Transplantation mit Nieren von Non-heart-beating donors

Imago Hominis (1998); 5(1): 29-34
H. Pokorny, S. Rockenschaub, H. Puhalla, W. Blaicher, T. Windhager, G. Berlakovich, R. Steininger, F. Mühlbacher

Zusammenfassung

Die Erfahrung zahlreicher Transplantationszentren hat gezeigt, daß die Organentnahme von NHB-Donors einen deutlichen Beitrag zur Vergrößerung des Spenderpools leisten könnte. Die Arbeit vergleicht die Ergebnisse der Nierentransplantationen von NHB Donors mit den „konventionellen“ heart beating donors nach eingetretenem Hirntod. Auch die Wiener Daten bestätigen, daß die Verwendung der Nieren von Spendern, die an Herz-Kreislauf-Stillstand verstorben sind, gerechtfertigt ist. Der Mangel an Organen sollte aber vornehmlich durch eine bessere Identifikation von potentiellen Spendern behoben werden.

Schlüsselwörter: Nierentransplantation, NBH-Donors, HB-Donors, Mangel an Spenderorganen

Abstract

The experience of very many transplantation centers has shown that the transplantation of organs from NHB-Donors has considerably contributed to enlarging the donor pools. This article compares the results of transplantations from NHB-Donors with those of the „conventional“ heart beating donors after brain death. The Viennese data also shows that the use of kidneys from donors who die of circulatory-heart failure is justifiable. The scarcity of organs should, however, be mainly solved by a better identification of potential donors.

Keywords: kidney transplantation, NBH-donors, HB-donors, scarcity of donor organs


Unter dem Aspekt des bestehenden Organmangels gewinnen die sogenannten „non heart beating donors“ (NHBD) zunehmende Bedeutung als potentielle Quelle für Organe zur Nierentransplantation. Die Erfahrung zahlreicher Transplantationszentren in Europa1,2,3, Japan4 und den Vereinigten Staaten5 hat gezeigt, daß die Entnahme von Organen von NHBD einen deutlichen Beitrag zur Vergrößerung des Spenderpools leisten könnte. Seit 1984 werden auch am AKH Wien Organe von NHBD zum Zwecke der Transplantation entnommen.

Wir untersuchten unsere Ergebnisse mit Nieren von NHBD (n = 28) im Vergleich mit Nieren, die von konventionellen „heart beating donors“ (HBD) (n = 87) entnommen worden sind. Diese Studie gibt einen Überblick hinsichtlich der Ergebnisse mit NHBD – Nieren an unserer Abteilung. 

Patienten und Methoden

Bis 1996 wurden 28 Nieren von NHBD in unserem Spital transplantiert. Von diesen waren 26 Nieren von 13 NHBD an unserem Zentrum entnommen worden, 3 davon wurden Empfängern anderer Zentren implantiert. 5 Nieren waren von Transplantationszentren innerhalb Eurotransplant an unsere Abteilung zugeschickt worden. Anhand der Klassifikation von Koostra et al6 (Tabelle 1) konnten wir 2 Kategorien von NHBD in unserer Studie unterscheiden. Die erste Gruppe, die Kategorie 2 NHBD (erfolglose Reanimation) bestand aus Patienten mit irreversiblem Herz-Kreislaufstillstand bei Ankunft im Spital. An unserer Institution waren dies 4 Unfallopfer mit tödlicher Schädelverletzung, 2 Patienten mit Myokardinfarkt und 1 Patient mit spontaner intracerebraler Blutung.

Category Description NHBD kidneys
1 Dead on arrival   0
2 Unsuccessful resuscitation 11
3 Awaiting cardiac arrest   0
4 Cardiac arrest while brain dead:
Death during procurement
Death during explantation

10
  7
Tabelle 1: NHBD according to the Maastricht Categories

Nachdem der Tod des Patienten infolge von Herz-Kreislaufstillstand durch einen Facharzt unabhängig vom Transplantationsteam festgestellt worden war, wurden 25.000 Einheiten Heparin intravenös verabreicht und die Herzmassage wie auch Beatmung mit 100%igem Sauerstoff für 2 weitere Minuten fortgesetzt. Aus ethischen Gründen und um den irreversiblen Hirnschaden mit Sicherheit annehmen zu können, wurde für einen Zeitraum von 10 Minuten die Reanimation eingestellt. Bis vor kurzem wurde die mechanische Reanimation und Beatmung mit 100%igem Sauerstoff nach dieser Periode von 10 Minuten wieder fortgesetzt bis zum Beginn der Organentnahme im Operationssaal.

Die zweite Gruppe, die Kategorie 4 NHBD (Herzstillstand bei Hirntod) bestand aus 5 Spendern mit Schädel-Hirntrauma, die zur Organentnahme vorgesehen waren, jedoch vor deren Beginn einen Herz-Kreislaufstillstand erlitten hatten. Weiters kam es bei einem Spender zu einem irreversiblen Herz-Kreislaufstillstand während der Organentnahme im Operationssaal.

Statistische Daten

Um einen statistischen Vergleich durchführen zu können, wurden für jeden NHBD vier nachfolgende HBD ausgewählt und diese hinsichtlich Alter, Geschlecht und kalter Ischämiezeit gematcht. Die Empfänger wurden hinsichtlich Alter, Geschlecht, Anzahl der Transplantation (1., 2. oder 3.), HLA-Mismatch und Anastomosenzeit verglichen (Tabelle 2). Kontinuierliche demographische Daten (Alter, kalte Ischämiezeit und HLA-Mismatch) wurden mittels des T-Tests verglichen. Unterschiede in demographischen Daten (Geschlecht, Anzahl der Transplantationen) wurden mittels der chi-square-Analyse berechnet. Die Inzidenz der „delayed graft function" und der akuten Abstoßungsreaktionen wie auch Transplantat- und Patientenüberlebensraten wurden mit der Kaplan-Meier-Methode berechnet. Mantel’s und Breslow’s Tests wurden herangezogen, um Unterschiede zwischen Proportionen und der Signifikanz von Assoziationen festzustellen.

Group I Group II
n = 28 n = 87
Donor age (yrs)* 35,8 +/- 16 38,2 +/- 15 NS
Donor sex (f/m)** 7/11 19/39 NS
Cold ischemia time (h)* 22,7 +/- 6,3 21,5 +/- 5,9 NS
Recipient age (yrs)* 47 +/- 17 46,5 +/- 14 NS
Recipient sex (f/m)** 7/21 25/62 NS
Number of transplants**
    first
    second
    third

4 (3,48%)
1 (0,78%)
NS

79 (69,57%)
4 (3,48%)
4 (3,48%)

NS
NS
NS
HLA – Mismatches*
    A
    B
    DR

0,9 +/- 0,6
0,96 +/- 0,6
0,61 +/- 0,56

0,9 +/- 0,55
1,05 +/- 0,5
0,63 +/- 0,55

NS
NS
NS
Anastomosis time (min)* 38,4 +/- 14 39,9 +/- 13 NS
* Average +/- SD   ** Frequencies / proportions
Tabelle 2: Donor and Recipient Data for Group I (NHBD) and Group II (HBD)

Die Transplantatfunktion wurde als „delayed“ (verzögert) bezeichnet, wenn zwei oder mehrere Haemodialysen nach Transplantation notwendig waren, bis die Niere ihre Funktion aufgenommen hatte. Wenn das Transplantat von Beginn an keine Funktion zeigte und der Patient fortwährend weiterdialysiert werden mußte, wurde die Transplantatfunktion als „primary non function – primary never function“ bezeichnet.

Resultate

Unmittelbare postoperative Periode (Tabelle 3):

Bei Nieren von NHBD fand sich eine signifikant höhere Rate an „delayed graft function“ (67,85% vs 35,63%), resultierend in größeren 24-Stunden-Harnmengen, einer höheren Anzahl notwendiger Dialysen postoperativ und deswegen einem längeren Spitalsaufenthalt. Im weiteren konnte in der Gruppe der NHBD-Nieren eine signifikant höhere Rate an „primary non function" im Vergleich zu HBD-Nieren festgestellt werden. Hinsichtlich der frühen akuten Abstoßung (innerhalb der ersten 3 Monate nach Transplantation) fand sich kein Unterschied zwischen NHBD- und HBD- Transplantaten.

