Bioethik aktuell

Erklärung der Bischofskonferenz: Eine zeitlich befristete Impfpflicht kann zulässig sein

Ob die Voraussetzungen für eine temporäre Impfpflicht als ultima ratio vorliegen, muss die Politik entscheiden

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© Erzdiözese Wien/ Stephan Schönlaub

Die österreichischen Bischöfe haben erneut zur Corona-Schutzimpfung aufgerufen und erachten eine zeitlich befristete Impfpflicht als ultima ratio zur Bekämpfung der Pandemie für zulässig. Das hat die Bischofskonferenz in einer am 7. Dezember veröffentlichten Erklärung Schützen. Heilen. Versöhnen. - Erklärung zur Debatte um eine temporäre Impfpflicht dargelegt, in der die Letztverantwortung der Regierenden betont wird, Gesundheit und Freiheit gleichermaßen zu schützen. Die Bischöfe halten fest, dass sie zur konkreten Ausgestaltung des geplanten Gesetzes "kein detailliertes Votum abgeben" und sich daher "am Begutachtungsverfahren nicht beteiligen". Im Blick auf die Polarisierungen in der Gesellschaft werben die Bischöfe für eine "heilsame Abrüstung der Worte und Gesten" und die "Bereitschaft zur Versöhnung" (vgl. Kathpress, online 7.12.2021).

Die von der Regierung geplante temporäre gesetzliche Verpflichtung zur Impfung ist aus Sicht der Bischöfe "ein schwerwiegender Eingriff in die körperliche Integrität und Freiheit des einzelnen Menschen. Sie ist daher nur dann zulässig, wenn unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um die Bevölkerung - im Fall der Pandemie das Gesundheitssystem und damit Menschenleben - zu schützen." Es liege aber letztlich in der Verantwortung der Regierenden zu beurteilen, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen und eine temporäre Impfpflicht das jetzt angemessene Mittel zum Schutz des Gemeinwohls ist." Dabei sei jedenfalls "dringend geboten, situations- oder gesundheitsbedingte Ausnahmen vorzusehen und auch die rechtlichen Konsequenzen in einem angemessenen Rahmen zu halten".

In ihrer Erklärung weisen die Bischöfe darauf hin, dass ein "breiter wissenschaftlicher Konsens" die Schutzimpfung gegen Covid-19 als einen "unerlässlichen Beitrag" bewerte, um Menschen vor schwerer, lebensbedrohlicher Erkrankung zu schützen. "Wer sich impfen lässt, schützt damit auch die öffentlichen Gesundheitssysteme vor Überlastung und all jene, die nicht wegen Corona, sondern aus anderen Gründen eine intensivmedizinische Behandlung benötigen."

Im Kontext der Debatte um die Angemessenheit von Maßnahmen zur Covid-Bekämpfung orten die Bischöfe "eine gefährliche Polarisierung in der Gesellschaft". Sie zeige sich in der "überhitzten und respektlosen Art, mit unbedachten Vorwürfen, Unterstellungen und einer gewalttätigen Sprache aufeinander loszugehen". Deutlich benennen die Bischöfe Grenzen für Protestbekundungen: Abzulehnen seien Versuche, staatliche Maßnahmen zur Pandemieeindämmung mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime in Beziehung zu bringen. "Solche beschämenden Verharmlosungen der NS-Verbrechen dürfen nicht geduldet werden."

Weiters hält die Bischofskonferenz fest: "Es stößt auch auf unser absolutes Unverständnis, wenn Menschen, die in der medizinischen Versorgung und Pflege um das Leben von Menschen kämpfen, verhöhnt werden. Ebenso entschieden ist die pauschale Verunglimpfung aller, die sich nicht impfen lassen wollen, abzulehnen."

Angesichts zahlreicher Verletzungen und Zerwürfnisse mit vermutlich gefährlichen Langzeitfolgen brauche es "dringend eine heilsame Abrüstung der Worte und Gesten" und eine neue Gesprächskultur. "Zuhören ist heilsam", so die Bischöfe, und die wichtigste Voraussetzung für jede gelingende Kommunikation. "Nur der Respekt vor gegensätzlichen Meinungen und unterschiedlichen Standpunkten kann ein friedliches Zusammenleben sichern. Dazu gehört jedoch auch die grundsätzliche Akzeptanz von gesetzlichen Vorgaben, die im Interesse des Gemeinwohls getroffen werden müssen."

Gerade in der Adventzeit, in der sich viele Menschen nach mehr Stille, Entschleunigung und Entlastung sehnten, schlagen die Bischöfe vor, "auf unnötige Empörungen und fruchtlose Debatten soweit wie möglich zu verzichten. Unterlassen wir alles, was jemanden herabsetzen, verletzen und demütigen könnte. Ein kollektives Innehalten dieser Art würde uns allen guttun." Es gelte, die Zeit zu nützen, um zu reflektieren und nachzudenken - "auch über den Beitrag zur Versöhnung, den jeder von uns in seinem Lebensumfeld leisten kann."

Institut für Medizinische
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