Bioethik aktuell

Schwangerschaftsabbruch: Nöte von Frauen müssen enttabuisiert und Hilfe angeboten werden

Immer mehr Frauen stehen laut Studien bei Abtreibung unter Druck

Lesezeit: 03:54 Minuten

Vor 50 Jahren, am 29. November 1973, beschloss das österreichische Parlament, den Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen straffrei zu stellen. In Österreich finden schätzungsweise 30.000 Abtreibungen jährlich statt – offizielle Zahlen dazu fehlen bis heute.

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Bis heute werden – im Gegensatz zu fast allen europäischen Ländern – in Österreich keine Statistik und auch keine Daten zu Beweggründen, Methode oder gesundheitlichen Komplikationen nach Abbrüchen erhoben. International zeigt sich, dass die Zahl der Abtreibungen zunimmt. In Deutschland gab es im Jahr 2022 104.000 Abtreibungen (Statistisches Bundesamt, 27.3.2023) – um 9,9 Prozent mehr als noch 2021; in Frankreich waren es 234.300 Kinder: 78 Prozent dieser Abtreibungen wurden dabei mittels Abtreibungspille durchgeführt (Statistisches Amt, 27.9.2023). In Großbritannien lautete der Hauptgrund für die 229.000 im Jahr 2021 gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche, eine Gefahr für die „psychische Gesundheit der Frau“ abzuwenden (98 Prozent). Diese Begründung kann sich allerdings auf keine wissenschaftlichen Daten stützen, wie eine aktuelle IMABE-Studie zeigt (Schwangerschaftsabbruch und Psyche: eine qualitative Studienanalyse, IMABE Studienreihe 2023).

Erhöhtes Risiko für psychische Probleme nach Abtreibung

Auch in Großbritannien wurde der Großteil (87 Prozent) der Abtreibungen mit dem Präparat Mifepristone durchgeführt, was zu gesundheitlichen Komplikationen führen kann (Bioethik aktuell, 3.12.2021). In 52 Prozent dieser Abtreibungen, die sich über mehrere Tage erstrecken, führten die Frauen diese selbst zu Hause durch, was ebenfalls mit erheblichen Belastungen verbunden ist. Bereits im Jahr 2008 hat die American Psychological Association 15 Risikofaktoren identifiziert, bei denen für Frauen nach einer Abtreibung ein höheres Risiko für psychische Probleme besteht. Darunter zählen unter anderem der Abbruch einer gewollten oder sinnvoll empfundenen Schwangerschaft; der Druck von Dritten, die Schwangerschaft zu beenden; Mangel an wahrgenommener sozialer Unterstützung; geringes Selbstwertgefühl oder auch die Ambivalenz gegenüber der Abtreibungsentscheidung.

Der gewaltsame Verlust des Kindes bedarf der inneren Heilung

 „Viele Frauen würden sich bei entsprechender moralischer, sozialer und finanzieller Unterstützung für und nicht gegen ihr Kind entscheiden. Zwei Drittel der Frauen erleben ihre Entscheidung zur Abtreibung als Verletzung der eigenen Überzeugungen. Ihr stilles Leid nach dem gewaltsamen Verlust ihres Kindes, das der Heilung bedarf, wird jedoch häufig tabuisiert,“ heißt es in einer am 28. November 2023 veröffentlichten Erklärung der Österreichischen Bischofskonferenz. Mitunter werde es jahrelang verdrängt, ehe es irgendwann aufbricht, „Hier sieht die Kirche einen besonderen Auftrag, allen Betroffenen auf ihrem Weg der inneren Heilung zu begleiten.“

Frauen in einer Konfliktschwangerschaft effektiv beistehen

50 Jahre nach Einführung der sogenannten „Fristenregelung“, die am 1. November 1975 in Kraft trat, plädiert die Österreichische Bischofskonferenz für eine neue Besinnung. In Politik, Gesellschaft und Kirche müsse man sich heute fragen, „wie wir Frauen in einer Konfliktschwangerschaft effektiv beistehen können. Einerseits müssen ihre Rechte, ihre Würde und ihre Selbstbestimmung sowie andererseits auch jene ihres ungeborenen Kindes gewahrt bleiben“. In ihrer Erklärung zeigen sich die Bischöfe Österreichs in Sorge, „dass nicht nur das Lebensrecht des Kindes, sondern auch die Selbstbestimmung der Frau untergraben wird. Für Frauen, die zur Abtreibung gedrängt werden, ist Selbstbestimmung eine Fiktion.“

Väter müssen in die Verantwortung gezogen werden

Dies scheint auch schon in der Mitte der Bevölkerung angekommen zu sein: Laut einer im März 2023 präsentierten IMAS-Umfrage wünschen sich 77 Prozent der österreichischen Bevölkerung mehr Unterstützung für Frauen im Schwangerschaftskonflikt, „um ein Ja zum Kind zu ermöglichen“. Als „Gebot der Stunde“ werden dabei Begleitforschung zur Fristenregelung und entsprechende Hilfsmaßnahmen bezeichnet: Sie seien dringend notwendig, um „Schwangerschaftsabbrüche entschlossen zu reduzieren“. Familienbischof Hermann Glettler (Diözese Innsbruck) betont im Kathpress-Interview, dass es „viel häufiger als gedacht einen Druck durch Dritte gibt, insbesondere durch den Kindesvater, der das Kind ablehnt und zur Abtreibung drängt". Wo Abtreibung als Frauenrecht propagiert werde, würden Väter völlig aus der Verantwortung genommen (Kathpress, 28.11.23). Während Österreich zuletzt fünf Milliarden Euro für Corona-Tests ausgegeben habe, um Leben zu schützen, seien Vereine, die Schwangeren in Not auch finanziell helfen, bis heute fast ausschließlich spendenfinanziert. „Diese Logik ist nicht einsichtig“, so Gletter. 

Ein Recht auf Abtreibung ist Widerspruch in sich

Ein „Menschenrecht auf Abtreibung“, wie es etwa Frankreich 2024 einführen will oder eine Mehrheit im Europäischen Parlament fordert, ist nach Ansicht der Bischöfe Österreichs „ein Widerspruch in sich“. Es könne kein Menschenrecht sein, einer anderen Person ihr Menschenrecht auf Leben vorzuenthalten. Ein liberaler Staat lebe davon, dass er die Rechte aller seiner Bürger schützt, auch der noch nicht Geborenen. Auch sei „der Schwangerschaftsabbruch keine Gesundheitsleistung“, denn „weder ist eine Schwangerschaft eine Krankheit noch die Tötung des Ungeborenen die entsprechende Therapie“.

International gerät die Gewissensfreiheit des Gesundheitspersonal immer mehr unter politischen Druck (Bioethik aktuell, 3.10.2022). So soll in Deutschland der Schwangerschaftsabbruch in Zukunft Lernziel im Medizinstudium und Prüfungsstoff sein (Deutsches Ärzteblatt, 19.9.2023). In Österreich fordern SPÖ und Grüne die Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafrecht (Standard, 29.11.2023).

Institut für Medizinische
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