Eine aktuelle Studie des Sapien Labs Instituts (2025) untersucht, welche langfristigen Auswirkungen Smartphonebesitz im frühen Kindesalter auf die psychische und kognitive Gesundheit hat. Dafür wurde retrospektiv der Mind Health Quotient (MHQ) – ein umfassender Maßstab für soziale, emotionale und kognitive Gesundheit – und das Alter des Erstbesitzes eines Smartphones von über 100.000 jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren erfasst.
In der Sapien-Labs-Analyse wurden verschiedene begleitende Einflussfaktoren – wie Cybermobbing, Schlafprobleme und familiäre Konflikte – berücksichtigt (Regressionsanalyse), um zu prüfen, ob ein früher Smartphonebesitz auch unabhängig von diesen Faktoren mit einer schlechteren psychischen Verfassung im jungen Erwachsenenalter einhergeht.
Die Studie nutzte Daten des Global Mind Project – eine weltweite Datenerhebung zum psychischen Wohlbefinden von über 1,5 Millionen Internet-Usern aus mehr als 70 Ländern.
Je früher das Smartphone, desto größer die psychische Belastung
Das zentrale Studienergebnis ist, dass ein früher Besitz von Smartphones – insbesondere vor dem 13. Lebensjahr – mit einem deutlich schlechteren MHQ im jungen Erwachsenenalter einhergeht. Je jünger das Kind beim Erstbesitz war, desto ausgeprägter kamen später Probleme wie Suizidgedanken, emotionale Instabilität, Aggression, Realitätsverlust oder ein geschädigtes Selbstwertgefühl vor.
Diese Korrelation ist bei jungen Frauen noch stärker als bei jungen Männern. 48 Prozent der 18 bis 24-jährigen Frauen, die im Alter von 5 oder 6 Jahren ein Smartphone bekamen, berichten von Suizidgedanken. Der Trend lässt sich global beobachten und fällt in englischsprachigen Ländern am stärksten aus.
Social-Media-Algorithmen als Hauptrisiko
Die Studienautoren interpretieren ihre Daten dahingehend, dass die negativen Effekte vor allem durch den frühzeitigen Zugang zu algorithmisch gesteuerten Social-Media-Plattformen entstehen. Der Inhalt dieser Medien ist durch algorithmische Vorschläge oft unreguliert und primär so designt, um die aktive Nutzung zu maximieren.
Kinder sind dort Inhalten ausgesetzt, mit denen sie aufgrund fehlender Reife nicht umgehen können: Algorithmen verstärken die Verbreitung von Vergleichsdenken, Hypersexualisierung, extremen Ideologien, Deepfakes und Angst- oder Gewaltinhalten.
Permanente Reizüberflutung schadet der Entwicklung
Über soziale Medien steigt zudem die Wahrscheinlichkeit für Cybermobbing, sexuelle Ausbeutung im Netz, Konflikte innerhalb der Familie (aufgrund von Nutzung, Rückzug ins Digitale) und Schlafstörungen durch Gaming und nächtliche Nutzung. Kognitive Überlastung und permanente Reizüberflutung führen dazu, dass Empathie und Ruhe fehlen, kein Raum für Langeweile entsteht und die Aufmerksamkeitsspanne reduziert wird. Frühere Studien hatten bereits Entwicklungsveränderungen im Gehirn aufgrund von Smartphonenutzung nachgewiesen (Bioethik aktuell, 10.02.2025).
Die negativen Effekte sind am stärksten, wenn Smartphones vor dem 13. Lebensjahr genutzt werden – eine besonders entscheidende Phase für Selbstbild, Emotionsregulation und kognitive Entwicklung. Rund 40 Prozent des Zusammenhangs zwischen frühem Smartphonebesitz und schlechterer späterer psychischer Gesundheit steht laut Studie in Verbindung mit frühem Social-Media-Zugang – in englischsprachigen Ländern sogar bis zu 70 Prozent.
Eine ganze Generation unter Druck
Die Neurowissenschaftler und Psychologen des Sapien Labs warnen davor, dass sich durch die frühzeitige Nutzung von Smartphones eine ganze Generation mit hoher psychischer Belastung entwickelt. Dieser Umstand bleibt nicht ohne Folgen für das Bildungswesen, Arbeitsleben und den sozialen Zusammenhalt.
