Bioethik aktuell

Studie: Pflegeheimbewohner landen öfters als nötig im Krankenhaus

Pflegekräfte fürchten sich vor Klagen, es fehlt an Zusammenarbeit zwischen Heim und Ärzten

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Pflegeheimbewohner werden häufig ins Krankenhaus eingeliefert, obwohl dies akut gar nicht nötig gewesen wäre. Das geht aus dem deutschen Forschungsprojekt HOMERN (Hospitalisierung und Notaufnahmebesuche von Pflegeheimbewohnern) hervor, das Versorgungsforscher der Universität Oldenburg gemeinsam mit dem Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP) der Universität Bremen durchführen. Einer der Gründe für unnötige Einlieferungen ins Krankenhaus liege darin, dass sich Pflegende unsicher fühlen und rechtliche Konsequenzen befürchten. Zudem mangle es an Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Pflegeheim und betreuenden Ärzten.

Die Wissenschaftler untersuchten die Krankenhauseinweisungen von mehr als 800 Bewohnern von Einrichtungen der Region Bremen/Oldenburg über einen Zeitraum von 12 Monaten. Die Hälfte der Bewohner war dement, ein Viertel über 90 Jahre alt. In dieser Zeit kam es zu 627 Krankenhausaufenthalten, wobei einige Personen mehrfach ins Krankenhaus eingewiesen wurden.

Im statistischen Mittel kommen somit auf jeden Bewohner 0,78 Krankenhausaufenthalte in einem Jahr (vgl. Gesundheitsstadt Berlin, online, 11.10.2019) - ein Zahl, die laut Public Health-Experte Guido Schmiemann von der Universität Bremen nach internationalen Standards zu hoch sei. Er spricht von einem Automatismus und einer „zu häufigen“ Einlieferung ins Krankenhaus. Hier müssten strukturelle Verbesserungen vorgenommen werden. „Der Pflegedienst ruft die 112. Der Disponent, der den Anruf entgegennimmt, haftet persönlich für seine Entscheidung, also wird er im Zweifel eher einen Rettungswagen alarmieren. Der wird für Leerfahrten in den meisten Regionen nicht bezahlt, also nimmt er im Zweifel den Bewohner des Pflegeheims mit“, erklärte Schmiemann. Es müssten Wege gefunden werden, wie man aus dieser Schleife herauskomme.

Für Österreich liegen keine verlässlichen Daten vor, was die Häufigkeit der stationären Krankenhausaufenthalte betrifft. Genauer untersucht wurde bisher nur die hohe Zahl an Krankenhaustransporten von Pflegeheimbewohnern, von der angenommen wird, dass ein Großteil davon vermeidbar gewesen wäre. Eine Studie des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger hat bei 85.182 Pflegeheimbewohnern im Zeitraum 2014 bis 2016 analysiert, wie viele Transporte diese in ein Krankenhaus (was nicht zwangsläufig stationäre Aufenthalte bedeutet) in Österreich pro Jahr erleben (vgl. Medizinische Versorgung in Pflegeheimen in Österreich, 2017). Das Ergebnis: Die Rate an Krankentransporten erreichte im Durchschnitt 8,9 Transporte pro Person im Pflegeheim pro Jahr, mit einem Median von 5.

Die häufigsten Gründe für den Anruf beim Rettungsdienst sind laut der deutschen Untersuchung Stürze, Unfälle, Verschlechterungen des Allgemeinzustands und neurologische Auffälligkeiten. Ein höheres Risiko für ungeplante Krankenhaustransporte hatten Männer sowie Bewohner mit einem höheren Pflegegrad.

Heim und Ärzte arbeiteten oft nicht strukturiert zusammen, so die Autoren der Studie. In der Hälfte der Fälle wurde die Arztpraxis gar nicht informiert, wenn ein Patient Symptome aufweist. „Es wäre hilfreich, wenn Praxis und Heim dieselben Informationen hätten. Die gleiche Akte, den gleichen Medikamentenplan“, sagt Schmiemann. „Eine Stärkung der Pflegenden, eine Verbesserung struktureller Rahmenbedingungen und eine verstärkte Kommunikation und Kooperation zwischen den beteiligten Akteuren könnte die Zahl vermeidbarer Krankenhaustransporte aus Pflegeheimen verringern“, so der Versorgungsforscher.

Institut für Medizinische
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