Bioethik aktuell

Public Health: Cannabis-Konsum schädigt Gesundheit von Jugendlichen

Ergebnisse aus 20 Jahren Forschung warnen vor Verharmlosung der Droge

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Cannabis wird vielfach als „weiche Droge“ und damit als harmlos eingestuft. Die Ergebnisse der bislang umfangreichsten Untersuchung von Risiken und Gesundheitsschäden durch Cannabis-Konsum sprechen eine andere Sprache. In einer in Addiction publizierten Meta-Analyse (DOI:10.1111/add.12703) werteten australische und britische Suchtexperten erstmals die Daten aus 20 Jahren Cannabis-Forschung aus. Das Ergebnis ist differenziert: Cannabis macht sehr schnell abhängig, verursacht psychische Probleme und bahnt den Weg zu harten Drogen. An einer „Überdosis“ Cannabis kann man allerdings nicht sterben, woher zum Teil auch das Image „harmlos“ stammt.

Laut Studienautor Wayne Hall, Suchtexperte und Berater der WHO sowie Direktor des Centre for Youth Substance Abuse Research an der University of Queensland, konnte die Gefahr der Abhängigkeit auch für Cannabis zweifelsfrei nachgewiesen werden. So entwickelt einer von sechs Jugendlichen, die regelmäßig Cannabis rauchen, Anzeichen einer Abhängigkeit sowie 10 Prozent der erwachsenen Konsumenten. Die Zahl der Cannabiskonsumenten, die von ihrer Sucht loskommen wollen, hat sich in den vergangenen 20 Jahren sowohl in den Vereinigten Staaten und Europa als auch in Australien erhöht. Der Konsum von Cannabis ist laut Europäischer Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Europa die Hauptursache, weswegen Patienten erstmals eine Drogenentzugsbehandlung aufgrund des Gebrauchs illegaler Substanzen antraten. Die Zahl der Erstbehandlungen stieg in den Jahren 2006 bis 2011 von 45.000 auf 61.000 an und stabilisierte sich 2012 bei 59.000 (vgl. Dtsch Arztebl Int 2015; 112(16): 271-8; DOI:10.3238/arztebl.2015.0271). In den Niederlanden, wo Cannabis vor 40 Jahren entkriminalisiert wurde, war bei 48 Prozent aller Holländer, die erstmals im Jahr 2011 professionelle Hilfe für einen Drogenentzug suchten, Cannabis das Problem.

Junge Menschen, die mehrmals wöchentlich oder täglich Cannabis konsumieren, haben insgesamt ein signifikant höheres Risiko für Erkrankungen. Dieses steigt, je niedriger das Einstiegsalter und je regelmäßiger der Konsum ist. Cannabis verdoppelt bei Jugendlichen das Risiko von Psychosen und Schizophrenie. Mit dem regelmäßigen Cannabiskonsum im Jugendalter sind außerdem die Risiken für Schulabbruch sowie kognitive Beeinträchtigung und Psychosen auch im Erwachsenenalter doppelt so hoch. Cannabiskonsum in der Adoleszenz bahnt außerdem häufig den Einstieg zum Konsum anderer illegaler Drogen. Laut Hall sei es aus bisher nicht bekannten Gründen für die Betroffenen schwieriger, von einer Cannabis-Sucht loszukommen als von Heroin: Es gibt Entzugserscheinungen wie Angst, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Depressionen.

Das Risiko, einen Autounfall zu verursachen, ist unter dem Einfluss von Cannabis doppelt so hoch wie in nüchternem Zustand. In Frankreich gehen laut Studie 2,5 Prozent der Verkehrstoten auf Cannabiskonsum zurück, zu hoher Alkoholkonsum ist für 29 Prozent verantwortlich. Laut Meta-Analyse existieren ernst zu nehmende Indizien dafür, dass das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, bei Cannabisrauchenden doppelt so hoch ist wie bei Personen, die kein Cannabis rauchen. Schließlich erhöht der Cannabiskonsum die Gefahr eines Herzinfarktes vor allem bei Menschen im mittleren und späteren Lebensabschnitt. Die erhöhte Depressivität unter Cannabisrauchern erscheint aber unspezifisch, denn sowohl Depression wie auch Cannabiskonsum dürften auf den gleichen Ursachen beruhen.

In Europa wurde Cannabis im Jahr 2013 von 5,3 Prozent (18,1 Millionen) der Bevölkerung konsumiert, wobei vor allem junge Menschen davon Gebrauch machen: 14,6 Millionen der Konsumenten waren im Alter zwischen 15 und 34 Jahren (vgl. Bioethik aktuell, 8.7.2014). Angesichts der zunehmend Hinweise für die negativen Auswirkungen des Cannabiskonsums und der Tatsache, dass die Legalisierung der Droge die Risiken speziell unter jungen Menschen erhöhen kann, warnt der Psychosozialmediziner David F. Fergusson von der University of Otago in Christchurch/Neuseeland davor, die Augen vor den Problemen zu verschließen. Er fordert in einem Kommentar (vgl. Addiction 2015; 110: 19-35), dass die Auswirkungen von Gesetzesänderungen in einigen US-Bundesstaaten sowohl auf individueller Ebene als auch aus Public-Health-Perspektive mit entsprechenden Studien untersucht und begleitet werden.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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