Schutzmaßnahmen wie bei Alkohol oder Tabak
Daher fordern die Studienautoren eine gesellschaftliche und politische Reaktion, um Eltern bei einem verantwortungsvollen Umgang ihrer Kinder mit Smartphones zu unterstützen. Zu den Forderungen gehören: (1) Verpflichtende digitale Bildung zu Online-Sicherheit und mentaler Gesundheit. (2) Strengere Durchsetzung von Altersgrenzen und klare Anforderungen an Plattformanbieter. (3) Verbot von Social Media für Kinder unter 13 Jahren auf allen internetfähigen Geräten. (4) Eingeschränkter Smartphonezugang für eben diese Gruppe, z. B. über kindgerechte Alternativgeräte.
Die Forscher betonen, dass Regulierungen für Kinder in der digitalen Welt ebenso selbstverständlich sein sollten wie jene, die für Alkohol, Tabak oder im Straßenverkehr gelten, da es zu vergleichbaren langfristigen Schäden kommen kann.
Wenn die digitale Welt für Kinder zur Flucht wird
Eine zweite Forschergruppe widmet sich in einer Meta-Analyse (Psychological Bulletin Journal, 2025) einer anderen Fragestellung: Sie untersucht die wechselseitige Beziehung zwischen aktueller Bildschirmnutzung und Verhaltensproblemen bei jüngeren Kindern. Konkret geht es darum, ob Kinder mit bestimmten sozial-emotionalen Problemen häufiger digitale Medien als „Coping-Mechanismus" (Bewältigungsstrategie) nutzen. Dazu wertete das Forscherteam 117 Studien aus mehreren Ländern mit insgesamt 292.739 Kindern quantitativ aus. Die Kinder waren zur Beobachtungszeit unter 10 Jahren und wurden für mindestens sechs Monate nachverfolgt.
Viel Bildschirmzeit korreliert mit auffälligem Verhalten
Die Analyse zeigt: Je mehr Zeit Kinder vor Bildschirmen verbringen, desto häufiger entwickeln sich Verhaltensauffälligkeiten wie Angst, Depression, Aggressivität oder Konzentrationsschwäche. Umgekehrt neigen Kinder, die bereits unter diesen Zuständen leiden, später zu einer intensiveren Nutzung digitaler Medien. Smartphonenutzung kann also einerseits ein Risikofaktor und andererseits eine Art emotionale Bewältigungsstrategie sein.
Die Ergebnisse der Analyse belegen also eine kleine, aber signifikante wechselseitige Korrelation zwischen Bildschirmnutzung und sozial-emotionalen Problemen bei Kindern.
Videospiele verschlimmern die Probleme
Im Vergleich zu Fernsehen oder anderer Bildschirmzeit korrelierte das Spielen von Videospielen am stärksten mit späteren sozial-emotionalen Problemen: Kinder mit akuten Problemen begannen überproportional häufig intensiver zu gamen. Die Wissenschaftler sehen darin die Gefahr eines „Teufelskreises": Belastete Kinder nutzen Gaming verstärkt zur emotionalen Flucht, was wiederum ihre Schwierigkeiten verschärfen kann. Kinder, die ihre Screens viel nutzen, bräuchten nicht nur Einschränkungen, sondern emotionale Unterstützung, so die Forscher.
Maßvolle Nutzung und das Leben außerhalb des Bildschirms entscheiden
Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass vor allem Kinder mit übermäßig langer Bildschirmzeit gefährdet sind. Bei moderaten Nutzungszeiten traten kaum negative Effekte auf. Entscheidend ist daher nicht nur die Dauer, sondern die Kombination aus Intensität, Art der Inhalte und fehlenden Ausgleichsaktivitäten wie Schlaf, Bewegung oder sozialen Kontakten.
Auch diese Forschergruppe schließt sich der Forderung nach verstärkter Regulierung an. Allerdings schlagen sie zusätzlich vor, dass Richtlinien nicht nur auf die Reduktion von Bildschirmzeit abzielen sollten, sondern stärker die Qualität der Inhalte und den sozialen Kontext der Nutzung berücksichtigen sollten.