Politisch korrektes Klonen von Embryonen?

Imago Hominis (2005); 12(4): 259-260
Susanne Kummer

Die Forschung mit embryonalen Stammzellen steckt noch in den Kinderschuhen. Das geben selbst Klon-Pioniere wie der in den USA forschende Rudolf Jaenisch oder der Südkoreaner Woo Suk Hwang zu. Hwang wird in Zukunft wohl etwas leiser treten müssen: Ende November gab er auf massiven öffentlichen Druck hin zu, Eizellenspenden von seinen Mitarbeiterinnen für Klonexperimente verwendet zu haben. Außerdem erhielten mehrere Frauen, die Gesundheit gefährdende Hormonstimulation für eine Eizellenspende auf sich genommen, 1300 Euro als „Aufwandsentschädigung“, so ein Mitarbeiter Hwangs. Die Frage, wie es um den Schutz der Frauen bestellt, die für Klon-Forscher Eizellen spenden, wird durch dieses prominente Geständnis umso brisanter.1 Dennoch werden Hoffnungen auf baldige Therapien für bislang unheilbare Krankheiten geschürt und damit Forderungen laut, ethisch „überzogene“ oder „restriktive“ Positionen zugunsten des allgemeinen Wohles der Menschheit aufzugeben. Sprich: Nationen wie etwa Deutschland sollten dem Beispiel Südkoreas folgen und ihr Klon-Verbot von Embryonen aufheben. Doch Widerstand gibt es genug, in vielen Ländern herrscht zu dieser Frage kein politischer Konsens. Allzu lange wollen die Klon-Forscher aber nicht mehr warten. Wohl auch deshalb waren die Schlagzeilen über neue Klonverfahren, wie sie im Oktober 2005 im Wissenschaftsmagazin Nature publiziert wurden, für Klon-Befürworter wie Wasser auf ihre Mühlen. Endlich habe man einen „Königsweg“ zu „ethisch unbedenklichen Stammzellen“ gefunden, hieß es in den Medienberichten. Man las von einer neuen Methode des „ethisch verträglichen Klonens“ und sprach von „annehmbaren Stammzellen für die Politik“. Ist es den US-amerikanischen Forschergruppen rund um Jaenisch (MIT) tatsächlich gelungen, eine ethisch saubere Version des Klonens menschlicher Embryonen zu finden? Oder sind die Studien doch nur eine Variante mehr der Vernichtung von Embryonen für Forschungszwecke? Jaenisch und sein Kollege Alexander Meissner vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge, Massachusetts, gehen bei ihren Experimenten mit Mäusen nach der „Dolly-Methode“ vor: Dabei wird der Kern einer Körperzelle des zu klonenden Individuums in eine zuvor entkernte Eizelle transferiert, die von einem Individuum derselben Spezies stammt. Aus dem entstehenden Klon, der dieselbe Erbinformation besitzt wie der Spender der Körperzelle, werden später die embryonalen Stammzellen gewonnen. Bei diesem Schritt muss der Klon-Embryo sein Leben lassen. Jaenisch und Meissner haben diesem Verfahren nun lediglich einen neuen Schritt hinzugefügt. Anders als bisher üblich griffen die beiden Forscher vor der Transferierung des Zellkerns in dessen Genom ein. Sie veränderten die Embryonen genetisch so, dass sie sich nicht mehr in die Gebärmutter einnisten können. Konkret wurde laut Nature dazu das Gen Cdx2 blockiert, das die Bauanleitung für Eiweiße enthält, die zur Bildung der äußeren Zellschicht notwendig sind, mit der sich der Embryo in der Gebärmutterwand einnistet. Aufgrund dieser Manipulation wäre der geklonte Embryo daher selbst dann nicht überlebensfähig, wenn er in eine Gebärmutter übertragen würde. Die gentechnisch veränderten Embryonen hätten zwar anders als normale Embryonen ausgesehen, aber dennoch Stammzellen gebildet, die sich im Reagenzgefäß zu unterschiedlichen Zelltypen wie Nervenzellen, Muskel- oder Darmzellen züchten ließen. Wie der Stammzellexperte Irving Weissmann von der Stanford University in Kalifornien in einem Kommentar für Nature schreibt, hätten Jaenisch und Meissner damit lebensunfähige Embryonen geschaffen, die ohne ethische Bedenken für medizinische Zwecke genutzt werden könnten. Genau das muss jedoch bei näherem Hinsehen in Frage gestellt werden. Ist ein Embryo nur deshalb nicht mehr schutzwürdig, weil ihm zuvor seine Fähigkeit, in einer adäquaten Umgebung heranzureifen, genetisch amputiert wurde? Was war er vorher? Beginnt das Leben eines Menschen erst dann, wenn sich der Embryo in der Gebärmutter einnistet? Oder noch später? Mit der Durchtrennung der Nabelschnur etwa, wie manche es definieren? Bis zu welchem Alter wird es nach Jaenisch und seinen Kollegen ethisch zulässig sein, einen Menschen überlebensunfähig zu machen? Im Grunde kommt die Abschaltung des Gens Cdx2 ethisch gesehen einer direkten Tötung eines noch nicht implantierten Individuums der Spezies Mensch gleich. Soll das wirklich ethisch vertretbar sein? Das US-Forscherteam schmückt sich mit einer – im Tierversuch erprobten – Methode, die sich den Anschein der political correctness gibt. In Wahrheit hat sie nichts an ethischer Brisanz verloren, wenn sie am Menschen angewendet wird.

Und die Art, wie die Klonmethode teils euphorisch von der medialen Berichterstattung aufgenommen wurde, lässt ahnen, dass der Druck auf Gesetzgeber, Klonverbotsbestimmungen zu lockern, leise, aber bestimmt wächst. Embryonale Stammzellen sind ein von Forschern begehrtes Rohstoffmaterial. Der „Stoff“, aus dem sie gewonnen werden, sind menschliche Embryonen, ob sie nun als Klon eines Erwachsenen hergestellt werden – wie bei der Dolly-Methode – oder als Klon aus einem Embryo gewonnen werden. Dass das Klonen von Embryonen in den meisten Staaten gesetzlich verboten ist, hat einen guten Grund: Bei der Entnahme der Stammzellen wird der Embryo zwangsweise zerstört. Chance auf ein Überleben wird ihm keine gewährt. Der Mensch dürfe nicht rein als Mittel zum Zweck hergestellt werden – auch wenn der Zweck noch so gut gemeint ist, nämlich aus den geklonten Embryonen Stammzellen zu gewinnen, die später für die Züchtung von Ersatzgewebe für die Transplantationsmedizin verwendet werden können. Das bei Transplantationen sonst übliche Problem, dass nämlich das dem Patienten immunfremde Gewebe abgestoßen wird, würde wegfallen, so die Überlegung. Reicht diese Absicht aus, um bewusst kranke Embryos zu schaffen, die dann als Ersatzteillager dienen sollen? Oder Embryonen zu splitten, wie es dem Forscher um Robert Lanza von der Biotechfirma „Advanced Cell Technology“ (ACT) in Worecester bei Mäusen gelang, dessen Arbeit ebenfalls von Nature publiziert wurde? Im Acht-Zell-Stadium wurde dem Mäuseembryo nach dem Verfahren der in Österreich und Deutschland verbotenen Präimplantationsdiagnose eine Zelle entnommen, allerdings nicht, um den Embryo einem Gencheck zu unterziehen, sondern um sie zu einem Stammzelllieferanten umzufunktionieren. Kein Embryo wurde geklont, kein Embryo vernichtet, sagt Lanza. Ethische Haken gibt es trotzdem: Zum einen schließen Wissenschafter nicht aus, dass die Entnahme einer Zelle im embryonalen Vier- oder Acht-Zellen-Stadium dauerhaft die gesunde genetische Entwicklung des Embryo stören kann. Ethisch bedenklich und medizinisch ineffizient ist zudem die Tatsache, dass so eine Therapie, falls sie sich überhaupt je etabliert, nur bei jenen Menschen angewandt werden könnte, die auf dem Weg der künstlichen Befruchtung entstanden sind. Nur noch im Labor hergestellte Menschen können maßgeschneiderte Stammzellen erhalten und maximal vom Gesundheitssystem profitieren. Die Vision einer Zweiklassengesellschaft, die man erst einmal so richtig zu Ende denken müsste.

Referenzen

  1. Einen ausführlichen Beitrag über den aktuellen Stand der Problematik der Eizellenspende und den damit verbundenen Gesundheitsrisiken für Frauen liefert Univ.-Prof. Dr. Gabriele Werner-Felmayr von der Medizinischen Universität Innsbruck in: Imago Hominis, Bd. 12, 3/2005, 207-215, „Menschliche Eizellen – Lebensspender, Hoffnungsträger und Handelsware“

Anschrift der Autorin:

Mag. Susanne Kummer, Imabe-Institut
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