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Schönheitschirurgie: Soziale Medien verstärken Wunsch bei Jugendlichen zur Körperoptimierung

Kluft zwischen individueller Körperzufriedenheit und optimierten Normbildern wird immer größer

Lesezeit: 03:43 Minuten

Eine Befragung von Patienten durch die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DBÄPC) lässt den steigenden Einfluss von Social Media im Bereich der Schönheitschirurgie erkennen. Zugleich wirft die „Wunschmedizin“ zahlreiche ethische und rechtliche Fragen auf.

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Social Media beeinflussen immer stärker den Wunsch, sich durch einen ästhetisch-chirurgischen Eingriff verändern zu lassen. Das geht aus der Jahresstatistik 2022 der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) hervor. So gaben im Jahr 2022 von 1.636 Patienten 10,6 Prozent an, dass Posts in den sozialen Medien sie in ihrer Entscheidung beeinflussten. Zum Vergleich: 2021 waren es erst 4 Prozent. Bei Patienten unter 30 Jahren steigerte sich dies von 9,0 Prozent (2021) auf 20,9 Prozent (2022). Prominente und Influencer sorgen zusätzlich bei vielen für das Gefühl, dass der Eingriff beim Schönheitschirurgen völlig normal sei.

Den meisten Einfluss übt die Peer Group aus

Eine besondere Kraft geht offenbar von Posts anderer Gleichaltriger (Peer Group) aus, die beim User den Wunsch nach persönlicher Veränderung durch einen ästhetisch-plastischen Eingriff verstärken. Auf eine solche Frage signalisierten 36,1 Prozent Zustimmung. Sich von einem Facharzt vom geplanten Eingriff auf keinen Fall abbringen zu lassen, wollten dabei 18,6 Prozent, wobei 53,1 Prozent sich es in einem solchen Fall auch noch einmal überlegen wollten.

An der Häufigkeit der Haupteingriffe hat sich im Vergleich zu den Vorjahren wenig verändert: Eine Spitzenposition nehmen Faltenunterspritzung, Oberlidstraffung, Fettabsaugung, Botulinumbehandlung (Botox), Brustvergrößerung mit Implantat und Bruststraffung ein.

Fotos und Videos, die Jugendliche von sich selbst anfertigen, bearbeiten und anschließend in sozialen Netzwerken öffentlich machen, präsentieren in der Regel das Resultat einer optischen Selbstoptimierung. Das dabei verwendete Abbild wird an perfekte Vorstellungen seiner selbst angepasst – etwa mit makelloser Haut oder den „richtigen Köperformen“. Jugendliche und junge Menschen suchen deshalb vermehrt Hilfe in der ästhetisch-plastischen Chirurgie. Zugrunde liegt nach Ansicht von Fachleuten eine Vergrößerung der Kluft zwischen individueller Körperzufriedenheit und gesellschaftlichen Normen.

Mehr als 110.000 ästhetische Eingriffe in Österreich

Für Österreich gibt es keine harten Daten hieß es bei der 60. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPÄRC) 2022 in Schladming (Medonline, 2.11.2022). Geschätzt werden pro Jahr 42.000 Schönheitsoperationen und 70.000 nicht-chirurgische Prozeduren. Botox-Spritzen stehen dabei an erster Stelle, der größte Anstieg ist dabei in der Altersgruppe der 19- bis 34-Jährigen zu verzeichnen.

„Schönheitsoperationen stellen das Paradebeispiel für Enhancement und Wunschmedizin dar, da diese Eingriffe in den meisten Fällen nicht medizinisch notwendig sind“, erläuterte Christine Radtke, Leiterin der klinischen Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie an der Wiener Medizinischen Universitätsklinik . Es brauche klare Aufklärung über Risiken und auch die ethische Verpflichtung der Ärzte solche Eingriffe abzulehnen, wenn diese durch reine Wunschvorstellung oder Eitelkeit motiviert sind - und nicht, um körperliche Beschwerden zu mindern, so Radtke.

Vergleich mit makellosen Bildern schürt die Unzufriedenheit

Die Wiener Plastische Chirurgin Gerta Nehrer zitierte eine britische Studie der Royal Society for Public Health (2017), wonach sich 70 Prozent aller jungen Menschen zwischen 14 und 24 einen plastisch-chirurgischen Eingriff wünschen. Neun von zehn seien durch das permanente Sich-Vergleichen mit ihrem Körper unzufrieden (Springermedizin Österreich, 14.11.2022) . Social Media würden dabei zu einem steigenden Realitätsverlust führen und können psychischen Druck auslösen – nämlich so auszusehen, wie das bearbeitete Selfie. Dieses neue Phänomen hat auch schon einen Namen, die sogenannte „Snapchat-Dysmorphophobie“. Mehr als die Hälfte der plastischen Chirurginnen in den USA berichten bereits von Patienten, die wie ihr gefiltertes Instagram-Ich ausschauen wollen.

Eine Schönheits-OP ist kein Friseurbesuch

Diese Störung des Körperbildes sei jedoch eine Kontraindikation zur Behandlung. „Diese Patienten brauchen psychologische, nicht plastisch-chirurgische Hilfe“, beschreibt Nehrer die zukünftige Herausforderung, „wir plastische Chirurgen verstehen uns nicht als Dienstleister, sondern als Ärzte und möchten unseren Patienten beratend zur Seite stehen.“ Denn: eine Schönheits-OP sei „nicht wie ein Friseurbesuch“ ist, sie birgt immer das Risiko einer Komplikation.

Im Jahr 2020 wurden weltweit in den Vereinigten Staaten mit 1,485 Millionen die meisten Schönheitsoperationen vorgenommen, danach Brasilien mit 1,306 Millionen. Es folgen Russland mit 478.000, Mexiko mit 456.000 und Deutschland mit 425.000 Schönheits-OPs. (Quelle: ISAPS, Statista 2022). Am häufigsten sind weltweit nach wie vor Brustvergrößerung, Fettabsaugung, Augenlidplastik und Nasenkorrektur.

„Wunschmedizin“ wirft ethische Fragen auf

Der Wunsch nach einem idealen Körper oder aber ein starker Leidensdruck bringen zahlreiche gesunde Menschen dazu, sich als Klienten einem Plastischen oder „Schönheits“-Chirurgen anzuvertrauen. Diese aktuellen Entwicklungen werfen medizinische, ethische, soziale und ökonomische Fragen auf. Hildegunde Piza-Katzer (em. Vorständin der Universitätsklinik für Plastische-, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Medizinische Universität Innsbruck) und Susanne Kummer, (Direktorin IMABE) legen dar (Piza-Katzer, H., Kummer, S.: Schönheitschirurgie am ethischen Prüfstand, Imago Hominis (2007); 14(4): 297-306), unter welchen Vorzeichen ästhetisch-chirurgische Eingriffe erlaubt, angezeigt und unter welchen Bedingungen sie ethisch abzulehnen sind.

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