Bioethik aktuell

Studie: Nur 14 Prozent der Weltbevölkerung haben Zugang zu Palliativversorgung

Neue österreichische Regierung will Finanzierung von Palliative Care und Hospiz „auf sichere Beine stellen“

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Palliative Care hinkt dem rasch wachsenden Bedarf an Spezialversorgung, die Leiden am Ende des Lebens lindern kann, hinterher. Das zeigt eine aktuelle Studie der University of Glasgow. Nur 14 Prozent der Weltbevölkerung haben Zugang zu Palliative Care. Weltweit bieten nur 30 von 198 Ländern eine hoch entwickelte Palliativversorgung an, die vollständig in das Gesundheits- und Sozialsystem integriert ist, so das Ergebnis der im Journal of Pain and Symptom Management (DOI: https://doi.org/10.1016/j.jpainsymman.2019.11.009) publizierten Studie.

Österreich befindet sich (noch) nicht unter den Top-30-Ländern („Palliative Care in fortgeschrittenem Integrationsstadium“), sondern gemeinsam mit Tschechien, Ungarn, der Schweiz und 17 weiteren Ländern in der darunterliegenden Kategorie „Palliative Care im Vorfeld der Integration in die Regelversorgung“. Die Analyse der Forscher um den Medizinsoziologen David Clark von der University of Glasgow ermittelte 10 Indikatoren für die Entwicklung der Palliativversorgung (z.B. Finanzierung, Ausbildung, nationaler Strategieplan, Schulungsangebote usw.), die sie in den 198 Ländern anhand sechs Entwicklungsebenen analysierten. Zu den Top-30-Ländern zählen Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Island, Irland, Israel, Italien, Liechtenstein, Litauen, die Mongolei, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Schweden und Großbritannien.

Das türkis-grüne Regierungsprogramm 2020 - 2024 vermerkt zur Palliativen Versorgung (S. 243): „In dieser Legislaturperiode wird die Finanzierung der Palliativpflege und des Hospizes auf sichere Beine gestellt.“ Derzeit werden in Österreich 18 Millionen Euro jährlich für den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in den Bundesländern zur Verfügung gestellt. Weiters heißt es, dass die „Palliativpflege und Hospize in die Regelfinanzierung übergeführt“ werden sollen (S. 245). Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Konzepte und Lösungen seitens der Regierung angedacht sind.

Beim geplanten Vollausbau der Hospiz- und Palliativeinrichtungen ab 2020 hatte der Dachverband für Hospiz im Jahr 2014 mit rund 210 Millionen Euro an jährlichen Kosten gerechnet (vgl. IMABE 01/2015). Experten hatten immer wieder Kritik an den zersplitterten Zuständigkeiten in Österreich geübt. Bund und Länder müssten ein einheitliches Finanzierungsmodell erstellen, so die Forderung.

Die Zahl der Länder weltweit, in denen Palliativdienste in irgendeiner Form angeboten werden, ist von 105 (2006) auf 138 (2017) gestiegen. Die Anzahl der Länder mit einem gewissen Grad an Integration der Palliativversorgung in die Regelversorgung stieg von 34 (2006) auf 51 (2017). Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung - hauptsächlich aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen - hat einen sehr schlechten oder gar keinen Zugang zu Palliativversorgung. Nahezu ein Viertel der Länder (24 Prozent) kann keinerlei Aktivitäten im Bereich Palliative Care vorweisen. Diese Länder machen 3,1 Prozent der Weltbevölkerung aus.

Der mangelnde Zugang zu Palliative Care wird mittlerweile als globales Gesundheitsproblem angesehen. Laut einer WHO-Resolution 2014 sollen alle Länder nationale Strategien für die Palliativversorgung entwickeln. Bis zu 40 Millionen Menschen pro Jahr benötigen laut WHO weltweit eine Palliativversorgung. Angesichts einer bis 2060 prognostizierten 87-prozentigen Zunahme schwerwiegender gesundheitlicher Leiden, die durch Palliative Care gelindert werden können, fordert Co-Studienautor Carlos Centeno, Palliativmediziner an der spanischen Universität Navarra: „Unsere Untersuchungen zeigen, wie viel auf diesem Gebiet noch zu tun ist. Es ist Zeit, dass politische Entscheidungsträger größere Anstrengungen unternehmen, um den Zugang zur Palliativversorgung, die Ausbildung von Fachkräften und die Einbeziehung der Palliativversorgung in die nationalen Gesundheitssysteme zu verbessern.“

Institut für Medizinische
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