Bioethik Aktuell

Reproduktion: Eizellenspende erhöht Gesundheitsrisiken für Mütter und Kinder

Debatte über Legalisierung der Eizellenspende blendet gesundheitliche Bürde für Frauen und Kinder aus

Lesezeit: 03:54 Minuten

© Pixabay_1514174_DrKontogianniIVF

Frauen, die nach Eizellenspende im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation (IVF) schwanger werden, müssen mit hohen Komplikationsraten rechnen. Auch für Ungeborene entstehen im Zuge einer Eizellspenden-Schwangerschaft erhebliche gesundheitliche Risiken. Das zeigt eine aktuelle, von drei deutschen Geburtskliniken im Archives of Gynecology and Obstetrics (4 Oct 2021, DOI: 10.1007/s00404–021–06264–8) publizierte Studie. Vor allem ein gefährlicher Bluthochdruck in der Schwangerschaft, der hohe Anteil von Frühgeburten, die auf eine intensivmedizinische Betreuung angewiesen sind sowie eine Vielzahl an Not-Kaiserschnitten bereitet den Studienautoren Sorge. Außerdem litten die Schwangeren signifikant häufiger an peripartalen Blutungen. Auffallend: Im Zuge der IVF kam es auch zu Abtreibungen wegen kindlicher Fehlbildungen oder zum Fetozid bei Mehrlingsschwangerschaften.  

Über eine Legalisierung der Eizellspende wird in Deutschland derzeit debattiert, sie ist  - ebenso wie in der Schweiz - noch verboten. Derzeit fahren Frauen daher ins Ausland – laut Studie meist nach Spanien oder Tschechien –, um eine IVF mit der Eizelle einer anderen Frau durchführen zu lassen. Die Eizell-Lieferantinnen wiederum stammen zu 93 Prozent aus Russland, Georgien sowie weiteren Ländern des Kaukasus, sie waren im Schnitt 26 Jahre alt.

Mit den Folgen der Risiken einer Eizellenspenden-Schwangerschaft sind die deutschen Geburtskliniken konfrontiert. Erstmals wurden dazu nun Daten in Deutschland erhoben. Das Team um die Gynäkologin Judith Altmann von der Berliner Charité wertete 115 Schwangerschaften nach Eizellspenden (62 Einlings-, 44 Zwillings-, 7 Drillings- und 2 Vierlingsschwangerschaften) mit insgesamt 179 Ungeborenen aus. In 56 Prozent der Fälle waren den Frauen zwei Embryonen implantiert worden. 

Das Ergebnis: Extrem hoch war der Anteil der Frühgeburten. Bei 34 Prozent der Einkindschwangerschaften kamen die Kinder als Frühchen zur Welt, bei Zwillingen lag der Anteil der Frühgeburten bei 63,4 Prozent und 88,9 Prozent bei den höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften. Fünf der sehr früh geborenen Kinder starben nach der Geburt. Frühgeburtlichkeit ist mit signifikanten Gesundheitsrisiken für das spätere Leben assoziiert (vgl. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(43): 721-6; DOI: 10.3238/arztebl.2012.0721). 

Auffallend hoch waren auch die Fälle eines schwangerschaftsinduzierten Bluthochdrucks bei den Empfängerinnen: In 10 - 30 Prozent der Fälle trat eine Präeklampsie auf, die wiederum zu Frühgeburten per Not-Kaiserschnitt führte. Auf schwere gesundheitliche Komplikationen bei Schwangeren nach Eizellspende, die zu Einlieferungen auf die Intensivstation, hohem Blutverlust und ungeplanter Gebärmutterentfernung führten, hatten Ärzte bereits hingewiesen (vgl. Bioethik aktuell 15.4.2019, Bioethik aktuell 9.4.2018). 

Bei 3,2 Prozent der Einkindschwangerschaften starb das Ungeborene noch während der Schwangerschaft, bei Zwillingen waren es 9 Prozent, bei  Mehrlingen betrug die Rate der Todesfälle 11,1 Prozent. Insgesamt war die Rate der verstorbenen Ungeborenen aber noch höher, weil 44 Prozent der Paare bei Drillingen und Vierlingen selektiv die Feten abtreiben ließen, um die Komplikationsrate zu verringern; 4,5 Prozent ließen Fetozide bei Zwillingen wegen Fehlbildungen vornehmen, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (Dtsch Arztebl 2021; 118(41): A-1878 / B-1550).

In der Debatte um die Legalisierung der Eizellspende wird häufig als Argument genannt, dadurch vor allem Frauen mit Krebserkrankungen die Chance auf eine eigene Schwangerschaft zu ermöglichen. Die Daten zeigen allerdings ein anderes Bild: Hauptgrund für eine IVF mit Eizellspende ist die biologische Uhr: In 68 Prozent waren die Frauen zwischen 40 und 50 Jahre alt, in 50 Prozent der Fälle noch kinderlos. Der Anteil der Frauen, die zuvor eine Krebserkrankung hatten, lag nur bei 3 Prozent.

Eizellenspenden-Schwangerschaften verlaufen ausgesprochen risikoreich. Angesichts des aggressiven Marktes von Kliniken, die Eizellenspenden als quasi normales Angebot vermitteln, brauche es Transparenz und valide wissenschaftliche Daten. „Man kann die Faktenlage nicht länger ignorieren: Verfahren der künstlichen Befruchtung, insbesondere Eizellenspenden, sind keineswegs harmlos - weder für die Gesundheit der Mutter noch des Kindes“, kommentiert IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer die Studie.

Auch in Österreich wurden 50 Prozent der IVF mit Eizellspende bei Frauen über 40 Jahre durchgeführt. Wie hoch die Geburtenrate war, erfährt man allerdings nicht, kritisiert die Ethikerin und nennt dabei das von der GÖG veröffentlichte IVF-Register Jahresbericht 2020 (September 2021). Im Jahr 2020 hat es laut Statistik 165 Geburten nach "Spender"-Schwangerschaften gegeben - davon waren 1.289 Versuche mit Samenzellen von Dritten und 134 mit Eizellen von Dritten. Ob es bei einer Schwangerschaft mit Eizellspende überhaupt zu einer Geburt gekommen ist, wird nicht angeführt.  "Das widerspricht gänzlich wissenschaftlichen Standards: Hier müsste klar ausgewiesen werden, ob und wenn ja, zu wievielen Geburten es überhaupt gekommen ist, wenn einer Frau eine genetisch fremde Eizelle implantiert wird. Diese Information wird allerdings unter den statistischen Tisch gekehrt." Laut IVF-Statistik sind derzeit 44.644 Embryonen in Österreich tiefgefroren.

In der Schweiz hat die Nationalratskommission Anfang November einer parlamentarischen Initiative zur Legalisierung der Eizellenspende zugestimmt (vgl. Zentralplus, 5.11.2021). 

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: