Bioethik aktuell

Deutschland: Ärzte und Juristen üben scharfe Kritik an Cannabis-Legalisierung

Gesundheitliche Risiken werden verharmlost, von einer Entlastung für Polizei und Justiz könne keine Rede sein

Lesezeit: 02:33 Minuten

Deutschland legalisiert als erstes europäisches Land den Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis als Genussmittel. Ärzte, Richter und Sicherheitsbehörden kritisieren die Cannabis-Legalisierung scharf. Der schädliche Konsum unter Jugendlichen werde zunehmen - und der Schwarzmarkt nicht eingedämmt.

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Die von der Deutschen Bundesregierung geplante Cannabislegalisierung wird von der Bundesdeutschen Ärztekammer heftig kritisiert. Durch die Freigabe werde eine Droge verharmlost, die „nachgewiesenermaßen abhängig macht“ und gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu schweren Entwicklungsschäden führen könne, warnte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt (Pressemitteilung, 17.8.2023).

Risiko für psychische Erkrankungen wird ignoriert

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe selbst öffentlich darauf hingewiesen, dass die Entwicklungsprozesse bis zum 25. Lebensjahr noch nicht abgeschlossen seien und der Konsum von Cannabis diese Prozesse negativ beeinflussen könne. Diese Schäden seien dauerhaft und blieben lebenslang wirksam, betont Reinhardt. So steige beispielsweise das Risiko nach­haltiger kognitiver Funktionsdefizite, das Auftreten von Psychosen, Depressionen oder Angststörungen aufgrund von Cannabiskonsum signi­fikant. Aktuelle Studien erhärten diese Daten (Bioethik aktuell, 13.5.2023). Trotz dieser schweren gesundheitlichen Gefahren wolle Lauterbach, selbst Mediziner, schon Achtzehnjährigen den legalen Zugang zu Cannabis ermöglichen. Dies sei „hochgradig verantwortungslos“. Wie Reinhardt betont, weist auch der Internationale Suchtstoffkon­trollrat darauf hin, dass die Legalisierung von Cannabis zu mehr Konsum führe und das Risikobewusstsein mindere.

Deutscher Richterbund: Schwarzmarkt wird weiter blühen

Der Deutsche Richterbund (DRB) kritisierte, das Vorhaben werde die Justiz nicht entlasten. DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn betonte, dass es kaum zu erwarten sei, dass der Schwarzmarkt zurückgedrängt wird. „So sollen der Erwerb und der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis künftig unabhängig von der Bezugsquelle straflos bleiben. Weil der Eigenanbau oder ein Bezug über Anbauvereinigungen aber einige Hürden hat, dürfte auch die Nachfrage auf dem Schwarzmarkt im Sog des Cannabisgesetzes wachsen.“ Erfahrungen aus den USA und Kanada bestätigen Rebehns Vorbehalte: Eine Legalisierung kann den Schwarzmarkt nicht eindämmen, dieser blüht weiter (Bioethik aktuell, 12.4.2023).

Justiz und Sicherheitsbehörden rechnen mit erheblichen Zusatzaufwand

Auch die Gewerkschaften der Polizei und des Zolls übten Kritik. Das Gesetz bringe „ein Bürokratiemonster ersten Grades hervor, das schon wegen seiner Überkomplexität zum Kontrollverlust in der Realität führen wird“, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. „Von einer eigentlich vor­gesehenen Entlastung von Polizei und Justiz kann keine Rede sein.“ Die Polizeige­werk­schaft führte eine Reihe von Kritikpunkten an. So sei bislang völlig offen, wie mit Kraftfah­rern im Straßenverkehr umgegangen werden soll, die unter Cannabiseinfluss stehen, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online 16.8.2023).

In privaten Cannabisclubs dürfen Vereinsmitglieder Drogen anbauen

Der vom Bundeskabinett am 16. August beschlossene Gesetzentwurf sieht vor, Cannabis im Betäubungsmittel­gesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Für Volljährige ab 18 Jahre soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat sollen maximal drei Pflanzen angebaut werden dürfen. In privaten Cannabisclubs sollen Vereinsmitglieder zudem die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen – pro Monat bis zu 50 Gramm pro Mitglied. Bei 18- bis 21-Jährigen sollen es bis zu 30 Gramm im Monat mit einem maximalen Gehalt von zehn Prozent an Tetrahydrocannabinol (THC) sein dürfen, das ist der Stoff mit der Rauschwirkung. Das Gesetz soll bis Ende des Jahres in Kraft treten.

Institut für Medizinische
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