Bioethikkommissionen in den Bundeskanzlerämtern

Imago Hominis (2001); 8(2): 94-95
Notburga Auner

Der österreichische Bundeskanzler Schüssel hat eine Bioethikkommission als Frühwarninstrument im Bundeskanzleramt eingerichtet. An sich eine gute Idee, wenn er wirklich bereit ist, sich ernsthaft in ethischen Fragen beraten zu lassen. Bundeskanzler Schröder hat dieselbe Idee früher gehabt und seinen Ethikrat einige Wochen vor seinem österreichischen Kollegen eingerichtet. Die öffentlichen Reaktionen waren durchwegs negativ: Was soll’s? Die Unabhängigkeit, die für ein solches Gremium neben der Kompetenz wesentlich ist, bleibt rasch auf der Strecke, wenn die personale Zusammensetzung nur ein Diktat des Kanzlers ist. Durchgesickert ist, dass der international angesehene Verfassungsrechtler E.W.Böckenförde das Angebot des deutschen Bundeskanzlers, Vorsitzender dieser Kommission zu werden, ohne Zögern mit dem Argument abgewunken hat, dass eine Ethik-Kommission nur Ethik vertreten kann, wenn sie so unabhängig wie ein Gericht arbeiten kann. Da wie dort stimmt etwas bedenklich, dass die Einrichtung des Ethikgremiums mit so viel Publicity einhergegangen ist. Der Verdacht der Instrumentalisierung der Ethik durch die Politik drängt sich wirklich auf. Ob es nur ein Verdacht ist, wird sich zeigen.

Die Mitglieder der Österreichischen Kommission sind: Univ-Prof. DDr. Johannes Huber (Universitäts-Frauenklinik Wien) –  Vorsitzender der Kommission, Univ.-Prof. Dr. Karl Acham (Universität Graz, Institut für Soziologie), Ass. Prof. Dr. Holger Baumgartner (Universität Innsbruck, Institut für Biochemische Pharmakologie), Univ.-Prof. Dr. Richard Greil (Universität Innsbruck, Abteilung für Haematologie und Onkologie), Univ.-Prof. Dr. Hartmann Hinterhuber (Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck), Univ.-Prof. Dr. Josef Insensee (Universität Bonn, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät), Univ.-Prof. DDr. Christian Kopetzki (Universität Wien, Institut für Staatsrecht), Univ.-Prof. Dr. Ulrich Körtner (Universität Wien, Systematische Theologie), Univ.-Prof. Dr. Heinz Ludwig (Wilhelminenspital, 1. Medizinische Abteilung/Onkologie), Univ.-Prof. Dr. Gerhard Luf (Universität Wien, Institut für Rechtsphilosophie), DDr. Barbara Maier (Landesfrauenklinik Salzburg, Gynäkologie), Univ.Prof. Dr. Christine Mannhalter (AKH Wien, Institut für Molekularbiologie), Univ.-Prof. Dr. Günther Pöltner (Universität Wien, Institut für Philosophie), Generaldirektor Dr. Heinrich Scherfler (Biochemie Kundl), Univ.-Prof. Mag. Dr. Renee Schroeder (Bio Center Wien, Institut für Mikrobiologie), Univ.-Prof. Dr. Günther Virth (Universität Wien, Institut für Moraltheologie), Univ.-Prof. Dr. Ina Wagner (TU Wien, Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung), Univ.-Prof. Dr. Kurt Zatloukal (Universität Graz, Institut für Pathologie).

Erstaunlich war bei der österreichischen Kommission vor allem, dass sein Vorsitzender bereits Wochen vor der Nominierung der anderen Kandidaten feststand. Man hätte zumindest erwarten können, dass der Vorsitzende erst nach der Nominierung aller Mitglieder gewählt wird.

Huber ist nicht unumstritten. Er wäre der richtige Mann, wenn die Kommission eine Vorreiterrolle und nicht eine Frühwarnerrolle inne haben soll. Seit zwanzig Jahren ist Huber ein Verfechter der Legalisierung von ziemlich allem, was auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin möglich geworden ist. Nicht alles, was er sich in den achtziger Jahren gewünscht hat, ist dann vom Fortpflanzungsmedizingesetz 1992 abgesegnet worden. Seit einigen Monaten vertritt er neuerlich, in einem zweiten Anlauf die Wünsche der Österreichischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, in der er einer der prominentesten Mitglieder ist: Freigabe von überschüssigen Embryonen für die Forschung; Zulassung der Präimplantationsdiagnostik PID, einer eugenischen Maßnahme, die die Embryonen vor der Transferierung in die Gebärmutter selektiert oder Genehmigung des therapeutischen Klonens, wie es in England derzeit bereits gesetzlich erlaubt ist. Lauter Vorschläge, die mit dem Lebensrecht von Embryonen nicht vereinbar sind.

Es wird hier nicht bezweifelt, dass Huber und seine Gesellschaft selbstlos die Interessen der Patienten vertreten, aber diese stimmen zufällig mit ihren eigenen Interessen, sowie  mit denen ihrer Institute und Ordinationen überein. Deswegen, wäre Schüssel gut beraten, die Anliegen von Huber & Co von einer wirklich unabhängigen Ethikkommission beurteilen zu lassen. Der Interessenskonflikt, in den Huber geraten wird, ist beträchtlich und infolge der Tragweite der Entscheidungen nicht zumutbar.

In unserem Nachbarland hat die Berliner Rede vom 18.Mai des Bundespräsidenten großes Aufsehen erregt. Er hat seinem Bundeskanzler (und Parteifreund) eine ganz klare Lektion über Ethik und Menschenrechte gegeben. „Ich erinnere immer wieder daran, dass die Geschichte uns hilft – nicht nur uns Deutschen – zu begreifen, was geschieht, wenn Maßstäbe verrückt werden, wenn Menschen vom Subjekt zum Objekt gemacht werden. Wer einmal anfängt, menschliches Leben zu instrumentalisieren, wer anfängt, zwischen lebenswert und lebensunwert zu unterscheiden, der ist in Wirklichkeit auf einer Bahn ohne Halt. Die Erinnerung daran ist ein immerwährender Appell: Nichts darf über die Würde des einzelnen Menschen gestellt werden. Sein Recht auf Freiheit, auf Selbstbestimmung und auf Achtung seiner Würde darf keinem Zweck geopfert werden. Eine Ethik, die auf diesen Grundsätzen beruht, gibt es freilich nicht umsonst. Es hat einen Preis, wenn wir nach ethischen Grundsätzen handeln.“ Diese Lektion würden wir auch in Österreich benötigen. Wer wird sie uns geben?

Anschrift der Autorin:

Dr. Notburga Auner
Landstraßer Hauptstraße 4/13
A-1030 Wien

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: