Vermarktung der Biotechnologie – muss die Achtung des Lebens auf der Strecke bleiben?

Imago Hominis (2001): 8(4): 263-264
Johannes Königseder

In der letzten Novemberwoche hat eine bekannte amerikanische Firma der Biotechnologiebranche mit den Ergebnissen eines Forschungsprojektes, das als Meilenstein in der Geschichte des Klonens bezeichnet wurde, die Aufmerksamkeit der Welt erlangt. Für einige Stunden waren die Spitzenbiologen und die Forscher der Konkurrenzfirmen überrascht. Doch es vergingen keine 24 Stunden bis erkannt worden ist, dass es sich um eine reine PR-Aktion ohne weiteren wissenschaftlichen Hintergrund handelte.

Die Fakten zusammengefasst: Am 25. November hat Advanced Cell Technology Inc. (ACT) aus Worcester im US-Bundesstaat Massachusetts an die amerikanischen Presseagenturen und die wichtigsten Zeitungen die Ankündigung ausgeschickt, dass am darauffolgenden Tag die Online-Zeitschrift „The Journal of Regenerative Medicine“ ein Paper mit Ergebnissen eines gemeinsamen Projektes von ACT und Duncan Holly Biomedical (Somerville, ebenfalls Massachusetts) veröffentlichen wird. Diese stellen einen Meilenstein in der Geschichte des menschlichen Klonens dar. ACT ist ein typisches kleines aber aufsteigendes Forschungs- und Entwicklungsunternehmen im Biotech-Bereich, das in den letzten Monaten oft im Zusammenhang mit dem therapeutischen Klonen Schlagzeilen gemacht hatte. Ihr Präsident Michael D. West ist einer der Pioniere der embryonalen Stammzellenforschung.

Am 26. November konnten die Interessenten via Internet, das Paper „Somatic Cell Nuclear Transfer in Humans: Pronuclear and Early Embryonic Development“ von Jose Cibelli et al. herunterladen. Die meisten Medien haben sofort die Nachricht durchgegeben: die ersten Menschen wurden geklont. Die Aufregung war sofort da. Auf die Reaktionen musste man nicht lange warten. Das Weiße Haus hat sofort von der Vorbereitung eines Bundesgesetz zum Klonverbot gesprochen. In Großbritannien hat die Regierung Blair das Schnellverfahren zur Verabschiedung des Gesetzes zur Unterbindung des reproduktiven Klonens beschleunigt, das am Donnerstag den 29. vom Oberhaus approbiert wurde. Der Vatikan und viele andere öffentlichen und privaten Stimmen haben weltweit das Projekt verurteilt.

Die Weltspitze der Mikrobiologen war sicherlich von der ersten Meldung überrascht und auf die angekündigten Ergebnisse gespannt. Die Spannung dauerte kurz und ging dann in Verblüffung und später in Spott über. Was enthält der Bericht?

ACT hat zwei Klonungstechniken, die für die Stammzellentherapie verwendet werden sollen, am Menschen erfolgreich getestet. Einige menschliche Klone sind entstanden. Einerseits durch Parthenogenese von Eizellen und andererseits  mittels der sogenannten Kerntransfertechnik konnten Embryonen erzeugt werden. Einige wenige haben sich sogar bis zum Achtzellerstadium entwickelt. Ob das Ziel der Versuche, nämlich die Gewinnung von Stammzellen, erreicht werden konnte, wird im Bericht nicht erwähnt.

Was im Bericht steht, ist nichts neues. Nicht nur in Worcester sondern auch in Speziallabors in England, Israel und Japan wird im Eiltempo an der Entwicklung der Klonungstechnik für sogenannte therapeutische Zwecke gearbeitet. Einige Regierungen der Welt unterstützen diese Forschungen mit beträchtlichen Geldmitteln. Was Cibelli und Co zu berichten wissen, wurde in anderen Labors bereits früher erreicht. Niemand sprach von Meilensteinen, weil zunächst die Ergebnisse weder in der  Klontechnik noch in der Stammzellenforschung anwendbar sind.

Es stellt sich nun die Frage, welche Beweggründe ACT hatte, ein solches Paper mediengezielt zu publizieren. Sicher ist, dass aus wissenschaftlicher Sicht das Paper ziemlich wertlos ist. So bezeichnete der an der  Harvard Medical School lehrende Douglas Melton das Projekt als ein „failed, dysfunktional experiment“. Ian Wilmut, der „Vater“ des ersten aus adulten Zellen geklonten Schaffes meint, das ACT in finanzielle Schwierigkeiten gekommen ist und diese Publicity gebraucht hat, um neue Investoren zu gewinnen. Dies könnte durchaus stimmen. Und der Stammzellenfachmann Davor Solter vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg spricht von einem PR-Wisch, da die Arbeit „technisch nichts Neues, konzeptionell längst bekannt, wissenschaftlich armselig“ ist. Offensichtlich hat ACT Publicity gesucht und sie zunächst für wenige Stunden erreicht.

Blickt man in die Vergangenheit, bemerkt man, dass Michael D. West (Präsident von ACT)  immer wieder Publicity gesucht hat. Wenn es darum geht, zu eigenen Patenten zu kommen, ist eine laut tönende PR der beste Partner. Im November 1999  schillerte in den Zeitungen die Meldung „Erstes Menschenbaby geklont“. Die Menschenklone aus Rindereiern waren ein Publikationsskandal  oder PR-Coup des Unternehmens, denn die Versuche von damals erzielten keine verwertbaren Resultate. Im Jänner 2001 kam der Klon einer ausgestorbenen Büffelart, eines Gaurs, zur Welt. Noch bevor das Tier auf der Welt war, waren die Schlagzeilen gedruckt. Das Kalb, das wenig später geboren wurde, starb auch unmittelbar nach der Geburt. Darüber wurde nicht mehr berichtet.

Wen wundert es, dass die letzte Meldung von ACT nicht mehr als ein PR-Gag war? Doch auch dieser hatte seine positiven Folgen: Großbritannien hat ein neues Klongesetz, dass die reproduktive Klonung verbietet und in den USA wird ein neues Gesetz diesbezüglich vorbereitet. Auch die Gegner des Klonens haben eine gute Gelegenheit gehabt, um gegen das Klonen zu trommeln. Das hatte ACT sicher nicht beabsichtigt.

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Dr. Johannes Königseder
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Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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