Grundlagen zum Verständnis des Intelligent Design

Imago Hominis (2007); 14(2): 151-167
Santiago Collado González

Zusammenfassung

Dieser Artikel versucht Intelligent Design (ID) aus unterschiedlichen Perspektiven zu erläutern: das ID als Bewegung, seine Entstehung, seine Geschichte und einige seiner recht konkreten Zielsetzungen, sowie auch der begriffliche und wissenschaftliche Inhalt dieses Ansatzes. Es wird auch versucht, den Kampf der Bewegung Intelligent Design gegen den Darwinismus zu erklären, wobei seine Vorgeschichte sowie seine erkenntnistheoretischen Annahmen berücksichtigt werden, die zum Verständnis der Konfrontation beitragen. Den Abschluss bildet eine kritische Beurteilung des ID.

Schlüsselwörter: Intelligent Design, Kreationismus, Darwinismus, Finalität (Zielgerichtetheit), mechanistische Welterklärung

Abstract

This article deals with different aspects of Intelligent Design (ID): ID as a movement, its sources, history and its quite concrete aims. Moreover, the content of ID is viewed in terms of its conceptual and scientific basis. The author tries to explain the ongoing battle of the ID-movement against Darwinism, based on their respective background and epistemological concept. Finally, a critical evaluation of ID is added.

Keywords: Intelligent Design, Creationism, Darwinism, finality, mechanistic explanation of the universe


1 Einführung

Für das Verständnis des (ID) muss man zahlreiche historische Einflüsse berücksichtigen und erkenntnistheoretische Betrachtungen anstellen. Die seit Jahren andauernde heftige Debatte zeigt, dass es sich um ein komplexes Phänomen handelt. Die Streitgespräche fanden in elitären Kreisen statt ebenso wie in der breiten Öffentlichkeit, insbesondere in Nordamerika. Die Theorie erlebte in ihrer kurzen Geschichte schon zahlreiche Aufs und Abs. Fallweise wurde sie von der öffentlichen Meinung grundsätzlich positiv, ja sogar begeistert aufgenommen. Dann folgte die vernichtende Kritik der Gegner. So bildet beispielsweise das kürzlich ergangene Gerichtsurteil von Dover (Anmerkung: siehe Details Ende Abschnitt 2.2) einen Höhepunkt der Polemik und den wohl schmerzlichsten Schlag für seine Vertreter. Das ID war in diesem Rechtsstreit unterlegen.

Eine ausgewogene Charakterisierung des Intelligent Design wird durch die ideologischen, wissenschaftlichen, religiösen und sogar politischen Konnotationen erschwert. Schon jetzt ist die Bibliographie für und gegen das Intelligent Design, Zustimmung, Repliken und wiederholte Gegenstellungnahmen, oft mit sehr unterschiedlicher Wortwahl, aber möglicherweise weniger Vielfalt an Ideen umfangreich. Es ist nicht leicht, Schriften zu finden, die die zugrunde liegende erkenntnistheoretische und wissenschaftliche Basis der Polemik analysieren. Diese Arbeit will einige Grundbegriffe des Intelligent Design darlegen. Mit den Einschränkungen, die bei einem Artikel dieser Art in Kauf genommen werden müssen, sollen hier die Grundzüge und die wichtigsten Umrisse zum besseren Verständnis des „Was“ und „Warum“ des Intelligent Design dargestellt werden. Es scheint auch angebracht zu beleuchten, was an der laufenden Debatte von Interesse ist – und das nicht nur zum besseren Verständnis der wesentlichen Aussagen, sondern auch mit Blick auf den von der Wissenschaft hervorgebrachten Rationalismus.

Das Intelligent Design stellt einerseits eine Bewegung dar, hat aber andererseits auch wissenschaftliche und philosophische Beiträge erbracht. Mehr noch: Seine Verfechter behaupten, dass vom ID in mehr oder weniger naher Zukunft eine neue Auffassung von Wissenschaftlichkeit ausgehen wird, die die heutige, von ihnen im Kern als materialistisch betrachtete ablösen wird1. Die Ausdrücke „Bewegung“ oder „neues Paradigma“ von Wissenschaftlichkeit zeigen, unter welchem Blickwinkel eine Analyse des ID erfolgen muss. Man muss seine Entstehung einschließlich seiner Vorgeschichte, Ziele und Entwicklung mitberücksichtigen. Will man seinen Beitrag zu den Wissenschaften darstellen, muss man bestimmen, inwiefern es in seiner kurzen Wirkungszeit deren Entwicklung beeinflusst hat und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse es enthält. Wir werden das ID zunächst als Bewegung betrachten. Anschließend wollen wir seine wichtigsten Erkenntnisse analysieren und abschließend die im Lauf der Debatte besonders herausragenden Aspekte kritisch beurteilen.

2 Das Intelligent Design als Bewegung

2.1 Vorgeschichte

2.1.1 Theismus – Atheismus

Das Intelligent Design als Bewegung könnte als weiterer Schritt in der dualistischen, bipolaren Spannung von Theismus – Atheismus betrachtet werden, die in der westlichen Philosophie und Geistesgeschichte seit der Antike herrscht – ein Dualismus, der schon bei den Überlegungen der hellenischen Autoren sehr konkret fassbar ist.

Lange Zeit war diese Spannung schwach, ohne je komplett zu verschwinden. Sie machte sich in einigen bestimmten historischen Augenblicken kräftig bemerkbar wie beispielsweise bei der Entstehung der modernen Wissenschaften. Es fällt auf, dass wichtige intellektuelle oder methodische Innovationen die Spannungen zwischen den beiden Polen verstärkten.

Das 17. Jahrhundert stellte diesbezüglich zweifellos einen Einschnitt dar. Es war von bedeutenden methodischen Neuerungen gekennzeichnet, das Auftreten der experimentellen Wissenschaften veränderte unser Leben. Die Entstehung der experimentellen Wissenschaften und der mit ihnen verbundene Rationalismus wurden von vielen begrüßt. Dies nicht zuletzt deshalb, weil man darin auch neue Wege zur Verteidigung des Glaubens gegen eine gottferne, materialistische Weltanschauung auszunehmen glaubte. So ist es bemerkenswert, dass etwa der junge Descartes in seiner Entwicklung einer Reform der Philosophie von Kardinal Bérulle unterstützt wurde, da die Kirche in ihr eine Abwehr der Bedrohung durch die Libertiner erhoffte. Der Enthusiasmus einiger Theisten für den neuen Rationalismus sollte aber bald schwinden. Man stellte fest, dass die neue Wissenschaft auch Gefahren für den Glauben mit sich brachte: Das mechanistisch-rationalistische Denken ließ sich auch in einem ihren Absichten entgegen gesetzten Sinn anwenden. Es wurde eine Welterklärung ohne Gottesbezug aufgebaut, eine Art von Rationalismus und damit verbundener Weltanschauung, die das mechanistische Weltbild kennzeichnen. Paradoxerweise schien die Denkmechanik Newtons sowohl für die Theisten als auch für jene, die es als Erfolg der Vernunft feierten, Gott nicht mehr für eine Welterklärung zu brauchen, als Grundlage zu dienen2.

2.1.2 Die Denkmechanik Newtons3

Newtons Denkmechanik hatte durchschlagenden Erfolg. Ihr Triumph überdauerte sogar ihre durch die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik ausgelöste Krise zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Schlüssel ihres Erfolgs lag an den von Newton angenommenen zwei Postulaten - Isochronie der Zeit und Isotropie des Raumes - und einer Reihe von Vereinfachungen. Eine der bedeutendsten Konsequenzen dieser Vereinfachungen lag darin, den Ausschluss einer Zielgerichtetheit aller in der Natur wirkenden Kräfte zu verankern. Schon der als Prophet des neuen wissenschaftlichen Rationalismus betrachtete Bacon stellte hinsichtlich der Teleologie die Behauptung auf: „inquisitio sterilis (…) est tanquam virgo Deo consecrata, (quae) nihil parit“4. Den Ursprung dieses Prozesses könnte man freilich schon bei Ockham und in der Entstehung des Nominalismus finden5. Wichtig ist festzuhalten, dass man es zwar unterließ, eine ursächliche Zielgerichtetheit des Natürlichen in Betracht zu ziehen, dass aber nach wie vor eine Finalität berücksichtigt wurde.

Für die Denkmechanik liegt die Zielursache sozusagen außerhalb des Natursystems. Gott habe die Welt geschaffen und in Gang gesetzt. Die Welt habe ein Ziel, eben jenes, das Gott im Auge hatte, als er die Welt schuf und zum gegebenen Zeitpunkt ihre Bewegungsmechanismen einstellte. Diese Zielsetzung liege aber nicht im System selbst, wie das die Physik des Aristoteles annimmt, sondern sie wird als außerhalb der durch die Gesetze der Mechanik in ihren Abläufen und Zusammenhängen bestimmten Welt liegend verstanden. Für eine Zielursache ist innerhalb der Welt kein Platz mehr. Die Vorstellung einer Zielgerichtetheit als Ursache für natürliche Vorgänge schwindet, sie wird sozusagen zu einer intendierten Ursache. Das Ziel der Welt sei mit den Absichten vergleichbar, die wir hegen, wenn wir uns bestimmte Handlungen vornehmen. Für das Universum sind diese Ziele eben das, was Gott damit wollte, als er es schuf. Bezogen auf das aristotelisch-thomistische Weltbild bedeutet diese Vorstellung eine komplette Änderung der Sichtweise. Zwar sieht sie in der Zielsetzung für die Welt etwas Gottgewolltes, es liege aber außerhalb der Welt. Die Pläne Gottes sind also nicht mehr etwas, das durch die im Universum wirkenden Kräfte Erfüllung findet, sie müssten vielmehr bei Bedarf von außen her einwirken. Diese Betrachtungsweise der Finalität und damit des göttlichen Handelns in der Welt wird künftig das Spannungsfeld zwischen Theismus und Atheismus bestimmen.

Die das Geschehen im Universum bestimmenden Gesetze brauchen einerseits zu ihrer Erklärung keinen Gott. Man kann sagen, dass durch die von der Denkmechanik eingeführte methodische Vereinfachung eine Berücksichtigung Gottes sowie eine den Naturdingen innewohnende Zielsetzung für eine Erklärung der natürlichen Abläufe übergangen werden kann. Andererseits aber zeigen die Schönheit und Harmonie des Universums, die Komplexität und außergewöhnliche Ordnung der Lebewesen klar, dass Gesetze mechanischer Abläufe für eine Erklärung dieser Wunder unzureichend sind. Der Rückgriff auf eine Hand, die in der durch Gesetze mechanischer Abläufe beschriebenen Natur interveniert, schien erforderlich. Nur so könne man die Ordnung erklären, die durch neue Erkenntnisse über das Universum im makro- und mikro-skopischen Bereich immer deutlicher wurde.

Die „Auslagerung" der Zielsetzung, die ihr entsprechende Gleichsetzung mit menschlicher Absicht, wurde zu einer Grundlage für eine Argumentation zur Verfechtung der Notwendigkeit Gottes. In dieser Beweisführung erscheint Gott aber als eine Art Architekt, Mechaniker, Uhrmacher usw. William Paley (1743 – 1805) verwendet in seiner die Metapher vom Uhrmacher. Diese Metapher wurde zum Paradigma für das moderne. Michael J. Behe, eine Schlüsselpersönlichkeit für Verfechtung und Verbreitung des von Phillip E. Jonson begründeten Intelligent Design, kommentiert die Argumentation von Paley ausführlich. Er verteidigt sie gegen ihre Widersacher und sucht aus ihr Elemente zu gewinnen, die seiner Meinung nach heute nach wie vor gültig sind und in einen Nachweis für die Existenz eines Weltentwurfs münden6. Richard Dawkins, einer der bedeutendsten Gegner des ID und erklärter Atheist, verwendet ebenfalls die genannte Metapher von Paley, um in seinem berühmten Buch die Annahme eines Designarguments anzugreifen. Es ist klar, dass all diese Autoren die Zielgerichtetheit als betrachten. Je nach Theorie wird das System als zielgerichtet oder als nicht-zielgerichtet angenommen. Genau darin liegt der Kernpunkt in der Debatte, die wir durchleuchten wollen.

2.1.3 Kreationismus – Darwinismus

Im zuletzt genannten Kontext bildet Darwins Buch eine weitere Etappe in der Spannung zwischen Theismus und Atheismus. Zweifellos bedeutete die Idee Darwins eine sehr wichtige Neuerung in der Biologie. So wie bei Newtons Denkmechanik 200 Jahre zuvor wandelte sich durch sie das Selbstverständnis der Biologie rasch. Geistesgeschichtlich sieht man, dass sich die bipolare Spannung deutlich erhöhte und zur Ausbildung einer neuen Variante führte. Die Theisten konnten bis zu diesem Moment die Annahme eines Weltentwurfs zur Verteidigung der Teleologie und damit der Notwendigkeit Gottes, recht erfolgreich ausspielen. Die Argumentation war besonders hinsichtlich der Welt der Lebewesen überzeugend. Die bedeutendste Änderung der Neuzeit gegenüber der klassischen Philosophie hatte gelautet, dass sich die Finalität außerhalb des Geschaffenen finde. So konnten sich Theisten und Materialisten im mechanistischen Denken vom 17. bis zum 19. Jahrhundert bekämpfen, indem sie die Zielgerichtetheit als Schlüsselbegriff ausspielten, wobei diese Zielgerichtetheit aber von beiden als etwas Externes betrachtet wurde. Beide teilten in diesem Punkt das gleiche Weltbild und stützten sich auf eine grundsätzlich mechanistische Rationalität.

Die Veröffentlichung von Darwins berühmtem Buch brachte dieses Weltbild ins Wanken. Nun wurde die Gültigkeit der zum damaligen Zeitpunkt herrschenden Auffassung über ein Designargument, so wie es von Paley verwendet wurde, in Zweifel gezogen. Darwin ermöglichte in den Augen vieler eine Erklärung der Entwicklung der Lebewesen ohne Rückgriff auf die Teleologie. Das Kräfteverhältnis zwischen Theisten und Materialisten, d. h. der sich als Atheisten bezeichnenden Wissenschaftler, die eine mechanistische Welterklärung vertraten, wurde zugunsten letzterer verschoben.

Man wundert sich nicht, dass die Spannung zwischen den zwei Polen in einen Kampf, der sich auf anderen Gebieten abspielen musste, ausartete. Aus der Sicht der rationalen Beweisführung befanden sich die Theisten nun in einer viel schwächeren Position als früher. Ihr wichtigster Trumpf hatte an Kraft verloren. Es blieben nur mehr wenige Argumente, mit denen man den Theismus allein auf Vernunft gestützt und mit Hilfe der Wissenschaft verteidigen konnte. Kein Wunder, dass es manche gab, die den Darwinismus als Bedrohung der Religion betrachteten. In den vom Protestantismus geprägten religiösen Kreisen, wo auf die wörtliche Auslegung der Bibel besonderer Wert gelegt wird, wurde diese Bedrohung und die Notwendigkeit, sie zu bekämpfen viel stärker empfunden. Schließlich war die Doktrin der Darwinisten in offenem Widerspruch zu einer wörtlichen Auslegung der heiligen Texte. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts begann sich, besonders in den USA, eine kulturelle Kluft zwischen den angeführten zwei Polen aufzutun, die seither ständig tiefer geworden ist.

Das Eigentümliche am Disput in den USA ist, dass sich der Darwinismus in wissenschaftlichen und akademischen Kreisen durchsetzt, während außerhalb davon Thesen, die dem Kreationismus nahe stehen, so wie sie von der sogenannten vertreten werden, starke Unterstützung finden. Im Lauf des 20. Jahrhunderts gab es im Bereich der Justiz zahlreiche Streitfälle, um die Erlaubnis oder ein Verbot für Evolutionsunterrichte durchzusetzen oder aber zum Ausgleich auch lehren zu dürfen. Es ist für eine geeignete Beschreibung des Entstehens des Intelligent Design wichtig, es im Rahmen dieser Kämpfe zu betrachten.

Um die Unterschiede zwischen ID und zuverstehen,ist es ferner wichtig, die beiden Thesen dieser Bewegung herauszustreichen, die zu dem, was die heutige Wissenschaft anerkennt, ganz offen in Widerspruch stehen: nämlich die Behauptung, dass die Erde nicht mehr als zehntausend Jahre alt sei und dass die Evolutionslehre Ursprung und Artenvielfalt der Tierwelt nicht erklären könne, da ja nicht jede Art von einem anderen Arten gemeinsamen Vorgänger abstammen könne, sondern jede ihrer Art gemäß von Gott geschaffen sei. Diese Behauptung wird besonders in Bezug auf den Menschen in aller Härte vertreten. Für Vertreter des stammt der Mensch weder mit seinem Geist – was auch von den Katholiken angenommen wird – noch mit seinem Körper aus der Tierwelt, also von vorzeitlichen Prähominiden, ab. Als Hauptargument wird dabei die Autorität der Heiligen Schrift vorgebracht. Für die Kreationisten kommt der Bibel in jeder Hinsicht und in allen Bereichen höchste Autorität zu, die Wissenschaft hätte sich ihr daher ganz und gar unterzuordnen. Das Problem ist, dass Fundamentalisten die Heilige Schrift wörtlich auslegen. Kreationisten sind zudem bei wissenschaftlichen Debatten mit Evolutionisten durch die beiden vorher genannten Thesen, vor allem was das Alter der Erde betrifft, sehr leicht widerlegbar.

2.2 Entstehung des ID, Geschichte und Persönlichkeiten

Die Evolutionstheorie nach Darwin (der Neodarwinismus) hat sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im wissenschaftlichen Bereich völlig durchgesetzt. In dem Maß, in dem der Darwinismus akzeptiert und der Kreationismus abgelehnt wird, wächst jedoch auch unter einigen Wissenschaftlern das Unbehagen über eine wissenschaftlich untermauerte, überwiegend materialistische Sicht der Natur, die zusammen mit dem Darwinismus Raum gewinnt. In der US-amerikanischen Gesellschaft ist dieses Unbehagen allgemein weit verbreitet. Die Gründe sind nicht unberechtigt, wenn man einen Blick in die von Giberson und Artigas zusammengestellten Kommentare verschiedener Wissenschaftler wirft, deren Publikationen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA zu Bestsellern geworden sind. Einer dieser Autoren, Richard Dawkins, behauptet in einem seiner Bücher, dass die Religion ein gefährlicher Virus für den Geist sei, der von Eltern auf Kinder übertragen wird, und er macht die Religion für einen Großteil der uns heute plagenden Missstände verantwortlich.7

In den 70er und 80er Jahren entstanden Vereinigungen und Publikationen, die dieses Unbehagen artikulieren, wobei aber im Unterschied zu den typischen Kreationisten eine große Zahl derselben sich dem Problem aus wissenschaftlicher Sicht stellt. Diese Publikationen und Gruppen versuchten mit wissenschaftlicher Methode die in den von nicht wenigen Evolutionisten vertretenen Argumenten feststellbaren Lücken und Mängel darzustellen8. Zwei der zur Weckung wissenschaftlich begründeter Zweifel am Darwinismus wirksamsten Bücher waren (1984), verfasst von Thaxton (Chemiker), Bradley (Ingenieur) und Olson (Geochemiker)9 sowie (1986), verfasst von Michael Denton, einem Agnostiker und Molekulargenetikspezialisten10.

Eine der damals gebildeten Gruppen teilte das Interesse, die in den erwähnten Büchern enthaltenen Ideen zu studieren. Diese Gruppe war Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre die Wiege des . Die noch kurze Geschichte des ID könnte man seit seiner Gründung auf recht schematische Weise in drei Phasen gliedern. Jedem dieser Abschnitte kann man eine Persönlichkeit als Hauptvertreter zuordnen.

Da ist zunächst die Zeit der Gründung der Bewegung durch den Professor für Rechtswissenschaften an der Berkley-Unversität, Phillip E. Johnson. Es begann im Jahr 1990, als Johnson in London die übrigen wichtigen Mitglieder der Gruppe kennen lernte, worauf dann die wichtigsten Ziele und Strategien des Intelligent Design festgelegt wurden und die Bewegung formal organisiert wurde. Die Teilnehmer nahmen sich vor, den „Keil" zu bilden, der die Hegemonie der materialistischen Kultur in der zeitgenössischen Wissenschaft brechen sollte.

Der zweite Abschnitt begann 1996, als der Biochemieprofessor an der Universität Lehigh, Michael Behe, sein Buch publizierte. Der Erfolg dieses Buches führte zu einer Verbreitung der Bewegung und ihres Gedankengutes in weiten Kreisen und Schichten der Gesellschaft. Der Schlüssel für den Erfolg liegt großteils daran, dass die von Behe in seinem Buch dargelegten Argumente als wissenschaftlich stichhaltig galten.

Der mit Ende des Jahrhunderts beginnenden dritten Phase der Geschichte des ID kann William Dembski zugeordnet werden. Man könnte sie als Zeit der „Suche nach der wissenschaftlichen Identität des Intelligent Design“ bezeichnen. Eine sehr aktive Rolle bei diesem Vorhaben kommt in Bezug auf die Erkenntnistheorie Stephen C. Mayer zu. In seinen Schriften hat er versucht, einen wissenschaftlichen Status des ID festzulegen und es gegenüber dem Evolutionismus abzugrenzen11. In den ersten Jahren unseres Jahrhunderts kam es vor allem in den USA förmlich zu einer Explosion von Publikationen Pro und Kontra ID. Dembski hat sich praktisch allen in diesen Jahren gegen das Intelligent Design vorgebrachten Einwänden gestellt. In seinem Eifer jeden Einwand zu entkräften, musste er eine Vielzahl an Themen anschneiden, wobei nicht immer der wünschenswerte Tiefgang erreicht wurde. Dabei dürfte er sich sogar in einige Widersprüche und Inkonsistenzen verwickelt haben, wie am Ende dieser Arbeit dargelegt wird.

In diesen Jahren sind auch die juristischen Kämpfe hinsichtlich des Evolutionsunterrichts und der Alternativen dazu, nunmehr des ID, aufgeflammt. Bis jetzt ist das Urteil von Dover die bedeutendste rechtliche Streitsache, bei der das ID hoffnungslos unterlegen ist. Der Einfluss der von den Vertretern der Bewegung im Bereich der Wissenschaft verbreiteten Ideen, ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

2.3 Die Ziele der Bewegung

Die wichtigste Zielsetzung der Intelligent Design-Bewegung, so wie sie von deren Proponenten in ihrer Entstehungsphase verstanden wurde, könnte man mit dem Titel des ersten Kapitels eines Sammelwerkes kennzeichnen12. Dieses Kapitel wurde von Phillip E. Johnson verfasst, sein Titel lautet: „The Intelligent Design Movement. Challenging the Modernist Monopoly on Science“. Johnson unterscheidet im Text zwei Wissenschaftsmodelle: das materialistische und das empirische. Ersteres stützt sich auf zwei Hauptpostulate: 1. Alles Seiende ist Natur und 2. die Natur besteht ausschließlich aus Materie und sonst nichts. Das empirische Modell stützt sich auf ein Wissenschaftsverständnis, bei dem durch wiederholbare Experimente Hypothesen bestätigt werden. Der Darwinismus ist für den Autor weiterhin ein materialistisches Modell, also eine Theorie, „die durch Philosophie und nicht durch Evidenz begründet wird“13.

Nach Johnson kennt das materialistische Modell nur zwei Ursachen in der Natur: die notwendigen Gesetze und den Zufall. Im empirischen Modell wird laut dem Autor noch eine dritte Art der Verursachung angenommen, die „agency“ (die Einwirkung), welche Intelligenz voraussetzt. Aus der Behauptung, dass der Darwinismus dem materialistischen Wissenschaftsmodell unterliegt, ist nach Johnson direkt abzuleiten, dass es sich beim Darwinismus um eine atheistische Doktrin handelt. Es versteht sich, dass es das erste und vordringliche Ziel des ID ist, das Monopol des materialistischen Modells in der Wissenschaft zu brechen. Sie ermögliche bei wissenschaftlichen Untersuchungen der Natur und des Menschen einer auf Intelligenz basierenden Verursachung Raum zu geben und, allgemein gesprochen, die zeitgenössische Kultur auf Gott hin zu öffnen14.

Dembski detailliert, entwickelt und erweitert diese Zielsetzung in verschiedenen Schriften. Das ID hat für Dembski aber nicht nur die Rolle des „Keils“, mit dem der in Wissenschaft und Kultur fest verankerte Materialismus ausgehoben werden soll. Das wäre nur der erste Schritt. Für diesen Autor ist jetzt das wichtigste Ziel des ID, als Wissenschaft im strengen Sinn anerkannt zu werden. Dembski meint, dass beide Ziele auseinander gehalten werden müssen, auch wenn sie miteinander zusammenhängen. Er gibt zu, dass man zwar hinsichtlich der Wirkung als „Keil“ gegen den Materialismus durch politisch-kulturelle Aktivitäten wichtige Fortschritte erzielt habe, aber noch keinen Erfolg hinsichtlich der Anerkennung als Wissenschaft im strengen Sinn verbuchen konnte15. Ein Sieg über den Materialismus als beherrschendes Denkmodell sei aber erst dann möglich.

Der Autor legt für die Strategie des ID als Bewegung drei klare Schritte fest:

  1. das Ungenügen des Darwinismus als wissenschaftliche Theorie aufzuzeigen,
  2. das ID als einzig mögliche Alternative zu etablieren,
  3. einen Weg zur wissenschaftlichen Untermauerung von Punkt 2 zu finden.

Das große Ziel, das man sich gesetzt hat, ist offensichtlich, dass das ID als wissenschaftliche Alternative zum Darwinismus anerkannt wird. Dembski legt dafür einen detaillierten Plan vor16.