Outcome NHDB kidneys HDB kidneys P
n = 28 n = 87
Delayed graft function** 19 (67,85%) 31 (35,63%) 0,003
Diuresis first 24 h
    ml
    range

5044
112 – 10500

2578
0 – 10400
0,006
Number of dialyses post -TX* 8 +/- 5,16 5 +/- 2,53 0,019
Primary non function** 4 (14,81%) 5 (5,68%) 0,122
Early acute rejection (3 months)** 10 (37,04%) 34 (39,08%) 0,849
* Average +/- SD   ** Frequencies / proportions
Tabelle 3: Results - Immediate posttransplantation period

1 Jahr und 3 Jahres-Transplantat- und Patientenüberleben:

Nach einem Jahr waren alle Empfänger von NHBD-Nieren am Leben. Das Patientenüberleben berechnet nach 3 Jahren betrug 986,43%. In der NHBD-Nierengruppe vs 94,25% bei den Patienten, die ein HBD-Organ erhalten hatten. Das Einjahrestransplantatüberleben betrug 85,7% und 87,4% für die NHBD und HBD-Gruppe, das Dreijahrestransplantatüberleben betrug 78,75% vs 79,31%. „Delayed graft function“ war also nicht vergesellschaftet mit reduziertem Transplantatüberleben.

Diskussion

Der Mangel an Spendernieren resultiert in zunehmenden Wartezeiten und dem Ableben von Patienten auf Wartelisten. Bemühungen, um den Spenderpool zu vergrößern wurden in vielen Transplantationszentren unternommen, indem vermehrt Transplantationsprogramme zum Gewinn von NHBD-Organen entwickelt worden sind. In Erinnerung zurückliegender Transplantationsgeschichte, wo die Hirntodkriterien noch nicht etabliert waren und ermutigt durch die Erfahrung anderer Transplantationszentren, entschlossen wir uns 1984, Nieren von asystolischen Spendern zum Zwecke der Organtransplantation zu verwenden. Nach 13 Jahren sind an der Universitätsklinik Wien 13 NHBD-Nieren explantiert worden, wobei es sich bei den Spendern vorwiegend um Unfallopfer mit schwerem Schädel-Hirntrauma handelte, die an Herz-Kreislaufstillstand in Folge eines haemorrhagischen Schocks oder einer kardiovaskulären Dysregulation verstorben waren.

Unsere Ergebnisse sind ähnlich denen der Maastricht-Gruppe: Wenn auch die Empfänger von NHBD-Nieren eine höhere Inzidenz von „delayed graft function“ zeigten, so fand sich doch kein Unterschied bei Ein- und Dreijahrespatienten und beim Transplantatüberleben zwischen den beiden Gruppen. Kürzlich stellten wir der bei uns tätigen Ethikkommission ein neues NHBD-Programm vor, um offiziell unser NHBD-Protokoll wie folgend zu definieren:

Nachdem das verantwortliche medizinische Team zur Entscheidung gekommen ist, die lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen (das Transplantationsteam ist nicht involviert in diese Entscheidung, um eine strenge Separation der Teams und der Verantwortungen zu garantieren), müssen Blutabnahmen zur Identifizierung der Blutgruppe und des HLA-Mismatches wie auch zur Abschätzung der Nierenfunktion und virologische Untersuchungen abgenommen werden. Danach wird Heparin (25.000 Einheiten) intravenös verabreicht und die Herzmassage für weitere 2 Minuten fortgesetzt.

In der Zwischenzeit, entsprechend der Widerspruchslösung, die in Österreich 19827 gesetzlich verankert worden ist, ist der Transplantkoordinator verpflichtet, eine Eintragung im Widerspruchsregister auszuschließen und im weiteren die verschiedenen Schritte der weiteren Prozedur zu organisieren und die notwendigen Informationen für die Evaluation zu sammeln.

