Bioethik aktuell

Österreich: Vorhaben zur Legalisierung von Sterbehilfe stoßen auf Widerstand

Ministerien sehen keinen Handlungsbedarf und verweisen auf ärztliche Beistandspflicht

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Für Justizminister Josef Moser (ÖVP) ist eine Entkriminalisierung der Beihilfe zur Selbsttötung in Österreich kein Thema. Das geht aus der Antwort auf eine Petition hervor, die am 27. Februar im Nationalrat behandelt wurde. Die Petition betreffend einer „Prüfung der Möglichkeit und Konsequenzen der Entkriminalisierung von assistiertem Suizid“ war von NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard überreicht worden.

Justizminister Moser verweist in seiner Stellungnahme auf die einstimmig beschlossenen Empfehlungen der Enquete „Würde am Ende des Lebens“ von 2015. Im Regierungsprogramm für die laufende Gesetzgebungsperiode sei „assistierter Suizid kein Thema“, so Moser. Im Fokus stünde der Ausbau von Hospiz- und Palliativpflege.

Ebenso ablehnend äußerte sich Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Der assistierte Suizid sei bisher in Österreich nicht annähernd konsensfähig gewesen, aktive Sterbehilfe daher im österreichischen Strafgesetzbuch unter Mord, Tötung auf Verlangen oder Mithilfe am Selbstmord weiterhin strafbar. Mit der Novellierung des Ärztegesetzes 2018 wurde mit § 49a eine Beistandspflicht des Arztes normiert, betont Hartinger-Klein. Darin wurde präzisiert, dass es bei Sterbenden insbesondere auch zulässig ist, im Rahmen palliativmedizinischer Indikationen Maßnahmen zu setzen, die Schmerzen und Qualen lindern, auch wenn dadurch eine Lebensverkürzung als nicht beabsichtigte Nebenwirkung in Kauf genommen wird.

Konsens herrsche darüber, dass Maßnahmen, die den bereits eingesetzten Sterbeprozess nur verlängern, unterlassen werden können, da dies weder den Vorgaben einer gewissenhaften Betreuung, noch der Wahrung des Wohls der Patienten entspreche. „Durch den neuen § 49a Ärztegesetz 1998 ergibt sich aber keinerlei Änderung dahingehend, dass aktive Sterbehilfe mit den strafrechtlichen Tatbeständen (§§ 75, 77 und 78 StGB) verboten bleibt“, betont Hartinger-Klein.

Auf Betreiben der umstrittenen Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas plant der Wiener Anwalt Wolfram Proksch in den kommenden Wochen eine Klage beim Verfassungsgerichtshof zubringen (IMABE berichtete 12/2018). Einer seiner vier Mandanten ist ein an Multipler Sklerose erkrankter 54-jähriger Burgenländer, der das Recht auf Beihilfe zur Selbsttötung einfordert (vgl. Die Presse, online, 26.2.2019). In einem Interview sagt der Anwalt, dass Beihilfe zum Suizid „der Gesellschaft weder im Großen noch im Kleinen Schaden antun“ würde (vgl. Salzburger Nachrichten, online, 16.2.2019).

Dignitas mit Sitz im Kanton Zürich finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Erbschaften. Der Verein zählte 2017 rund 8 500 Mitglieder aus mehr als 80 Ländern. 688 davon haben ihren Wohnsitz in der Schweiz, 3.351 in Deutschland, 1.315 in Großbritannien, 542 in den USA und 168 in Österreich. In den vergangenen 20 Jahren haben 55 Österreicher Suizid in der Schweiz begangen, rund drei pro Jahr.

Dass durch eine Legalisierung der Sterbehilfe Druck auf ältere Menschen entstehen könnte, hält Anwalt Proksch für „verlogen“. Es gäbe keinerlei nachweisbare Fälle, in denen ein Betroffener gedrängt worden wäre, sich das Leben mit Hilfe anderer zu nehmen, um Angehörige oder Staat zu entlasten.

Beispiele aus dem US-Bundesstaat Oregon zeichnen hingegen ein anderes Bild. Zwei Krebspatienten, die nur über die staatliche Krankenversicherung Medicaid verfügten, wurde per amtlichem Schreiben die zu teure Chemotherapie verweigert. Gleichzeitig wurde ihnen ein assistierter Suizid als Alternative angeboten. Beide wollten jedoch leben und behandelt werden. Erst als der Fall von Randy Stroup 2009 an die Öffentlichkeit kam, wurde ihm eine Chemotherapie zugestanden.

„Angesichts dieser Fälle ist es naiv zu glauben, dass eine Legalisierung der Sterbehilfe keinerlei Auswirkung auf das Vertrauen in die Arzt-Patienten-Beziehung hat“, betont Bioethikerin Susanne Kummer vom Wiener Wissenschaftsinstitut IMABE. So rechnen kanadische Gesundheitsökonomen rechnen bereits vor, wieviel Geld durch Tötung auf Verlangen dem Gesundheitssystem eingespart werden können. Patienten bekommen dort einer aktuellen Studie zufolge Euthanasie angeboten, bevor sie noch über eine adäquate palliative Versorgung informiert worden sind. In den Niederlanden treten reihenweise Ethiker aus den Sterbehilfe-Kommissionen aus, weil sie sagen, dass das System entgleist ist, so Kummer. „Der Suizid mit ärztlicher Hilfe ist nie bloß eine individuelle Tat, sondern immer eine soziale und hat daher gesellschaftliche Folgen.“

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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