Bioethik aktuell

Palliative Comfort Care: Neue Leitlinien zur Versorgung von sterbenskranken Neugeborenen

Eltern von Trisomie-18-Babys möchten sich in Frieden verabschieden dürfen

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Krankenhäuser und Ärzte sind kaum vorbereitet für Geburten von Kindern, die mit einer akut lebensbedrohlichen, unheilbaren Krankheit geboren werden. Gerade diese kleinen Patienten und ihre Eltern brauchen jedoch eine umfassende medizinisch-pflegerische Palliativbetreuung. Darauf weist das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) hin. Das ACOG hat nun neue Empfehlungen (Perinatal Palliative Care, in: Obstetrics & Gynecology 2019; 134(3) e84-e89) herausgegeben, wie sich ein multidisziplinäres Team auf die perinatale palliative Behandlung von Neugeborenen mit geringer Lebenserwartung gemeinsam mit den Eltern vorbereiten kann.

Die Leitlinien fokussieren sich ausschließlich auf jene Fälle, in denen bereits vorgeburtlich eine schwerwiegende, unheilbare Krankheit beim Ungeborenen festgestellt werden konnte. Meist würden in diesen Fällen nur zwei Optionen angeboten, so die Autoren: entweder ein Schwangerschaftsabbruch oder eine Schwangerschaftsfortführung, die zugleich oft maximale intensivmedizinische Betreuung, postnatale Wiederbelebung und lebensverlängernde Behandlung bedeutet. Die Experten möchten den betroffenen Eltern mit der sog. Perinatal Palliative Comfort Care daher eine dritte Option ermöglichen.

Die Autoren zitieren eine Studie, bei der Eltern von Kindern mit pränatal diagnostizierter Trisomie 13 und 18 nach ihren Wünschen befragt wurden. Sie nannten „Lebendgeburt“, „Zeit mit der Familie verbringen“, das „Kind mit nach Hause nehmen“ und dem Kind „ein gutes Leben geben“. Es erfüllte die Eltern mit Frieden, ihr Kind in den Armen halten und sich verabschieden zu können, auch wenn das Neugeborene nur wenige Stunden lebte oder sogar schon tot geboren wurde. Für diese und andere Fälle brauche es eine vorab klar definierte Versorgungsstrategie.

Die Leitlinien zeigen, wie diese in einer gemeinsamen Entscheidungsfindung mit einem multidisziplinären Team und der Familie erarbeitet werden kann - von der Geburt bis zum möglicherweise bald einsetzenden Tod des Kindes. Zu den Komponenten des Perinatal Palliative Comfort Care zählt die gemeinsame Planung der Entbindung, Behandlung von möglicher Atemnot und Schmerzkontrolle, Ermöglichung des direkten Körperkontaktes, Wärme, Flüssigkeitszufuhr, Fütterung und Stillzeit sowie Unterstützung und Betreuung während der vorgeburtlichen, geburts- und nachgeburtlichen Periode. Außerdem wird den betroffenen Müttern und Vätern psychosoziale und spirituelle Begleitung angeboten, auch für die Trauerphase nach der Verabschiedung von ihrem Kind.

Obwohl die Nachfrage nach perinataler Palliativversorgung steige, so die Autoren, sei das Angebot nach wie vor gering. In einer retrospektiven Kohortenstudie, an der mehr als 40 Kinderkrankenhäuser aus den USA teilnahmen, stellten Neugeborene 41 Prozent aller Todesfälle im Krankenhaus dar, nur zwei Prozent von ihnen hatten aber Palliativleistungen erhalten. Betroffene Familien brauchen Information, Hilfe und Beistand durch ein multidisziplinäres Team. Für das ungeborene Kind sei ein palliativer Begleitungsplan entscheidend. Im Vorfeld könne man festlegen, auf unnötige Lebens- und damit Leidensverlängerung zu verzichten und zugleich alles zu tun, damit das Neugeborene keine Schmerzen leidet.

Im Mai 2019 widmete sich eine Internationale Vatikan-Konferenz der perinatalen Medizin und Pränataldiagnostik (vgl. Imago Hominis (2019); 26(2): 084-086). Anfang 2019 publizierten einige österreichischen Fachgesellschaften eine überarbeitete Leitlinie zur Erstversorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit (vgl. Monatsschrift Kinderheilkunde 2019; 167: 36-45 https://doi.org/10.1007/s00112-018-0532-0).

Weiterführende Literatur für Perinatal Palliative Comfort Care: Fallbeispiel Therapiereduktion bei genetisch schwer geschädigten Kindern in Imago Hominis (2014); 21(3): 193-194).

Institut für Medizinische
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