Bioethik aktuell

Österreich: Scharfe Kritik an Liberalisierungs-Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes

Gesetzesentwurf schürt falsche Hoffnungen und bedient Interessen der Reproduktionsmedizin

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Bereits am 21. Jänner soll im Nationalrat über das neue Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) abgestimmt werden. Demnach sollen ab Frühjahr 2015 in Österreich auch Drei-Eltern-Kinder möglich sein (Eizellspende und Samenspende durch einen Dritten bei einer künstlichen Befruchtung) sowie die Selektion von Embryonen vor der Einpflanzung in die Gebärmutter (Präimplantationsdiagnostik), selbst wenn keine eindeutige genetische Vorbelastung der Eltern besteht. Außerdem sollen lesbische Paare via Samenspende und künstlicher Befruchtung ihren Kinderwunsch erfüllen können. Einzig die Leihmutterschaft und künstliche Befruchtung für Alleinstehende sowie homosexuelle Männer bleiben verboten.

Kaum ein Gesetz hatte der Regierung so viel Kritik eingebracht (vgl. Kathpress, Dossier Fortpflanzungsmedizin): Abgeordnete, NGOs und Kirchenvertreter sprechen geschlossen von einem „Husch-Pfusch-Gesetz“, das das Geschäft der Reproduktionsmedizin bedient (vgl. Pressemitteilung Plattform gegen die FMedG-Novelle, online, 18. 12. 2014), gleichzeitig aber die gesundheitlichen und psychischen Risiken von Eizellspende oder geplanter Vaterlosigkeit für Frauen und Kinder „komplett ausblende“. Auf der aus Anlass der FMedG-Novelle von der Lebenskonferenz eingerichteten Webseite berichten Betroffene über die Schattenseiten der Reproduktionsmedizin und ihren teils traumatischen Erfahrungen. Die Selektion von Embryonen hält der Wiener Philosoph Konrad Paul Lissmann für ein Zeichen von Optimierungswahn (Standard, online 9. 12. 2014). Auch Behindertenorganisationen fordern eine Rücknahme der Gesetzesvorlage.

Über die Protest-Webseite www.kinderbekommen.at können die Abgeordneten des Nationalrats bis 20. Jänner zu einem Aufschub und zu eingehender Debatte über diese weitreichende Regelung aufgefordert werden (vgl. Kathpress, online, 12. 1. 2015).

IMABE hat ausführlich zur geplanten FMedG-Novelle Stellung genommen (Stellungnahme zur Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes) und lehnt sie wie zahlreiche andere Expertengremien in der jetzigen Form ab (vgl. Parlament: Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015, 77/ME). Die Präimplantationsdiagnostik (PID) bedeute niemals Therapie, sondern reine Selektion und Vernichtung von Embryonen, was einer „modernen Spielart von Eugenik“ gleichkommt und den fundamentalen Schutzpflichten des Staates entgegensteht.

Mit der geplanten Zulassung nach drei Fehlgeburten ohne bekannte genetische Vorbelastung der Eltern wird außerdem suggeriert, dass die PID diese Fehler beheben könnte. Es gebe aber keinen wissenschaftlichen Beweis für eine höhere Erfolgsrate (Baby-Take-Home-Rate) nach PID. „Weltweit werden im Schnitt 33,7 Embryonen für eine Lebendgeburt nach PID verbraucht.“ Dahinter steht auch ein lukrativer Markt: Der PID-Test kostet rund 4.000 Euro. Ökonomische Interessen müssten hier offengelegt und „breit diskutiert“ werden, fordert IMABE.

Die Eizellspende schürt „unrealistische Hoffnungen auf ein Kind, wobei zugleich gesundheitsschädigende Nebenwirkungen für Spenderin, Empfängerin und Kind verschwiegen werden“. Durch die Aufwandsentschädigung - der Oberste Sanitätsrat empfahl 1.500 Euro als angemessen - wird der weibliche Körper kommerzialisiert. „Frauen, die gut informiert sind, werden diese Risiken nicht auf sich nehmen - außer, sie sind in finanzieller Not“, betont Susanne Kummer, IMABE-Geschäftsführerin. Die Ethikerin beklagt die mangelnde Aufklärung über geringe Erfolgsraten der künstlichen Befruchtung (IVF): „Für 85 Prozent der Frauen wird aus dem Traum ein Trauma: Sie können trotz mehrfacher Versuche einer IVF kein Kind bekommen.“

Stephanie Merckens, Juristin und Mitglied der Bioethikkommission, kritisiert ein „höchst kurzsichtiges Verständnis von Antidiskriminierung“. Die Eizellspende sei gegenüber der Samenspende mit wesentlich höheren gesundheitlichen, psychosozialen und Missbrauchs-Risiken für alle Beteiligten verbunden. Eine Ungleichbehandlung zur Samenspende sei daher „nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten“, so Merckens (vgl. Salzburger Nachrichten, online, 10. 12. 2014). Die Mehrheit der Kommission-Mitglieder hatte die Novelle begrüßt, unter ihnen der Genetiker Markus Hengstschläger. Er sieht gar sein „Lebenswerk“ in dem neuen Gesetz „vollendet“ (vgl. Kurier, online, 19. 11. 2014).

„Das Gesetz von heute bestimmt das persönliche Schicksal von Menschen über Generationen“, stellt IMABE klar und fordert Entschleunigung und eine grundlegende Überarbeitung der Novelle. IMABE fordert den Gesetzgeber deshalb auf, die Novelle zurückzunehmen und eine breite, ausgewogene gesellschaftspolitische Debatte in diesem ethisch hochsensiblen Bereich zu ermöglichen.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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