Bewertung der Multicenterstudie: „Effects of an ACE-Inhibitor Ramipril on Cardiovascular events on high-risk Patients“

Imago Hominis (2000); 7(1): 65-67
(New England Journal of Medicine 2000; 342: 145-153)

Fragestellung:

ACE-Hemmer verbessern Mortalität und Morbidität bei Patienten mit ventriculärer Dysfunktion.

Untersucht wurde die Frage, ob die Therapie mit dem ACE-Hemmer Ramipril für Patienten mit erhöhtem cardiovasculären Risiko auch bei normaler Ventrikelfunktion von Nutzen ist.

Methodik:

Es wurden insgesamt 9.297 Risikopatienten im Durchschnittsalter von 66 ± 9 Jahren untersucht. Die Patienten hatten anamnestisch eine coronare Herzkrankheit, Schlaganfall, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder Diabetes und zusätzlich mindestens einen weiteren Risikofaktor wie Hypertonie, Hypercholesterinaemie, Rauchen oder eine Mikroalbuminurie. In einer randomisierten Abfolge erhielten die Patienten entweder 10mg Ramipril (ein mal täglich) oder Placebo über 5 Jahre. Der primäre Endpunkt war eine Kombination von verschiedenen Ereignissen (Myocardinfarkt, Schlaganfall oder Tod durch ein cardiovasculäres Ereignis).

Ergebnisse:

Es konnte eine signifikante Reduktion sowohl beim kombinierten Endpunkt als auch bei den Einzelkomponenten erzielt werden. (vgl. Tabelle I)

Endpunkt (5a) Rampiril (%) Placebo (%) P-Wert (%)
Kombinierter Endpunkt 14,0 17,8 0,001
  Tod durch cardiovaskuläres Ereignis   6,1   8,1 0,001
  Myocardinfarkt   9,9 12,3 0,001
  Schlaganfall   3,4   4,9 0,001
Gesamtmortalität 10,4 12,2 0,005
Tabelle 1

Diskussion:

Als Schlussfolgerung führen die Autoren an, dass die Ergebnisse der Studie einen klaren Nutzen von Ramipril bei einem breiten Spektrum von Risikopatienten demonstrieren. Bei einer Behandlungsdauer von 4 Jahren können bei 70 von 1.000 Patienten 150 Ereignisse verhindert werden.

S.O.M. Analyse

Stufe 1: Der qualitative Nutzen:

Auf Grund der Ergebnisse der Studie kann als wissenschaftlich gesichert gelten, dass ACE-Hemmer (Ramipril) bei Risikopatienten qualitativ wirksam sind. Diese Wirksamkeit bezieht sich nicht lediglich auf sogenannte Surrogatparameter, sondern sie betrifft auch den prinzipiellen Zweck ärztlichen Handelns, nämlich die Mortalität und Morbidität der Patienten, nicht jedoch die generelle Lebensqualität. Über das Auftreten von Nebenwirkungen wird in der Studie keine Aussage gemacht.

Stufe 2: Quantitativer Nutzen (Relevanz):

In der Diskussion wird zwar darauf hingewiesen, dass die erzielten Effekte mit anderen Präventivmaßnahmen vergleichbar sind (z.B. Betarezeptoren-Blocker und Aspirin), eine quantitative Aussage über das Ausmaß des Effektes wird jedoch nicht gemacht. In Tabelle II sind daher die dazugehörigen S.O.M. Kriterien berechnet worden.

Aus der Tabelle geht hervor, dass der Krankheitsprozess (vgl. Endpunkte) bei Hochrisikopatienten mit ACE-Hemmern im Durchschnitt um 1,28 Monate jährlich (kombinierter Endpunkt) verzögert werden kann, die Mortalität kann um 0,88 Monate, d.h. um ca. 27 Tage jährlich hinausgeschoben werden. Um ein Jahr zu gewinnen, bedarf es im Durchschnitt einer Behandlung über 9,7 Jahre. Die Lebenserwartung von 66-jährigen Hochrisikopatienten beträgt bestenfalls 10 Jahre. In Bezug auf die Mortalität kann daher eine Lebensverlängerung von höchstens 8,8 Monaten (0,88 x 10 = 8,8) erreicht werden.

Stufe 3: Verhältnismäßigkeit:

Zum Vergleich: Die Lebenserwartung von 66-jährigen Personen in der Gesamtbevölkerung beträgt ca. 15 Jahre.

Regelmäßiges Gehtraining verlängert die Lebenserwartung von 69-jährigen Männern von 5 auf 12 Jahre.2

Durch den Verzicht auf weiteres Rauchen kann das coronare Risiko innerhalb von drei Jahren sogar normalisiert werden.3

Die Kosten für ein gewonnenes Jahr berechnen sich im günstigsten Fall mit ATS 35 (Tagesdosis) x 365 x 131 (NNT = 131:1 vgl. Tabelle II) = ATS 1,7 Mio.

Endpunkt (5a) NNT Va
Monate
Na
Jahre
Kombinierter Endpunkt 131:1 1,28   9,735
  Tod durch cardiovaskuläres Ereignis 250:1 1,45   8,270
  Myocardinfarkt 208:1 1,15 10,430
  Schlaganfall 333:1 1,90   6,300
Gesamtmortalität 277:1 0,88 13,600
Tabelle 2

Zusammenfassung:

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die Gabe von ACE-Hemmern bei Hochrisikopatienten mit normaler Ventrikelfunktion ohne weitere Indikation wenig effizient (hohe Kosten) und mäßig relevant ist (geringer Effekt auf Mortalität und Lebensverlängerung, keine Verbesserung der Lebensqualität).

Sollten also Bedenken z.B. wegen Nebenwirkungen oder Complianceproblemen auftreten (bekanntlich nimmt die Compliance mit der Anzahl der einzunehmenden Medikamente ab drei Arzneimitteln deutlich ab), kann auf diese Therapie auch verzichtet werden. Die Indikation für ACE-Hemmer ist daher nach wie vor in erster Linie bei Patienten mit cardialer Dekompensation und bei Hypertonikern vorrangig, insbesonders dann, wenn sie symptomatisch sind und durch die Therapie dann auch eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden kann.

Auf alle Fälle ist es sinnvoller Hochrisikopatienten einem regelmäßigen Gehtrainig zuzuführen und sie vom Rauchen abzuhalten, anstatt sie weiter rauchen zu lassen und ihnen dafür ACE-Hemmer zu verordnen (wie dies in der Studie geschehen ist).

Referenzen

  1. HyprenR, TritaceR
  2. Hakim A. A. et al., Effects on Walking on mortality among nonsmoking retired men, N Engl J Med 1998, 338: 94
  3. Dobson A. J. et al, How soon after quitting smoking does risk of heart attack declime?, J Clin Epidemiol 1991, 44: 1247
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