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Nähe statt Einsamkeit: Wie Schwerkranke und Sterbende besser betreut werden können

Traumatisierende Erfahrungen wie unter COVID-19 sollen in Zukunft vermieden werden. 

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Die Bedürfnisse von Schwerkranken, Sterbenden und ihren Angehörigen sind in den COVID-19-Krisenplänen oft ausgeblendet worden. In Zukunft müssen menschliche Nähe und palliative Betreuung auch in Zeiten einer Pandemie ermöglicht werden. Das betonen Wissenschaftler des deutschen Forschungsverbundes Palliativversorgung in Pandemiezeiten (PallPan). Sie haben dafür eine Nationale Strategie für die Betreuung von schwerkranken und sterbenden Men­schen und ihren Angehörigen in Pandemiezeiten vorgelegt (Zenodo, 23.6.2021 DOI: 10.5281/zenodo.5012504).

Schwerstkranke und sterbende Menschen, ob infiziert oder nicht, waren während der Corona-Pandemie von Besuchseinschränkungen ganz besonders betroffen. Viele blieben selbst in der letzten, oft schwersten Phase ihres Lebens allein. Darunter litten die Patienten, ihre Angehörigen, aber auch die Versorgenden. Dies zeigen die Ergebnisse aus 16 Studien, die 2020 und 2021 im Verbundprojekt PallPan mit mehr als 1.700 Personen durchgeführt wurden Befragt wurden Betroffene sowie auch Verantwortliche aus Gesundheitssystem und Politik. 

Als Antwort auf die schmerzlichen Erfahrungen der Corona-Pandemie hat PallPan einen Nationalen Strategieplan entwickelt. Herzstück bilden 33 Handlungsempfehlungen, wie im Falle künftiger Pandemien insbesondere Nähe am Lebensende ermöglicht werden kann. Diese gliedern sich in drei Abschnitte: „Patienten und Angehörige unterstützen“, „Mitarbeitende unterstützen“ und „Strukturen und Angebote der Palliativ­versorgung unterstützen und aufrechterhalten“.

Patienten und ihre Angehörigen wünschen sich laut Studienergebnissen vor allem Nähe am Lebensende auch in einer Pandemie. „Hierfür braucht es abgewogene Besuchsregelungen für Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, aber auch einen rechtlichen Rahmen, den die Politik schaffen muss. Einzelfallentscheidungen und klar definierte Ausnahmeregelungen haben sich als eine praktikable und hilfreiche Strategie bewährt und sollten überall genutzt werden“, heißt es aus dem Forschungsverbund.

„Palliativstationen dürfen in einer Pandemie nicht geschlossen werden, vielmehr sollten die ambulanten und stationären palliativmedizinischen Dienste für die notwendige Versorgung von schwerkranken und sterbenden Patienten arbeitsfähig bleiben und gegebenenfalls angepasst oder sogar erweitert werden“, betont Claudia Bausewein (LMU Klinikum München), Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und Koordinatorin des PallPan-Verbundes (vgl. LMU, online 23.6.2021).

Mitarbeiter in der Versorgung benötigen vor allem ausreichend Schutz vor Infektionen, aber auch grund­legende palliativmedizinische Kenntnisse und psychosoziale Unterstützung. „Auch in Pandemiezeiten stehen schwerkranken und sterbenden Menschen eine gute Symptom­behand­lung und würdevolle Be­glei­tung im Einklang mit dem Patientenwillen zu. Das gilt für Infizierte wie für Nicht-Infizierte. Hier brauchen die Versorgenden in der erhöhten Belastung einer Pandemie mehr Unter­stützung“, sagte Steffen Simon von der Uniklinik Köln, einer der beiden Koordinatoren des PallPan-Ver­bundes.

Der Forschungsverbund PallPan des Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu Covid-19, Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) besteht aus palliativmedizinischen Einrichtungen von 13 Universitätsklinken und widmet sich den Erfahrungen, Belastungen und Herausforderungen in der Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen in der aktuellen Pandemie.

Institut für Medizinische
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