Für einen Zeitraum von 10 Minuten sollen keine weiteren Manipulationen am Verstorbenen erfolgen, im Respekt vor dem individuellen Tod. Wie schon vorher erwähnt, erachten wir einen Zeitraum von 10 Minuten ohne Interventionen am Patienten als wichtig, da wir glauben, daß 10 Minuten von Asystolie und fehlender Blutzirkulation bei Normothermie zum irreversiblen Schaden des Gehirns führen, entsprechend dem Hirntodzustand, den wir als einzige Todesursache menschlichen Lebens sehen.

Nach dieser Periode von 10 Minuten werden sämtliche Überwachungsgeräte abgeschaltet und der NHBD wird auf dem schnellsten Wege in den Operationsraum gebracht, ohne daß erneut Herzmassage und Beatmung gestartet werden.

Um die warme Ischämiezeit kurz zu halten, empfehlen verschiedene Gruppen die Einbringung eines aortalen Doppelballonkatheters um die Nieren frühzeitig zu perfundieren. Wir erachten solche Methoden nicht als notwendig, da unsere Gesetzgebung der Widerspruchslösung es erlaubt, rasch zur Organentnahme fortzuschreiten, sobald der Herz-Kreislauftod festgestellt worden ist. Das bedeutet, daß nur eine minimale Verzögerung zwischen Todesfeststellung und Organentnahme gegeben ist, was nach unserer Meinung einer der Gründe ist, für die hervorragenden Ergebnisse mit Transplantationen von NHBD-Nieren. Obwohl der Gebrauch von NHBD in bestimmten Spitälern und unter bestimmten Umständen sehr wesentlich zur Vergrößerung des Spenderpools beitragen könnte, ist die generelle Durchführung des oben genannten Protokolls abhängig von einem gut eingeschulten Team, das zu jeder Zeit und sofort erreichbar ist, um die Organentnahme durchzuführen. Weiters muß ein sehr detailliertes und straffes Protokoll geschrieben werden.

Wir kommen zum Schluß, daß die Verwendung von Nieren von Spendern, die am Herz-Kreislaufstillstand verstorben sind, gerechtfertigt ist und einen Weg zur Reduktion des Mangels an Nieren für Transplantationszwecke darstellt.

Aber Mangel an Spenderorganen ist nur zum Teil ein wahrer Mangel; die Hauptursachen dafür liegen in der schlechten Identifikation von potentiellen Spendern und im Verlust von potentiellen Spendern als Folge schlecht ausgebildeten Intensivpersonals und aufgrund organisatorischer Probleme.8 Sollten wir nicht unsere Bemühungen eher auf die Verbesserung der Acquirierung von konventionellen Spendern konzentrieren, indem wir permanente Informations- und Ausbildungsprogramme9 für intensivmedizinisches Personal anbieten, um die notwendige Transplantationsfrequenz zu erreichen?

Referenzen

  1. Wijnen R. M. H., Booster M. H., Stubinsky B. M., et al.: The lancet 345:1967-70, 1995
  2. Catelao A. M., Grino J. M., Gonzalez C., et al.: Transplant Proc 23:2584-86, 1991
  3. Schlumpf R., Candinas D., Zollinger A., et al.: Transpl Int 5:424-28, 1992
  4. Kozaki M., Matsuno N., Tamaki T., et al.: Transpl Proc 23:2575-78, 1991
  5. Light J. A., Kowalski A. E., Ritchie W. O., et al.: Transpl Proc 28(1):17-20, 1996
  6. Koostra D., Daemen J. H. C., Oomen A. P. A.: Transpl Proc 27:2893-94, 1995
  7. Gnant M. F., Wamser P., Goetzinger P., et al.: Transpl Proc 23(5):2685-6, 1991
  8. Wamser P., Goetzinger P., Gnant M. F., et al.: Transpl Proc 25(6):3122-3, 1993
  9. Wamser P., Goetzinger P., Steininger R., et al.: Transpl Proc 25(6):2988-9, 1993

Anschrift der Autoren:

Universitätsklinik für Chirurgie
Abteilung für Transplantationen
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien

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