Bioethik aktuell

IMAGO HOMINIS: Pandemie und Ethik sowie Suizidbeihilfe im Fokus

Lesezeit: 02:54 Minuten

Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020  haben wir den Beitrag 15 ethische Fragen zur Corona-Krise veröffentlicht (E. Prat, Imago Hominis (2020); 27(2): 082-096). Die darin aufgeworfenen Fragen konnten zum damaligen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Die Pandemie ist heute weder überstanden noch unter Kontrolle. Dennoch soll in der kommenden IMAGO HOMINIS-Ausgabe (Erscheinung: Ende November) eine erste Evaluierung jener Aspekte erfolgen, die in dieser –  hoffentlich letzten – Phase der Pandemie bereits beurteilt werden können. Ein zweiter Imago Hominis-Band "Pandemie und Ethik II" ist geplant.

Wir haben vier Experten gebeten, aus ihrer Perspektive die Vorgänge der letzten Monate zu beschreiben und zu bewerten. Axel Bauer (Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg) beschreibt die Debatte in Deutschland von März 2020 bis Mai 2021. Die Juristin Katharina Pabel (WU Wien) untersucht in ihrem Beitrag, inwieweit die Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit in der Pandemie-Zeit überfordert waren. Der „Homo Hygienicus“ war laut dem Philosophen Thomas S. Hoffmann (Fernuniversität Hagen) die biopolitische Antwort auf die Pandemie. Diese Strategie stellt er als reduktionistisch und zu einseitig dar und plädiert für ein modernes Verständnis des Rechtes, das in Zeiten der Krise nicht suspendiert werden muss. 

Die öffentliche Religionsausübung wurde in den anderthalb Jahren der Pandemie zeitweilig eingeschränkt. Dies geschah unter zahlreichen Debatten. Derzeit ist die Religionsausübung praktisch wieder normal zugelassen. In dieser Ausgabe skizziert Stephan Leitner (Kultusamt, Wien) die grundrechtliche Situation in Österreich im Hinblick auf die Freiheit der Religionsausübung und stellt dar, wie in Hinblick darauf ein Ausgleich zwischen dem Grundrecht auf Religionsfreiheit und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gesucht wurde.

Am 23. Oktober 2021 legte die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur strafrechtlichen Regelung der Beihilfe zum Suizid vor. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte am 11.12.2020 das Verbot der „Beihilfe zum Selbstmord“ mit Ende 2021 aufgehoben. Gleichzeitig wurde der Gesetzgeber aufgefordert, Maßnahmen zum Schutz vor Missbrauch zu setzen. So sollen nun Personen ab 2022 eine sog. „Sterbeverfügung“ errichten können – ähnlich der Patientenverfügung –, wenn ein Dritter sie beim Suizid unterstützen soll. Berechtigt sind dauerhaft schwerkranke oder unheilbar kranke Personen, die volljährig und entscheidungsfähig sind. Die Sterbeverfügung berechtigt zu einem legalen Zugang zu einem tödlichen Präparat, das sie in der Apotheke bekommen können. Die Begutachtungsfrist für das „Sterbeverfügungsgesetz“ endet am 12. November. Noch im Dezember soll das Gesetz vom Nationalrat beschlossen werden und mit 1.1.2022 in Kraft treten.

Auch unser Institut wird sich mit einer Stellungnahme in den Gesetzgebungsprozess einbringen, der sicherlich noch für viel Diskussionsstoff sorgen wird. Zwei Beiträge widmen sich nun diesem Thema. Der Moraltheologe Stefan Hofmann (Frankfurt/Innsbruck) analysiert den Schlüsselbegriff der Autonomie, der den Entscheiden der Verfassungsgerichte in Deutschland und in Österreich zugrunde lag. Welche Autonomie ist da gemeint? Wann ist der Mensch wirklich autonom? Die Unterscheidung zwischen Selbstbestimmung und Autonomie und zwischen temporärer und finaler Autonomie kann wirksam helfen, um Betroffene zu schützen und manche Selbsttötungen zu verhindern.

Der Philosoph Christoph Böhr (Institut für Philosophie der Päpstlichen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz/Wien) denkt über den Zusammenhang von Todeswunsch und Lebenssinn nach. Dabei bringt er die Begriffe von Sinnleere, Sinnhoffnung und Sinnerfüllung ins Spiel. Der Mensch braucht eine Antwort auf die Sinnfrage nicht weniger als die Luft zum Atmen. Anhand von zwei literarischen Werken der jüngsten Zeit illustriert er, wie schwierig es heute ist, darauf Antworten zu finden.

 Die IMAGO HOMINIS-Ausgabe: Pandemie und Ethik I 03/2021 kann hier bestellt werden.

 

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: