daten von einer „unvorstellbaren menschliche Tragödie“. Viele Bewohner in Pflegeheimen sterben alleine, ohne die Besuche ihrer Freunde und Beistand ihrer Familie, da Besuchsverbote gelten. Das habe einen „emotionalen Schaden zugefügt“, sagte Kluge (vgl. Business Leader, online, 23.4.2020). Laut WHO sind in Europa über 95 Prozent der COVID-19-Todesfälle in der Altersgruppe über 60 Jahre aufgetreten. Mehr als 50 Prozent aller Verstorbenen waren über 80 Jahre alt. Acht von zehn Todesfällen entfallen auf Personen mit mindestens einer Vorerkrankung.

In Deutschland lebten laut Robert-Koch-Institut (RKI) mindestens ein Drittel aller gemeldeten Corona-Todesfälle (1.491 von 4.600) in Alten- und Pflegeheimen sowie anderen Betreuungseinrichtungen. Diese fühlen sich immer noch unterversorgt. „Dort, wo potenzielle Krankenhausfälle verhindert werden können – in der ambulanten und stationären Langzeitpflege – lässt man die Pflegenden allein und ohne ausreichende Schutzausstattung“, kritisierte etwa der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). „Der Schwerpunkt des Nachschubs für Schutzausrüstung lag offenbar bisher bei den Krankenhäusern und Arztpraxen.“ Es fehle weiter an Atemschutzmasken, Desinfektionsmittel und Schutzkleidung, sagte auch Patientenschützer Eugen Brysch. Insofern seien Pflegeheime „ein hochgefährlicher Ort“ für Mitarbeiter und Bewohner (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online ,22.4.2020).

Institut für Medizinische
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