Zusammengefasst lassen sich die wichtigsten Ziele des ID wie folgt festhalten: die Hegemonie des Materialismus in der zeitgenössischen Wissenschaft und Kultur zu brechen und eine wissenschaftlich wirklich anerkannte Alternative zum materialistischen Modell vorzustellen.

Nach all dem Gesagten ist klar, dass das ID als Bewegung die Tradition des Polarisierens im oben mehrfach besprochenen Streit zwischen Theismus und Atheismus fortsetzt. Dazu genügt die kurze Darstellung der Geschichte und der Ziele. Zugleich ist offensichtlich, dass die andere Seite, der wissenschaftliche Materialismus zumindest in der breiten, meinungsbildenden Literatur gut vertreten ist. Diese Literatur wird von Wissenschaftlern getragen, die sich sehr um ein Eintrichtern dieser Art von Kultur bemühen17. Die von den Proponenten des ID vorgeschlagenen Mittel sind auf dem Papier durchaus legitim. Demnach sollen die Welt der Wissenschaft und die Welt der Philosophie die von beiden Seiten vorgelegten Ideen sowie die Argumente zur Beurteilung der Konsistenz der jeweiligen Thesen und ihren Wahrheitsgehalt studieren und beurteilen.

Es folgt nun eine Beschreibung der von den Verfechtern des ID vorgelegten grundsätzlichen Ideen. Es wird also versucht, den intellektuellen und wissenschaftlichen Beitrag der Bewegung darzulegen. Eine abschließende Analyse dieser Ideen und ihrer intellektuellen Grundlagen soll aufzeigen, wie das Spannungsfeld Theismus-Atheismus aufrechterhalten werden konnte, und zwar in einer Version, die man als Intelligent Design-Darwinismus bezeichnen könnte.

3 Die Argumente des Intelligent Design

Der Anspruch des ID auf Anerkennung als wissenschaftliche Disziplin stützt sich auf zwei Ideen: den Begriff der irreduziblen Komplexität, wie sie von Behe in ausführlich dargelegt wird, und auf die Begriffe des Design-Filters und der spezifizierten Komplexität, wie sie von Dembski in vielen Schriften erklärt werden18. In der Folge werden diese Ideen kurz beschrieben. Dabei werden jene Elemente herausgestrichen, die für eine abschließende Kritik besonders interessant scheinen.

3.1 Die irreduzible Komplexität nach Michael Behe

Es ist offensichtlich, dass man in der Natur, so wie man sie normalerweise kennen lernt, eine außerordentliche (Vielfalt und) Komplexität vorfindet. Diese Komplexität macht es schwer, die Evolution der Arten nach der Sichtweise des Darwinismus zu erklären, sie also nur auf zufällige Mutationen ohne besondere Zielsetzung und auf natürliche Auslese zurückzuführen. Eine der logischen Konsequenzen dieser Doktrin ist die Annahme einer allmählichen Entwicklung. Sicher forscht man heute nach alternativen und auch komplementären Wegen, um die „Tatsache“ der Evolution zu erklären. Man will also die Abstammung der heute existierenden Lebensformen von älteren, den heutigen gemeinsamen Formen nachweisen. Der Darwinismus in seinen verschiedenen Varianten ist die im Bereich der Naturwissenschaft vorherrschende Theorie. Von der akademischen Welt wurde sie als die aufgrund der verfügbaren Daten passendste Erklärung angenommen. Darwin wird praktisch von der ganzen wissenschaftlichen Welt als Vater der Evolutionslehre anerkannt. Die meisten Evolutionstheorien gehen, zumindest nach Auffassung der Vertreter des ID, in irgendeiner Weise auf die Grundideen Darwins zurück oder beziehen sich auf diese. Wer von Evolutionismus spricht, spricht implizit von Darwinismus. Die Evolutionslehre wird in den meisten Fällen an der von Darwin begründeten Sichtweise von Evolution angegriffen.

„Die Evolutionstheorie befasst sich mit drei unterschiedlichen Sachgebieten. Das erste betrifft die Evolution an sich, das heißt die Feststellung, dass die Arten der Lebewesen sich im Lauf der Zeit wandeln und untereinander verwandt sind, weil sie von gemeinsamen Vorläufern abstammen. Das zweite ist die Evolutionsgeschichte. Das betrifft die besonderen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen bestimmten Organismen wie beispielsweise zwischen Schimpansen, Menschen und dem Orang-Utan und wann es zu Verzweigungen in den zu den heutigen Arten führenden einzelnen Stammbäumen gekommen ist. Das dritte Sachgebiet betrifft die Ursachen für die Entwicklung der Organismen.“19

Die Welt der Natur, so wie man sie gewöhnlich erfasst, ist außerordentlich komplex. Diese Komplexität stellt eine Herausforderung für die Begründung der „Tatsache“ der Evolution aus rein darwinistischer Sicht dar: der Theorie, dass der Zufall ohne jede Zielgerichtetheit und die natürliche Auslese die einzigen Ursachen der Evolution seien. Andererseits kann man nach dem heutigen Einblick in das Naturgeschehen auch nur schwer leugnen, dass die komplexen biologischen Systeme über lange Zeiträume hinweg ihre jetzige Form durch die von Darwin aufgezeigten Mechanismen erreicht haben könnten. Dass diese Mechanismen sich im Bereich der sogenannten Mikroevolution für eine Erklärung, ja sogar für Voraussagen eignen, lässt sich wissenschaftlich mit ausreichender Sicherheit feststellen. In Bezug auf die Makroevolution scheint man sich aber nicht so einig zu sein, und auch die empirische Evidenz reicht hier nicht zur Absicherung aus. Die Gegner der Evolutionstheorie stützen sich vor allem auf diesen Umstand.

Michael Behe vertritt die Meinung, dass man die Evolutionslehre nach Darwin so lange nicht anerkennen oder leugnen könne, so lange man nicht die Beschaffenheit der Lebewesen bis ins Letzte hinein kenne. Nach Behe hat die Biologie bis heute praktisch immer mit gearbeitet, von denen man zwar weiß, , aber nicht sie wirken noch wie sie entstanden und im Inneren konstituiert und strukturiert sind. Sowohl Darwin als auch seine Gegner haben unter diesen Voraussetzungen gearbeitet und ihre Schlüsse gezogen. Nach Behe ist die Biochemie heute in der Lage, den Inhalt dieser Kästchen aufzudecken, und sie gibt damit der Wissenschaft die Möglichkeit Fragen zu beantworten, deren Problematik noch vor wenigen Jahren nicht erschließbar war. Diese Darstellung bringt uns auf die Spur der ihr zugrunde liegenden methodischen Annahmen.

In der von Behe vertretenen Theorie gibt es zwei untrennbar miteinander verbundene Momente. Zunächst will er klarstellen, dass der Darwinismus nicht in der Lage ist, ein bestimmtes, an den Lebewesen wahrnehmbares Ausmaß an Komplexität zu erklären. Ferner versichert er, dass nur im „Design“ eine ausreichende Erklärung für diese Komplexität zu finden sei. Aber darüber hinaus könnten wir, so Behe, dazu kommen, die Existenz von Design in einigen in der Natur bei Lebewesen vorkommenden biologischen Systemen wissenschaftlich nachweisen. Es stellt sich nun die Frage, welche Art von Komplexität uns den Nachweis von Design ermöglicht und auf welche Art von Design sich Behe bezieht.

Der Schlüsselbegriff, mit dem er die beiden genannten Momente verbindet und die seiner Meinung nach den wissenschaftlichen Nachweis von Design ermöglichen, ist der Begriff der . Behe charakterisiert sie in seinem Buch wie folgt: „Mit dem Ausdruck beziehe ich mich auf ein alleinstehendes, aus mehreren passenden und für die Grundfunktion zusammenwirkenden Teilen bestehendes System, das bei Entfernung eines beliebigen der genannten Teile seine Funktionsfähigkeit verliert“20.

Behe erklärt diesen Begriff an seinem Lieblingsbeispiel, der Mausefalle. In ihr finden wir eine aus entwurfsgemäß zusammenwirkenden Teilen bestehende Einheit mit einem spezifischen Design zur Erzielung eines ebenso spezifischen Zweckes. Wer die Funktion einer Mäusefalle kennt, wird nie in Frage stellen, dass dieses Gerät für das Fangen von Mäusen gedacht und konstruiert wurde. Folglich steht auch zweifelsfrei fest, wie das auch für alle anderen Apparate gilt, dass die Anordnung der Teile, aus denen das Gerät zusammengesetzt ist, nicht durch Zufall zustande gekommen ist. Man könne auch mit einer Wahrscheinlichkeit, die gegen Null geht, ausschließen, dass das System Schritt für Schritt als Folge einer Reihe von Zwischenschritten geformt wurde durch Mechanismen, wie Darwin sie angenommenen hat. Entweder ist jedes Teil in der vorgesehenen Weise angeordnet, womit eine mögliche graduelle Verbesserung in Bezug auf einen angenommenen Vorgänger ausgeschlossen ist, oder die Falle ist eben keine Falle und taugt nicht dazu Mäuse zu fangen.

Die Mäusefalle ist für Behe ein glasklares Beispiel irreduzibler Komplexität. Bei dieser Charakterisierung und in Bezug auf das beigefügte Beispiel scheint es wichtig zu betonen, dass die Bestimmung der Irreduziblität sich auf die Annahme stützt, dass jedes Teil des Systems hat, das heißt nicht seinerseits aus anderen Bauteilen besteht, da man sonst die irreduzible Komplexität auch für diese anderen Teile feststellen müsste. Das heißt, es wäre zwar möglich, Ebenen von Systemen und Subsystemen zuzulassen, aber der Schlüssel für die Anwendbarkeit dieser Charakterisierung liegt darin, dass man bei der Analyse bis zu den „Elementarteilen“ oder Atomen des Systems vordringen kann.

Der Autor von stellt sich die Frage, ob es irgendein biologisches System gibt, von dem man mit wissenschaftlicher Sicherheit behaupten kann, dass es von irreduzibler Komplexität sei, dass es also nicht schrittweise durch kleine, verbessernde Änderungen und natürliche Auslese entstehen konnte. Eine Bejahung dieser Frage würde die Theorie Darwins in ihrem Kern treffen. Die Möglichkeit einer Antwort hängt davon ab, ob man das Charakteristikum der irreduziblen Komplexität anwenden kann. Dies aber sei möglich, wenn man „die Teile des Systems aufzählen und seine Funktion erkennen kann“21. Es ist dabei wichtig, als Bedingung festzuhalten, dass die aufgezählten Teile „Elementarteile“ im gleichen Sinn sein müssen, wie das für die Bauteile der Falle im Rahmen ihrer Funktionseinheit gilt.

Die moderne Biochemie gestattet uns nach Behe, bis zu den „Bausteinen“ vorzudringen, aus denen alle Lebewesen aufgebaut sind. Die Wissenschaft ermöglicht uns damit, den Inhalt der „Black box“ zu entdecken und die „Mechanismen“ aufzuzeigen, durch welche die besagten „Teile" miteinander verbunden sind. Behe selbst drückt das so aus: „Es mag seltsam klingen, aber die moderne Biochemie hat den Nachweis erbracht, dass die Zelle von Maschinen gesteuert wird: wörtlich, Molekularmaschinen. Bei diesen Molekularmaschinen gibt es, wie bei ihren künstlichen Gegenstücken (Mäusefallen, Fahrrädern und Raumschiffen) einfachste und äußerst komplexe: mechanische Maschinen zur Energieerzeugung wie in den Muskeln, elektronische Maschinen wie in den Nerven und Solarzellen wie bei der Photosynthese. Diese Molekularmaschinen bestehen natürlich nicht aus Metall oder Plastik, sondern aus Proteinen“22. Behe nimmt an, dass als Teil nur Elemente mit klar definiertem Verhalten in Frage kommen. Eine Schraube ist eben nur eine Schraube und verhält sich wie eine solche, indem sie Teile des Systems auf die vorgesehene Weise miteinander verbindet. Nach Behe ist es die heutige Biochemie, die diesen Vergleich erlaubt.

Alle obigen Ausführungen ermöglichen es, den methodischen Rahmen abzustecken, in dem sich Behe mit seiner Auffassung bewegt. Eine Analyse desselben wird zusammen mit den nun folgenden Vorstellungen Dembskis im letzten Abschnitt vorgenommen.

3.2 Schlussfolgerung auf „Design" nach William Dembski

Die Ausführungen William Dembskis sind eine perfekte Ergänzung zu jenen von Michael Behe. Er versucht die im Buch Behes implizit enthaltenen Argumente allgemeiner und formell zu statuieren. Dembski betrachtet den Begriff der als Sonderform des Begriffes der CSI23. Dieser von Dembski vorgeschlagene Begriff soll einen ermöglichen, d. h. festzustellen, dass ein beliebiges System, ob künstlicher oder biologischer Natur, „designed“ wurde.

Dembski versucht einige schon in der griechischen Philosophie, besonders bei Aristoteles vorhandene Begriffe zu aktualisieren24. In der Absicht, das aristotelische Ursachenschema auf heutigen Stand zu bringen, teilt er die in der Natur wirkenden Kausalitäten in drei Klassen ein: Notwendigkeit, Kontingenz und „Design“ (Entwurf). Von diesen dreien ist das Design für den genannten Autor die aktuelle Version der aristotelisch-thomistischen Zielgerichtetheit (Finalität). So wie schon eingangs aufgezeigt meint auch er, dass die Wissenschaft, insbesondere seit dem 17. Jahrhundert mit der mechanistischen Welterklärung die Zielsetzung bzw. das in der Natur vorfindbare Design aus den Augen verloren habe. Dembski weist darauf hin, dass das Design für die Welt der Lebewesen bis ins 19. Jahrhundert nicht ausgeklammert werden konnte. In der Biologie war die Zielsetzung fest verankert. Erst Darwins Evolutionstheorie ermöglichte eine Entfernung des Designs aus seinen letzten Positionen.

Was sich bis zur Publikation des gehalten hatte, war jedoch in Wirklichkeit nicht eine Zielgerichtetheit im aristotelisch-thomistischen Sinn, die ja bereits im Zuge einer mechanistisch geprägten Philosophie und Welterklärung über Bord geworfen worden war, sondern jener Rest von Zielsetzung, der noch im Designargument als eine beabsichtigte Finalität enthalten war. Dembski schlägt vor, diese verloren gegangene „Ursache“ wieder in das wissenschaftliche Denken zurückzuholen. Die von ihm entworfene Argumentation betrifft nicht die Zielursächlichkeit des Aristoteles. Sie geht an das Problem unter dem Gesichtspunkt des Designarguments heran. Der Kern dieser Frage lautet, wie man entdecken kann, dass in der Natur Design vorliegt und folglich nicht alles auf Zufall und Notwendigkeit reduziert werden kann. Dembski beantwortet diese Frage kategorisch: er behauptet, dass man Design ableiten kann und schlägt dafür einen Algorithmus vor, das Desingfilter.

3.2.1 Die wichtigsten für den Rückschluss auf Design verwendeten Begriffe

Die drei Schlüsselbegriffe für den Rückschluss auf Design sind Kontingenz, Komplexität und Spezifikation25.

Die ist der Ausdruck für eine reale Möglichkeit des Seins oder nicht Vorhandenseins in der materiellen Welt. Sie bezieht sich also auf den klassischen Begriff der Potenz und demnach auf den Begriff der materiellen Ursache. Letzteres erwähnt Dembski nicht ausdrücklich. Er beschreibt das Bestehen von Kontingenz auf verschiedene Weise. So etwa sagt er, dass die Anordnung der Schachfiguren auf dem Brett nicht von deren Form abgeleitet oder darauf zurückgeführt werden kann. Ebenso wenig könne man das Schriftbild am Papier nur auf die chemische Zusammensetzung der Tinte zurückführen, so Dembskis Beispiele zu seinem Verständnis von Kontingenz.

Der Begriff der hängt aufs erste betrachtet direkt mit Wahrscheinlichkeit zusammen. Es handelt sich also um die einfachste Art zur Charakterisierung von Komplexität, die sich folgendermaßen formulieren lässt: Ein beliebiges System ist komplex, wenn für seine Struktur viele Konfigurationsmöglichkeiten bestehen, wenn also breiter Raum für wahrscheinliche Anordnungen gegeben ist. Die Komplexität wäre also umso größer, je größer der Raum für Wahrscheinlichkeit gegeben wird. Ein Rechner sei ein komplexes System, da er aus vielen Bauteilen besteht, die auf sehr unterschiedliche Weise zusammengesetzt werden könnten (auch wenn die Funktion nur bei einer oder einigen wenigen Varianten gewahrt bliebe).

Diese beiden Begriffe stellen keine konzeptionelle Neuigkeit dar. Der vielleicht originellste Begriff, der den entscheidenden Schritt für eine "Schlussfolgerung auf Design“ darstellt, ist die . Man könnte sie als eine „a priori“-Festlegung für eine beschränkte Teilmenge an Möglichkeiten im Raum der Möglichkeiten charakterisieren, in dem sich das System bewegt. Für die von Dembski verfolgten Ziele ist es wichtig, dass „a priori“ nicht im zeitlichen Sinn aufgefasst wird. Das scheint der Punkt zu sein, wo der Autor des hier behandelten Schemas dessen Gültigkeit und Zweckmäßigkeit aufs Spiel setzt. Zur Erläuterung dieses Begriffes eignet sich eines der von Dembski gebrachten Beispiele recht gut.

Wenn man sieht, dass eine Menge Pfeile in der Nähe eines bestimmten Zieles zu liegen kommt, können wir denken, dass das nicht zufällig so geschehen ist, sondern dass der Schütze dorthin gezielt hat. Es gibt ein „a priori“-Modell, um auf die Absicht des Schützen schließen zu können. Dieses auf die Nähe der Pfeile zu einem Ziel gestützte Modell bedeutet eine Einschränkung der Örtlichkeiten, an denen tatsächlich Pfeile fallen können. Es ist offensichtlich, dass die Feststellung, dass Pfeile in der Nähe eines Zieles gesehen werden, nichts zu behaupten erlaubt, wenn der Schütze zuerst die Pfeile abschießt und erst danach auf ein Ziel zielt. Diese letzte Möglichkeit nennt Dembski . Das „a priori“ soll zeigen, dass für das genannte Modell vor dem Eintreten der zu untersuchenden Ereignisse die Möglichkeit zu seiner Beschreibung gegeben sein muss, auch wenn es tatsächlich erst danach beschrieben worden sein sollte. Es geht also um die Möglichkeit zu sagen, was geschehen soll, ohne notwendig zu wissen, was geschehen ist. Erst dann kann man von der Verfügbarkeit einer Spezifikation und gegebenenfalls von einem System mit spezifizierter Komplexität im Sinne Dembskis sprechen.

3.2.2 Das Designfilter

Von den drei vorerwähnten Begriffen wirft jener der Spezifikation die meisten Probleme auf. Er scheint kohärent im Rahmen der begrifflichen Änderung von Zielgerichtetheit im Zuge der Ausformung eines mechanistischen Weltbildes. Dieses Problem wird im nächsten Abschnitt behandelt. Trotzdem kann man, wenn man die Gültigkeit der drei vorausgehenden Begriffe akzeptiert, den nächsten Schritt angehen. Das (Abb. 1) ist ein Algorithmus, der es ermöglichen soll, mit Sicherheit darauf zu schließen, ob ein, aus diesen drei Begriffen erstelltes System, von einem Designer entworfen wurde oder nicht. Schematisch kann das mit dem hier wiedergegebenen Diagramm dargestellt werden. Das Schema zeigt, wie der als Designfilter vorgeschlagene Algorithmus anzuwenden ist. Demnach kann man laut Dembski bejahen, dass ein beliebiges System entworfen wurde, wenn man feststellen kann, dass das besagte System gleichzeitig ist.

4 Abschließende kritische Analyse

Das Intelligent Design kann man als Bewegung mit spezieller Zielsetzung betrachten. Für jede Wissenschaft gilt, dass sie konkrete Ziele verfolgt, sei es durch die Intuition der Wissenschaftler, die ein bestimmtes Ergebnis anstreben, oder durch eine praktisch notwendige Problemlösung, wie beispielsweise die Heilung einer bestimmten Krankheit. Ziele zu haben entwertet nicht a priori die Rationalität und Kohärenz der Argumente. Das Besondere an der empirischen Wissenschaft liegt darin, dass unabhängig von den verfolgten Zielen formulierte Hypothesen wissenschaftlich überprüft werden müssen, was für gewöhnlich experimentelle Kontrolle inkludiert. Es ist jedenfalls schwer, Ziele und Begründungen zu trennen, wie das kürzlich von einigen hervorgehoben wurde26.

Im Fall des Intelligent Design ist die Trennung von Zielen und Begründungen besonders schwierig. Einerseits gibt es ideologische Faktoren und andererseits eine offene Konfrontation zwischen zwei Parteien. Eines der Hauptziele des ID ist es, seinen Gegner, den Darwinismus, zu schlagen. Demgegenüber zeigen sich einige Verfechter des Darwinismus gegenüber den von den ID-Vertretern vorgebrachten Ideen sehr kämpferisch. Die Fülle der gegenseitigen Beschuldigungen und die Tatsache, dass man sogar die Gerichte beschäftigt, machen es beiden Seiten schwer, Gelassenheit und Maß zu halten und sich in der Argumentation auf das rein Wissenschaftliche oder Philosophische zu beschränken. Das ist zweifellos eine der Schwierigkeiten, die noch von keiner der beiden Seiten überwunden werden konnte. Es wird also zweckmäßig sein, aus erkenntnistheoretischer und wissenschaftlicher Sicht den Kern des möglichen Beitrags des ID ernsthaft zu studieren und dabei für eine gerechte Darwinismuskritik offen zu bleiben, so wie das von einigen Zirkeln vorgeschlagen wurde. In diesem Artikel wird nun versucht, aus allem bisher Geschriebenen Schlussfolgerungen zu ziehen und dabei in ausgleichender Weise jede Polemik zu umgehen, soweit nicht aus erkenntnistheoretischer Sicht darauf Bezug genommen werden muss.

4.1 Kreationismus vs. Intelligent Design

Eine der am häufigsten gegen das ID vorgebrachten Anschuldigungen besagt, dass es bloß eine Neuauflage der oder des darstelle. Nach Larry Arnhart27 zum Beispiel werfe uns die ID-Bewegung auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück, als der schon erwähnte William Jennings Bryan eine Offensive gegen den Darwinismus begann, die im Rechtsstreit von Hohn T. Scopes im Jahr 1925 in Dayton, Tennessee, gipfelte. Arnhart behauptet, dass das ID ein „Wiederaufleben“ jener Bewegung sei. Er sagt, dass das von ihm rezensierte Buch eine sehr klare und dichte Zusammenfassung der Argumente des ID sei und dass in diesem die vier schon Anfang des Jahrhunderts von Bryan vorgelegten Argumente neuerlich vorgebracht werden:

  1. Intellektuelles Argument: Es fehle die empirische Evidenz zur Untermauerung der Thesen der Evolutionisten und folglich sei der Darwinismus eine auf einen materialistischen Naturalismus gestützte Doktrin.
  2. Religiöses Argument: Der Darwinismus fördere den Atheismus.
  3. Moralisches Argument: Der atheistische Materialismus sei korrupt.
  4. Politisches Argument: Darwinismusunterricht sei mit der Demokratie nicht vereinbar, da er sich gegen die Wünsche der Mehrheit der Eltern über die ihren Kindern zu lehrenden Inhalte richte.

Diese vier Argumente, so Arnhart, würden im kommentierten Buch wiederholt.

Sicherlich sind die Argumente 1, 2 und 4 im Diskurs seitens des ID präsent. Aus obigen Darlegungen könnte man zwei Schlüsse ziehen:

1. Als Bewegung stellt das ID eine Fortsetzung des Kreationismus dar, da es in der Fortsetzung des Streits zwischen Theismus und Atheismus eines seiner Ziele bewahrt, das wie erwähnt schon auf die Zeit vor dem Auftreten des wissenschaftlichen Kreationismus selbst zurückgeht. Ein Teil der zur Bekämpfung des Darwinismus verwendeten Argumente bringt es, wie Arnhart aufzeigt, dem zu Anfang des Jahrhunderts aufgekommenen Kreationismus bemerkenswert nahe.

2. Die vorgeschlagenen Begriffe sind zwar vom erwähnten Ziel nur schwer zu trennen, die vom ID zur Erreichung seiner Ziele verwendeten Argumente schließen aber meines Erachtens aus, das ID als wissenschaftlichen Kreationismus oder eine raffiniertere Version desselben zu betrachten. Darüber hinaus zeigt sich seitens des ID eine mit Entschiedenheit verfolgte positive Haltung für eine Begrenzung des Diskurses auf strikt wissenschaftliche Kreise. Die Besonderheiten der von ihm behandelten Thematik und die Entscheidung, diese auf wissenschaftliche Weise anzugehen, haben eine Reihe von Konsequenzen, die wir im Folgenden noch aufzeigen wollen.

Jedenfalls zeigt sich ein eigentümlicher Parallelismus: Die Konfrontation zwischen Kreationismus und Darwinismus stützt sich auf eine verkürzte Lesart der Heiligen Schrift, auf die wörtliche Auslegung. Die zwischen ID und Darwinismus herrschende Polemik stützt sich ebenfalls auf eine verkürzte Lesart, in diesem Fall aber nicht der Heiligen Schrift, sondern der Wissenschaft selbst.

4.2 Mechanistisches Weltbild: Wissenschaft und Philosophie

Die ID-Verfechter wollen ihre Argumentation im wissenschaftlichen Bereich halten. Das Problem ist, dass die Wissenschaft, auf die sie sich besonders bei der Behandlung biologischer Themen stützen, von einem mechanistischen Wissenschaftsbegriff abgeleitet ist. Es gibt zahlreiche Texte, aus denen die mechanistische Betrachtungsweise ihrer Vorschläge ersichtlich ist. Die Überzeugung, mit der Behe behauptet, dass man die Inhalte der ,mit dem die Biologen bis jetzt gearbeitet haben, nun aufgedeckt habe und dass man zu den die Lebewesen aufbauenden „Elementarteilen“ vorgestoßen sei, scheint der überzeugendste Ausdruck dafür zu sein, dass hier die Realität des Lebens unter einer rein analytischen Perspektive erklärt wird, d. h. von unten nach oben (bottom up), was eines der Hauptmerkmale der mechanistischen Betrachtungsweise ist. So sagt Behe beispielsweise: „Humes Kritik, dass es zwischen mechanischen und lebenden Systemen fundamentale Unterschiede gäbe, ist veraltet und durch die Fortschritte der Wissenschaft, die die Maschinerie des Lebens entdeckt hat, erledigt“28.

Solange diese Perspektive nur zur Erklärung der Funktion dieser Systeme anwendet, ist nichts dagegen einzuwenden. Problematisch wird es, sobald man diese mechanistische wissenschaftliche Sichtweise zur Behandlung von Themen verwenden will, die über die einfachen oder komplexen Mechanismen dieser Systeme hinausgehen. Dann wird aus der mechanistischen Sichtweise eine mechanistische Welterklärung. In diese Schwierigkeit verfallen nicht nur die Verfechter des ID. Es handelt sich auch um eine von den Darwinisten angenommene Einstellung, zumindest bei jenen, die dem ID polemische Auseinandersetzungen liefern.

Hier soll nicht behauptet werden, dass Mechanistik nicht zur Erklärung von den in der Biochemie beobachtbaren Phänomenen dient. Es ist offensichtlich, dass mechanistische Beschreibungen biologischer Systeme möglich sind. Aber es scheint von Mal zu Mal deutlicher, dass man damit allein nicht in der Lage ist, bedeutendere Themen wie den Ursprung des Lebens oder die zunehmende Komplexität im Bereich der Lebewesen anzugehen.

Der von den Vertretern des ID erhobene Vorwurf gegenüber dem Darwinismus, Philosophie zu betreiben und außerhalb des wissenschaftlichen Rahmens liegende zur Philosophie gehörende Theorien zu vertreten, wie er von Johnson geäußert wurde, hat etwas für sich. Das ID verfällt aber in dieselbe Inkohärenz bei seinem löblichen Bemühen um Beschränkung auf den wissenschaftlichen Bereich. Das Interessante an diesem Streit ist, dass beide Seiten unter Verwendung der gleichen erkenntnistheoretischen Annahmen völlig gegensätzliche Theorien vertreten29. Das zeigt klar, dass beide Seiten die von der Wissenschaft gesetzten Grenzen, innerhalb derer sie sich zu bewegen vorgeben, überschreiten. Die Tatsache, dass die Verfechter des ID von gleichen Annahmen ausgehen wie ihre Gegner, erschwert klarerweise eine Bekämpfung des nach Meinung der Vertreter des ID vom Darwinismus ausgehenden Materialismus.

Die erkenntnistheoretischen Annahmen stammen aus der methodischen Beschränkung, die von der mechanistischen Wissenschaft gesetzt wird. Keiner der beiden Kontrahenten hat sich von dieser Beschränkung befreit. Damit aber wandelt sich zwangsläufig die Bedeutung des Begriffs der Finalität (Zielgerichtetheit), die für beide Kontrahenten eine absichtsvolle ist, so dass aus dem Argument der Zielgerichtetheit ein Designargument wird. Die Verfechter des ID vertreten einerseits zu Recht, dass Design eine Ordnung stiftende Intelligenz voraussetzt. Die materialistischen Darwinisten berufen sich darauf, dass sie das Design der ursprünglich von Darwin vorgeschlagenen und später vom Neodarwinismus erweiterten Mechanismen erklären könnten30, also nur mit Rückgriff auf Zufall und natürliche Auslese. Aus einer strikt logischen Sicht scheint die vom materialistischen Darwinismus vertretene Argumentation nicht widerlegbar, wenn auch die Wahrscheinlichkeitstheorie dagegen spricht. Aus diesem Wettstreit herauszukommen, in dem jede Streitpartei in einer wohl als irrational zu bezeichnenden Art kämpft, scheint ausgeschlossen. In der Debatte dürfte sich kaum eine nennenswerte Kehrtwende einstellen, so lange beide Parteien bei ihren mechanistischen Annahmen, die ihre Lösungsansätze stützen, unverändert vertreten. Das der Argumentation zugrunde liegende Wissenschaftsverständnis reicht nicht zur Begründung der umstrittenen Behauptungen.

In den Lösungsansätzen der Vertreter des Intelligent Design scheint ein Punkt interessant: Sollte es stimmen, dass die Annahmen zur Stützung der Argumente des ID gleichwertig mit den materialistischen der Neodarwinisten sind, dann wäre das ID, insbesondere der Begriff der irreduziblen Komplexität, ein ernstzunehmender Einwand gegen den Anspruch, die zunehmende Komplexität des Lebens nur mit Hilfe des Neodarwinismus und seinen Annahmen erklären zu können. Dann könnte man wirklich sagen, dass das ID eine authentische, ernsthafte Herausforderung für den materialistischen Neodarwinismus darstellt.

Andererseits ist die, wenn auch nicht ausdrücklich formulierte Geringschätzung der Philosophie seitens der Verfechter des ID wohl zu kritisieren. Bei den Vertretern des ID kann man Feststellungen finden, welche die Philosophie im subjektiven Bereich nicht gerade mit Vorliebe zu berücksichtigen scheinen, so als ob philosophische Aussagen keine wirkliche Grundlage hätten und mehr einer persönlichen Vorliebe als einer objektiven Realität, zu der man auf dem Weg der Wissenschaft gelangen kann, entsprechen würde31. Behe schreibt: „But the fundamental philosophical principles that underlie reality and the theological principles, or lack of principles, that can be garnered from philosophy and historical experience are at root chosen by the individual. A man or woman must be free to search for the good, the true, and the beautiful.“32 Sicher kommt bei der Wahrheitssuche und dem Streben nach dem Guten der persönlichen Freiheit ihre Rolle zu. Doch wenn man zur Philosophie gehörende Prinzipien freiwillig berücksichtigt, heißt das nicht, dass sie alle gleichwertig oder gleich akzeptabel sind. Auch bei den Lösungsansätzen Behes und im allgemeinen jenen der Bewegung zeigt sich eine unzulässige Gleichsetzung theologischer und philosophischer Ebenen.

Ein Großteil der hier behandelten Probleme liegt gerade daran, dass Philosophie und Einzelwissenschaft nicht auseinander gehalten werden und nicht beachtet wird, was von welcher der beiden gelöst werden muss. Wir haben es hier mit der Neuauflage des Problems der Grenzziehung in der Wissenschaft zu tun. Zwischen Naturwissenschaft und Philosophie herrscht Kontinuität, allerdings darf der eine Zweig den anderen nicht vereinnahmen. ID hat nicht geradezu beigetragen, diese Fragen befriedigend zu lösen, was jedoch von großer Bedeutung wäre, um den wissenschaftlichen Materialismus zu überwinden, wie es sich ID zum Ziel gesetzt hatte.

4.3 Der intelligente Designer im Intelligent Design

Die Verfechter des „Designarguments“, wie beispielsweise Paley, betrachten es als einen Weg, um die Existenz Gottes und einiger seiner Attribute nachzuweisen. Dabei wird zum Beispiel das von Thomas von Aquin vertretene Argument der Zielgerichtetheit beibehalten. Dembski geht aber in seinem Eifer, nur das anzuerkennen, was die Wissenschaft erlaubt, einen Schritt weiter. Dabei bemüht er sich sichtlich, die Kohärenz von Methode und Gegenstand einzuhalten. Für ihn gibt es einen Unterschied zwischen Designargument und dem Intelligent Design. Nach Dembski versucht das ID nicht Gott nachzuweisen, sondern will bloß zur Feststellung gelangen, dass eine Notwendigkeit für das Einwirken eines intelligenten Verursachers besteht. „The design argument is at its heart a philosophical and theological argument. It attempts to establish the existence and attributes of an intelligent cause behind the world based on certain features of the world. By contrast, the design inference is a generic argument for identifying the effects of intelligence regardless of the intelligence’s particular characteristics and regardless of where, when, how or why the intelligence acts. (The can be , human, extraterrestrial, singular, plural, immanent or transcendent.) The design inference looks to one feature in particular-specified complexity and uses it as the basis for inferring intelligence. Thus, when an event, object or structure in the world exhibits specified complexity, one infers that an intelligence was responsible for it. In other words, one draws a design inference“33. In diesem Zitat Dembskis findet sich auch eine Bestätigung für das oben erwähnte eigentümliche Philosophieverständnis.

