Bioethik aktuell

Genome Editing: Ethiker fordert generationsübergreifendes Monitoring

Manipulation am Embryo zur Optimierung der künstlichen Befruchtung wird salonfähig

Lesezeit: 02:27 Minuten

© Fotolia_141880562_vchalup

Angesichts des Booms in der Genome-Editing-Technologie seien generationsübergreifende Studien dringend nötig. Dafür plädiert Bryan Cwik, Philosoph an der Portland State University in Oregon, im renommierten New England Journal of Medicine (2017; 377: 1911-1913, November 16, 2017, DOI: 10.1056/NEJMp1711000). Die Veränderungen der menschlichen Keimbahn träfen nicht bloß das Individuum, sondern auch alle seine Nachkommen (vgl. Bioethik aktuell, 6.3.2017). Daraus ergeben sich beispiellose Schwierigkeiten, denen man Rechnung tragen sollte, so Cwik. Er plädiert für ein „intergenerationales Monitoring“, das nicht nur für die erste Generation modifizierter Kinder, sondern auch für deren Kinder und Enkel notwendig sei. Subtile Folgen einer Keimbahn-Manipulation könnten erst nach zwei oder drei Generationen auftreten.

Mit dem molekularbiologischen Verfahren Crispr/Cas9 schneidet man krankmachende Teile des Erbguts weg. In der Forschung ist das Verfahren etabliert. Doch Krankheiten lassen sich damit nicht heilen (vgl. Bioethik aktuell, 6.9.2017) - und wesentliche ethische Fragen bleiben unbeantwortet. Die Zustimmung und Teilnahme mehrerer Generationen von Nachkommen sollte Bedingung für diese Versuche sein, Forscher sollten über mehrere Jahrzehnte Zugang zu medizinischen Schlüsseldaten für ganze Familien haben, so der Ethiker.

Sicherheit ist in der klinischen Anwendung zu Recht ein Hauptanliegen der Forscher, zumal auch eine geringe Anzahl negativer oder unbeabsichtigter Mutationen (sog. Off-Target-Effekte) im Rahmen des Genome Editing katastrophale Auswirkungen haben können. In der Praxis sieht Cwiks allerdings etliche Hindernisse: Wie können ungeborene Enkelkinder einer lebenslangen Überwachung zustimmen, die Bluttests, Untersuchungen und die Sammlung von genetischem Material miteinschließt? Einige Nachkommen wissen vielleicht gar nicht, dass ihre Vorfahren gentechnisch verändert wurden. Wenn sie später davon erfahren, könnten soziale und psychische Belastungen die Folge sein. Auch besteht ein Potential für Missbrauch, wenn Ärzte oder Forscher aus Gründen der Technikfolgenabschätzung befugt wären, Eltern dazu anzuhalten, ihr Kind von Geburt an medizinisch überwachen zu lassen.

Cwiks ist kein prinzipieller Gegner des Genome Editing. Anhand der praktischen Probleme positioniert er sich jedoch gegen eine klinische Anwendung: „Kein therapeutisches Potential kann die Durchführung von Experimenten mit Menschen rechtfertigen, solange der Schutz der Würde, des Wohlergehens und der Privatsphäre der Forschungsteilnehmer nicht gesichert ist.“

Der französische Neurobiologe Jean-François Bouvet kritisierte jüngst in Le Point (online, 14.11.2017) die „Trivialisierung genetisch veränderter Embryonen“. Während das erste Experiment einer Keimbahnveränderung im Jahr 2015, das von einem chinesischen Team durchgeführt wurde, noch Entrüstung ausgelöst hatte, verebbte mit zahlreichen weiteren Versuchen in den USA, Großbritannien und Schweden der internationale Protest. Nicht nur die Anzahl der Experimente nahm zu, auch das Ziel veränderte sich, so Bouvet. Anfangs ging es nur darum, ein defektes Gen zu korrigieren. Mittlerweile werden menschliche Embryonen manipuliert, um besser zu verstehen, welche Gene welche Rolle in der Embryogenese spielen (vgl. BBC News, online, 20.9.2017).

In einer vom Francis Crick Institute in Nature im Herbst 2017 publizierten Studie (550: 67-73, October 05, 2017) ging es beim Genome Editing nicht mehr um Krankheiten, sondern rein um Verbesserung der Erfolgsraten von künstlichen Befruchtungen.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: