Bioethik Aktuell

Suizidbeihilfe: Apotheker sollen nicht zur Abgabe von tödlichen Chemikalien verpflichtet werden

Deutsche Apothekerkammer will Gewissensvorbehalt standesrechtlich absichern

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Die Deutsche Bundesapothekerkammer (BAK) spricht sich klar gegen eine Abgabepflicht von tödlichen Präparaten zwecks Suizidbeihilfe aus. Es bestehe keine Verpflichtung für Apotheker, Präparate zum Suizid auszuhändigen oder Suizidwillige in der Apotheke zu beraten. Zwar hätten Apotheker einen Versorgungsauftrag mit Arzneimitteln – die Abgabe einer Chemikalie wie Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Selbsttötung sei davon aber nicht abgedeckt, heißt in einer aktuellen für das deutsche Gesundheitsministerium verfassten Stellungnahme (Apotheke Adhoc, online, 7.7.2020 ). Ob eine Apotheke eine solche Chemikalie abgibt oder nicht, stehe in der freien Entscheidung des Apothekenleiters, so die Standesvertretung, die einen Kontrahierungszwang ablehnt. In Deutschland anerkennt die Apothekerkammer im Gegensatz zu Österreich den Gewissensvorbehalt im Berufsbild des Apothekers an.

Ärzte, Pflegende, medizinisches Personal und Apotheker haben das Recht, aus Gewissensgründen gewisse Behandlungen zu verweigern. Dies zählt zu den Menschen- und Grundrechten eines freiheitlichen Rechtsstaates.Im Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention wird die Gewissensfreiheit als Grundrecht festgehalten. Das Europäische Parlament hat die Garantie auf Gewissensfreiheit im medizinischen Sektor in einer eigenen Resolution im Jahr 2010 festgehalten. Es werden jedoch zunehmend Tendenzen laut, den Gewissensvorbehalt von Mitarbeitern im Gesundheitswesen einzuschränken (vgl. Bioethik aktuell, 8.5. 2017). Weder in Deutschland noch in Österreich liegt eine gesetzliche Regelung für den Gewissensvorbehalt des Apothekers vor.

Die BAK hat auf diese Lücke nun offenbar präventiv reagiert: Im Raum steht angesichts des in Deutschland neu definierten Grundrechts auf Selbsttötung, dass auch Apotheker die Pflicht haben könnten, Betäubungsmittel zur Selbsttötung im Sortiment zu führen und an Ärzte, Angehörige oder Suizidwillige auszuhändigen. Das BAK äußert sich nicht explizit dazu, ob der Staat die Abgabe eines Mittels zur Selbsttötung regulieren sollte. Klar lehnt die BAK aber eine eventuelle zukünftige Abgabeverpflichtung oder die Einbindung eines Apothekers im Vorfeld der Entscheidung eines Suizidwilligen ab. Sie vertritt die Auffassung, dass der Staat seine Bemühungen vorrangig darauf richten sollte, die Begleitung der Patienten in der Palliativversorgung zu verbessern.

Das Verfassungsgericht hatte Ende Februar 2020 in Deutschland das geltende Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe gekippt. Die Richter sprachen sich für ein „Grundrecht auf Selbsttötung“ aus und auf die Mithilfe zum Suizid durch Dritte  - unabhängig von einer bestimmten Schwere einer Erkrankung (vgl. Bioethik aktuell, 25.3.2020 ). Der Richterspruch wurde scharf kritisiert und wirft zahlreiche rechtliche Fragen und Widersprüche auf (vgl. Stephanie Merckens zum deutschen Sterbehilfe-Urteil und seine Lehren für Österreich, in: Imago Hominis (2020); 27(2): 74-81). Über die konkreten gesetzlichen Bestimmungen zur Beihilfe zum assistierte Suizid wird in Deutschland derzeit intensiv debattiert.

Weiterführende Literatur: Enrique H. Prat, Der Gewissensvorbehalt des Apothekers aus sozialethischer Sicht, in: Imago Hominis (2008); 15(2): 155-167

 

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