Pandemie und Wissenschaftskommunikation: Was in Zukunft besser laufen sollte

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Das Verhältnis zwischen Wissenschaft, Politik und Medien steht in der Pandemie vor besonderen Herausforderungen. Wissenschaftler sehen sich einerseits in der Pflicht, ihren Teil zur Bekämpfung der Pandemie beizutragen, empfanden aber andererseits das oft feindselige Feedback von Teilen des Publikums als emotional belastend und Instrumentalisierungsversuche durch die Politik als frustrierend. Das ist das Ergebnis der  Studie Wissenschaftskommunikation in der COVID19-Pandemie: Einblicke und Erfahrungen österreichischer Expert:innen, Universität Wien, 2022.

Viel wird dabei an der Kompetenz individueller Journalist:innen festgemacht. Während sie den Journalist:innen überwiegend Lernbereitschaft attestieren und bescheinigen, sich gut in die komplexe Thematik eingearbeitet zu haben, ist den Befragten auch aufgefallen, dass sich Vorbereitung und Kompetenz von Journalist:in zu Journalist:in unterscheiden. Einige hätten verstanden, wie man relevante Expert:innen finde, andere würden auf Scharlatane hereinfallen. Einige hätten die Kompetenz, Studien kritisch gegenzulesen, andere nähmen alles für bare Münze. Einige kennen sich aus und könne die 17 richtigen Fragen stellen; andere seien unvorbereitet und fragen Dinge, die zu keinem Erkenntnisgewinn führen.

Ein Blick zurück: Eine faktentreue, unverzerrte Medienberichterstattung ist von "immenser Wichtigkeit für die öffentliche Gesundheit", da Medien wichtige Informationsquellen zu Gesundheitsthemen für Laien darstellen. So Wissenschaftler der Donau Universität Krems, die bereits im Jahr 2015 von einer "stark verzerrten" Darstellung von Gesundheitsnachrichten in Online- und Print-Medien  warnten (vgl. Bioethik aktuell, 13.7.2015). Nicht nur Journalisten, auch PR-Abteilungen von Forschungseinrichtungen neigen im Gesundheitsbereich zu unseriösen "Hype-Meldungen". Häufig würden Korrelationen falsch interpretiert und als kausale Zusammenhänge dargestellt, weshalb Wissenschaftler  proaktiv dafür sorgen sollten, dass Pressemitteilungen ausgewogen, klar und frei von Übertreibungen formuliert sind, riet eine Studie der Universität Cardiff bereits im Jahr 2019 (vgl. Bioethik aktuell. 6.8.2019)  

Aufgrund der Corona-Pandemie standen plötzlich Wissenschaflter aus "Nischenfächern" wie etwa der Virologie - laut Österreichischer Ärztekammer wurden in den letzten drei Jahren nur zwei Fachärzte für Virologie in Österreich ausgebildet -, plötzlich im medialen Rampenlicht und mussten verständlich Auskunft über hochkomplexes und unsicheres Wissen geben. Befragt wurden sie mitunter von Redakteuren, die bislang nichts mit Wissenschaftsjournalismus zu tun hatten - und ebenfalls überfordert waren. Dazu kam enormer Zeitdruck, knappe Ressourcen - und eine Politik, die weitreichende Entscheidungen treffen musste.

Die Wiener Studie zeigt nun, dass Wissenschaftler sich nicht immer wohl fühlten in der Rolle, nicht nur zu beraten, sondern auch auch von der Politik "instrumentalisiert" zu werden. Es gebe bei den Wissenschaftern, so die Studie, durchaus Verständnis dafür, dass Politiker verschiedene Interessen abwägen müssten, nicht jedoch dafür, sich nur dann auf wissenschaftliche Expertise zu berufen, wenn es gerade opportun ist. 

Das geht auch aus den Interviews hervor: "Vieles, was wir in den Beraterstabssitzungen besprochen haben, wurde zwar vom Gesundheitsminister als wichtig und sinnvoll erkannt, wurde aber dann, auf dem Weg durch die politischen Ebenen, entweder verwässert, oder es wurde überhaupt fallen gelassen", heißt es da von einem Experten, ein anderer sagt: "Andererseits hat man schon auch ein bisschen das Gefühl, dass sich natürlich auch die Politik die Experten so aussucht, dass sie das vertreten, was sie hören wollen." Von "politischem Opportunismus" ist da die Rede und davon, dass Expertinnen vorgeschoben werden würden, "um politische Entscheidungen im Nachhinein zu legitimieren und ihnen den Anstrich von Wissenschaftlichkeit zu geben". 

In der Studie des Journalism Center am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien hatte ein Forscherteam um Daniel Nölleke mit 24 Wissenschafterinnen und Wissenschafter an österreichischen Forschungseinrichtungen vor allem aus den Bereichen der Virologie und Epidemiologie Interviews geführt. Ziel der Arbeit war es herauszufinden, wie die Experten ihre öffentliche Rolle während der Pandemie erlebt haben, welche Erfahrungen sie in der Interaktion mit Medien und der Öffentlichkeit gemacht und wie sie den Umgang der Politik mit wissenschaftlicher Expertise erlebt haben. "Alle Expert:innen sind überrascht und besorgt über die Wucht der negativen und feindseligen Reaktionen, die sie selbst und ihre Kolleg:innen auf Medienauftritte erhalten haben", heißt es in der Studie. Insbesondere in Social Media, per E-Mail, aber auch per Post hätten sie grobe Beleidigungen und offene Drohungen erhalten. Diese Erfahrungen haben sie als emotional enorm belastend empfinden.

Die Berichterstattung über Covid-19 in den Medien bewerteten die Befragten als "grundsätzlich positiv". Die Expertinnen und Experten sahen eine "Lernbereitschaft" bei Journalistinnen und Journalisten und das Bemühen, komplexe Sachverhalte adäquat darzustellen. Wobei es auch da Kritik gibt. "Also, egal welche Sau durchs Dorf getrieben wird, die Medien rennen hinterher", sagt da ein Experte zum Beispiel, "Journalisten brauchen einfache Wahrheiten. Ja/nein, links/rechts, hoch/runter, mehr oder weniger", so der Befund. Differenzierungen 

Kritiisiert wird zudem, dass in Österreich schnell einmal jemand zum Experten oder zur Expertin geworden, ohne wirklich Expertise zu haben, oder Personen zu eigentlich fachfremden Themen befragt worden. Der Begriff "Experte" werde in österreichischen Medien inflationär verwendet.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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