Ein auffälliger Begriff wurde vom Autor herausgehoben, der seltsam kohärent mit den Vorstellungen Dembskis ist: die . Es scheint, dass er bei dieser Ausdrucksweise nicht wirklich Intelligenz im klassischen Sinn meint. Er spricht von irgendeiner Art von Intelligenz. Aber was ist dann unter Intelligenz wirklich zu verstehen? Das, was er meint, könnte man eher auch als eine Charakterisierung der Intelligenz in Zusammenhang mit dem, was er „spezifizierte Komplexität“ nennt, betrachten. Man könnte nach dem vorher zitierten Text wirklich denken, dass der Autor definiert, was er unter Intelligenz versteht, und indirekt aufzeigt, wo man sie finden kann. Es handelt sich um eine Charakterisierung der Intelligenz, die mathematisch und formal sein will und folglich eine Definition der Intelligenz von außen ist. Wenn man das ernst nimmt, dann kann man natürlich wenig über den angenommenen Designer aussagen. Dieses Argument hat selbstverständlich wenig Wert, um zu irgendwelchen Erkenntnissen über Gott zu kommen, wie er ja selbst zugibt. Es solle den Logos aus dem Johannesevangelium neu formulieren – in der Sprache der Informationstheorie.34 Diese Argumentation steht in offenem Widerspruch zu den Erwartungen, die Dembski selbst an anderen Stellen über das Intelligent Design wecken will.

Referenzen

  1. Cfr. Johnson P. E., The Intelligent Design Movement. Challenging the Modernist Monopoly on Science, in: Dembski W. A., Kushiner J. M. (Hrsg.), Signs of intelligence: understanding intelligent design, Brazos Press, Grand Rapids, MI (2001), S. 25-41
  2. Die Feststellung von Laplace vor Napoleon auf dessen Bemerkung, dass er im Buch „Traité de Méchanique céleste“ Gott nicht ein einziges mal erwähnt habe ist bekannt: „Diese Hypothese habe ich nicht benötigt.“
  3. Der begrenzte Umfang dieser Arbeit macht es unmöglich, die in diesem Abschnitt angesprochenen Argumente zu vertiefen. Teilweise findet sich die Begründung der hier enthaltenen Behauptungen bei Collado S., Mecánica,, ciencia y principios. Una interpretación desde Polo, Studia Poliana, nº 9. Facultad de Filosofía y Letras de la Universidad de Navarra (2007)
  4. Bacon F., De dignitate et augmentis scientiarium, III, 5, in: The Works of Lord Bacon, Ball W. (Hrsg.), Londres (1837), S. 340
  5. vgl. Spaemann R., Teleología natural y acción, Anuario Filosófico (1991) 24: 276
  6. “Despite many of his misguided examples, Paley’s first paragraph concerning the watch is exactly correct-no one would deny that if you found a watch you would immediately, and with certainty, conclude that it had been designed.” Behe M. J., Darwin’s black box. The biochemical challenge to evolution, Touchstone, New York (1996), S. 215
  7. vgl. Giberson K., Artigas M., The Oracles of Science, Oxford University Press, New York (2006), S. 38
  8. vgl. Yerxa K. W. et al., Species of Origins, S. 198 ff.
  9. Thaxton C. B., Bradley W. L., Olsen R. L., The Mystery of Life’s Origin: Reassessing Current Theories, Lewis and Stanley, Dallas (1984)
  10. Denton M., Evolution: A Theory in Crisis, Adler and Adler, Bethesda (1986)
  11. vgl. Meyer S. C., The Scientific Status of Intelligent Design. The Methodological Equivalence of Naturalistic and Non-Naturalistic Origins Theories, in: Behe M. J. et al., Science and Evidence for Design in the Universe, Proceedings of the Wethersfield Institute, vol. 9, Ignatius Press, New York (1999), S. 151-211
  12. Dembski W. A., Kushiner J. M. (ed.), Signs of intelligence: understanding intelligent design, Brazos Press, Michigan (2001)
  13. Johnson P. E., The Intelligent Design Movement , S. 26
  14. vgl. Johnson P. E., Defeating Darwinism by Opening Minds, InterVarsity Press, Vancouver (1997), S. 91-92
  15. vgl. Dembski W., Making Intelligent Design a disciplined science, in: Dembski W., Kushiner J., The Design Revolution: Answering the Toughest Questions About Intelligent Design, InterVarsity Press, Illinois (2004), S. 318-319
  16. vgl. Dembski W., Kushiner J., The Design Revolution. S. 319 ff
  17. Im schon erwähnten Buch The Oracles of Science finden sich Beispiele, die eine gute Bestätigung dieser Theorie sind.
  18. Die bedeutendste Zusammenfassung der in seiner Dissertation entfalteten Arbeit mit den Grundgedanken zur Stützung dieser Vorstellungen finden sich erstmals in Dembski W., The Design Inference. Eliminating Chance Through Small Probabilities, Cambridge University Press, New York (1998).
  19. Ayala F. J., La teoría de la evolución. De Darwin a los últimos avances de la genética, Ediciones Temas de Hoy, Madrid (1994), S. 17
  20. “By irreducibly complex I mean a single system composed of several well-matched, interacting parts that contribute to the basic function, wherein the removal of any one of the parts causes the system to effectively cease functioning”. Behe M. J., Darwin’s black box. S. 39. In späteren Veröffentlichungen wurde diese Definition etwas ausgefeilt. So stellt Dembski z. B. diese Charakterisierung zur Diskussion und schlägt einige Anpassungen zur Ermöglichung einer Bestimmung der irreduziblen Komplexität ohne die bei Dembski W., No Free Lunch: Why Specified Complexity Cannot Be Purchased Without Intelligence, Rowman & Littlefield, Boston (2002), S. 279-289 enthaltenen Unsicherheiten vor. Für die Zielsetzung dieser Arbeit ist die ursprüngliche Definition ausreichend.
  21. vgl. Behe M. J., Darwin’s black box, S. 47.
  22. Behe M. J., Darwin’s black box, S. 51.
  23. vgl. Dembski W., No Free Lunch, S. 251-252.
  24. vgl. Dembski W., Signs of Intelligence. A Primer on the Discernment of Intelligent Design, in: Dembski W. A., Kushiner J. M. (ed.), Signs of Intelligence. S. 173-174.
  25. Cfr. Dembski W. A., Kushiner J. M. (ed.), Signs of Intelligence, S. 178.
  26. Es genügt auf den berühmten Fall zu verweisen, der in Sokal beschrieben ist, A. y Bricmont J., Imposturas intelectuales, Paidós, Barcelona (1999)
  27. Cfr. Arnhart L., Rezension des Buches "Signs of Intelligence: Understanding Intelligent Design", Zygon: Journal of Religion and Science (2003); 38(4): 987-990
  28. “Hume’s criticism of the design argument that assert a fundamental difference between mechanical systems and living systems is out of date, destroyed by the advance of science which has discovered the machinery of life.” Behe M. J., Darwin’s black box, S. 218
  29. Der Vergleich der erkenntnistheoretischen Annahmen der Vertreter des ID mit jenen von mindestens einem Sektor des Darwinismus wird ausführlicher behandelt in: “El Intelligent Design, una propuesta para entender la vida”. Die Veröffentlichung erfolgt in den Unterlagen des Kongresses BIOS. Fondazione filosofica ed epistemologica delle scienze della vita, der von der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität des Heiligen Kreuzes organisiert wurde (Rom, 23. – 24. Februar 2006).
  30. “The central claim of evolutionary biology (…) is that an unguided physical process is sufficient to account for the emergence of biological complexity and diversity.” Dembski W., Kushiner J., The design revolution. S. 260
  31. Die folgenden Worte Behes sollen als Beispiel angeführt werden: “When a question is too difficult for science to deal with immediately, it is happily forgotten while other, more accessible questions are investigated. If philosophy and theology want to take a crack at the question in the meantime, we scientists should wish them well, but reserve the right to jump back into the conversation when science has something more to add.” Behe M. J., Dawin’s black box , S. 251
  32. Ibidem, S. 250
  33. Dembski W., Kushiner J., The Design Revolution, S. 77
  34. “The world is a mirror representing the divine life. The mechanical philosophy was ever blind to this fact. Intelligent design, on the other hand, readily embraces the sacramental nature of physical reality. Indeed, intelligent design is just the Logos theology of John’s Gospel restated in the idiom of information theory”, in: Dembski W. A., Kushiner J. M. (Hrsg.), Signs of Intelligence. S. 192

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Univ.-Prof. Dr. Santiago Collado González
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