Tagungsbericht: Enquete: „Sterbebegleitung – nicht Sterbehilfe“, Wien, Allgemeines Krankenhaus, 17. Jänner 1999

Imago Hominis (1999); 6: 66-67

In Österreich herrscht ein ziemlich breiter Konsens darüber, daß Sterbehilfe als Tötung auf Verlangen keine akzeptable Lösung ist und daher kein Bedarf für eine Änderung der diesbezüglichen Rechtslage besteht. Alle im Parlament vertretenen Parteien haben sich diesem Konsens angeschlossen. Trotzdem ruft das Thema eine gewisse Nervosität hervor. Auf der einen Seite spürt man einen gewissen Druck vom Ausland: Die holländische Lage hat zumindest Signalwirkung, ebenso die Entstehung von sogenannten Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz. Auf der anderen Seite tritt auch im Inland so mancher Prominenter offen für „aktive Sterbehilfe“ ein. Hier ist hinzuzufügen, daß seit Monaten zu diesem Thema landesweit laufend Veranstaltungen stattfinden. Mit einem Wort: die öffentliche Diskussion ist im Gange.

Ende Jänner veranstaltete der Wiener Krankenanstalt Verbund gemeinsam mit der Wiener Patientenanwaltschaft im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien eine Enquete zu diesem Thema. Gleich am Anfang stellte der Veranstalter Prof. Pickl fest: „Aktive Sterbehilfe ist ethisch nicht vertretbar und mit dem Selbstverständnis des Arztes unvereinbar.“ Der Rechtsphilosoph Prof. Gerhard Luf befaßte sich mit der These des Wiener Arbeitskreises „Menschenwürdig sterben“, daß „das Recht auf selbstbestimmtes Leben das Recht auf selbstbestimmtes Sterben... einschließe“ und behauptete, daß dieser These ein unzulässiger Autonomiebegriff zugrunde liegt, denn Autonomie als Fundamentalbegriff darf nicht mit beliebiger Wunscherfüllung verwechselt werden. Triftig ist für Luf die Gegenthese, daß aus dem Recht des Menschen auf Selbstbestimmung kein Recht auf Tötung, weder durch sich selbst, noch durch einen anderen, abgeleitet werden kann.

Über die rechtliche Lage ist Österreich sprach der Wiener Jurist Prof. Michael Memmer (Römisches Recht). Während eine aktive direkte Euthanasie von der Österreichischen Gesetzgebung verboten ist, kann eine indirekte aktive und passive Sterbehilfe (Behandlungsabbruch) in vielen Fällen legal sein. Zunächst kann der Arzt gegen den ausdrücklichen oder gegen den mutmaßlichen Willen des Patienten keinen Eingriff vornehmen, andrerseits ist der Arzt nicht verpflichtet, Maßnahmen zu setzen, die medizinisch nicht vertretbar sind.

Dozent Johannes Meran stellte in seiner Doppelkompetenz als Onkologe und Ethiker klar, daß in diesem Zusammenhang der Unterschied zwischen Tun und Unterlassen nicht immer ethisch relevant ist. Denn vor allem auf die Absicht käme es an. Eine Unterlassung mit Tötungsabsicht oder – wo eine Handlungspflicht besteht – eine Unterlassung mit tödlichen Folgen, sind direkte und keine indirekten Tötungen. Auf jeden Fall, so Meran, sollte man die Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Euthanasie aufgeben, weil sie ethisch irrelevant sei. Das ärztliche Handeln soll den Tod niemals beabsichtigen, darf ihn aber unter gewissen Bedingungen in Kauf nehmen. Dr. Christian Richner aus Winterthur legte die Lage in der Schweiz dar und ging besonders auf die Aktivitäten der eidgenössischen Organisationen der organisierten Freitodhilfe, Exit und Dignitas, ein. Exit sind seid ihrer Gründung 70.000 Schweizer beigetreten. Dignitas entstand 1998, als Exit neue, moderate Richtlinien verwarf. Sie helfen Selbstmordwilligen, ihren Wunsch in Erfüllung zu bringen. 1998 begleitet Exit 120 Sterbewillige unheilbar Kranke in den Tod. Dr. Michaela Werni, ärztliche Leiterin der Hospizorganisation im Geriatriezentrum am Wienerwald, erläuterte die Zielsetzung und alltägliche Praxis der Hospize. Freilich ist die Zahl der verfügbaren Hospizplätze wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Daher wurde für die Gründung von vielen Palliativ-Stationen plädiert. Vor einigen Wochen wurde in Wien die Österreichische Palliativgesellschaft gegründet, für die Dr. Werni zur Generalsekretärin gewählt wurde. Sie hat die Aufgabe übernommen, durch Bildungsveranstaltungen zu den Themen der Palliativmedizin und -pflege sowie durch Begleitung von Sterbenden und deren Angehörigen den Umgang mit Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu Hause, aber vor allem in Spitälern und Pflegeheimen zu verbessern. Die Gesellschaft möchte sinnvolle Alternativen zur Forderung nach aktiver Sterbehilfe aufzeigen.

Die Diskussion hat keine Kontroverse gebracht. An ihr haben sich vor allem Ärzte und Pfleger, die entschieden gegen Sterbehilfe und für Sterbebegleitung sind, beteiligt. Primarius Doz. Berger von der Neurologie Rosenhügel bedauerte, daß sich immer mehr Ärzte bei Komapatienten mit geringfügigen Heilungschancen allzu leicht für einen Behandlungsabbruch entscheiden. Für ihn ist auch das schon eine Art Euthanasie. Diese spezielle, ganz wichtige Frage konnte natürlich nicht ausdiskutiert werden. Es ließ sich jedoch durchblicken, daß die Ausarbeitung der Behandlungsabbruchskriterien eine Alternative zu den Legalisierungsbestrebungen der aktiven Sterbehilfe darstellt.

Enrique H. Prat

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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