Menschenklone – wer trägt die Folgen?

Imago Hominis (2001); 8(2): 105-119
Markus Schwarz

Zusammenfassung

Die bis vor kurzem noch utopische Möglichkeit der Klonierung von Menschen ist durch die Etablierung der Klonierung durch Kerntransfer bei Säugern (insbesondere Nutztieren) und durch konkrete Ankündigungen einzelner Proponenten in greifbare Nähe gerückt. Dieser Artikel will die technologischen Grundlagen, die potentiellen medizinischen Anwendungsgebiete und die Beweggründe der Befürworter beleuchten und zu einer differenzierten ethischen Beurteilung der Technologie des Klonierens beitragen. Das Aufzeigen und die Abschätzung von Folgen des Einsetzens dieser Technologie für unsere Gesellschaft wird in die ethische Beurteilung eingebunden.

Schlüsselwörter: Klonierung, Menschenklon, ethische Beurteilung des Klonierens am Menschen, produktives, therapeutisches, reproduktives Klonen

Abstract

Until recently the possibility to clone human beings was still considered utopic. However, the recent advances in the clone technology of mammals and specific claims by certain proponents of the cloning technology have made this possibility very likely. This article wants to give insight in the technology of cloning, the potential fields of application in medicine and the motivations of cloning proponents. This should give a reasonable basis for an ethical judgement on the technology of cloning. The assessment of possible risks and consequences of this technology for our society is also included in the ethical judgement.

Keywords: Cloning, human clones, ethical considerations on human cloning, productive, therapeutic, reproductive cloning



Die neuen technischen Möglichkeiten der modernen Biotechnologie und mit ihr der modernen Medizin scheinen viele bisher gültige Kriterien für die Beurteilung medizinischer Leistungen in Frage zu stellen. Und tatsächlich wurden viele Ärzte, aber auch Politiker und die Gesellschaft allgemein von diesen Entwicklungen überrascht. Eine fundierte und differenzierte Betrachtung der neusten Entwicklungen mit der Aussicht eines Tages Menschen klonen zu können, scheint fast unmöglich zu sein, da die Forschungsfortschritte medizinische Institutionen und den Gesetzgeber offensichtlich einfach überrollen.

Als einer der wichtigsten Entwicklungsschritte in diesem Zusammenhang ist sicherlich die Entstehung des „Klonschafes Dolly“ zu werten1, das 1997 die wissenschaftliche Welt in Banne zog. Seither scheinen sich die Ereignisse zu überschlagen und fast wöchentlich erreichen neue Berichte über Fortschritte in der Klontechnologie oder über Stellungnahmen zu diesem Thema die Schlagzeilen der Medien.2

Jüngst machte ein amerikanisches Ärzteteam von sich reden, das sich rühmte die ersten gentechnisch manipulierten Kinder auf die Welt gebracht zu haben.3 Tatsächlich versuchten sie, Gendefekte der Mitochondrien durch die Technik des Ooplasmentransfers zu behandeln, bei dem versucht wird, Gendefekte der mitochondrialen DNA (mtDNA) durch die Implantation von homologen Cytoplasma zu kompensieren. Wiederholt zog der italienische Reproduktionsmediziner Severino Antinori gemeinsam mit amerikanischen Kollegen um Richard Seed durch seine Ankündigung der Klonierung von Menschen als Therapie für unfruchtbare Paare anzubieten, die Aufmerksamkeit internationaler Medien auf sich.4 Auch der österreichische Marktführer im Bereich der künstlichen Befruchtung, Prof. Wilfried Feichtinger, unterstützte die Pläne Antinoris im Zuge seines in Rom veranstalteten „Klonierungskongresses“ in seiner Funktion als Präsident der Vereinigung privater Reproduktionskliniken.5

Die österreichische Bundesregierung sah sich daher gedrängt, eine Bioethikkommission ins Leben zu rufen, die laut Medienberichten just mit einem der führenden Reproduktionsmediziner Österreichs, also einem direkten Nutznieser und Propagenten dieser neuen Technologien, Prof. Dr.med. Dr.theol. Johannes Huber als Vorsitzendem besetzt werden soll.6 Im Zuge der Verteidigung der Position der „österreichischen Spitzenmedizin“ verlangt Prof. Huber demnach umgehend die Freigabe von menschlichen Embryonen für die medizinische Forschung.7

Bevor wir uns näher mit der Beurteilung dieser Entwicklungen auseinandersetzen wollen, sollten zunächst diese verschiedenen Ansätze der Klonierung des Menschen näher beleuchtet werden und die medizinischen Ziele, die hinter diesen Ansätzen stehen, betrachtet werden.

Verschiedene Ansätze für das Klonen von Menschen

Im Prinzip lassen sich verschiedene Ansätze für die Begründung bzw. die Indikationsstellung für das Klonen von Menschen feststellen. Klonen an sich, ist die Herstellung von identen Individuen als Methode der Vervielfältigung.

Die als reproduktives Klonen bezeichnete Methode setzt sich zum Ziel, verschiedenste Formen von Unfruchtbarkeit zu „therapieren“, die durch bereits bekannte Methoden der Fertilitätsmedizin (von Hormonbehandlung bis zu modernen Methoden der künstlichen Befruchtung) nicht behandelbar sind. Technisch gesehen wird dabei der Kerntransfer somatischer Zellen in Eizellen humaner oder heterogener Säugetiere durchgeführt.

Als Grundlage für die sogenannte „Stammzellentherapie“ erwarten sich einige Forscher einen Quantensprung in der modernen Medizin durch das produktive Klonen, das fälschlicherweise zumeist unter dem Begriff des therapeutischen Klonens firmiert. Mit Hilfe klonierter Embryonen erhofft sich die Wissenschaft einen Pool von Stammzellen zu schaffen, der für die „Verjüngung“ von ausdifferenziertem Gewebe Erwachsener herhalten soll. Diese neue Art von „Frischzellenkur“ soll neue Therapiemöglichkeiten für praktisch alle degenartiven Erkrankungen ermöglichen, da zugrundegegangenes Zellmaterial oder auch ganze Organe auf diesem Wege durch frisches, junges Zellmaterial ersetzt werden könnten. Das Klonen selbst, das auf dem Wege des Kerntransfers also des Austausches des Zellkerns bewerkstelligt werden soll, dient dabei jedoch selbst keinem therapeutischen Zwecke, sondern rein der Produktion von Zellmaterial für die angedachte Therapie. Aus mehreren differenzierten Geweben von Erwachsenen ist es bereits gelungen, pluripotente Stammzellen zu isolieren, die durch Ansiedelung in therapeutisch wichtigen Gebieten zur Erneuerung des geschädigten Gewebes eingesetzt werden konnten.8 In ersten klinischen Versuchen konnte man bereits eine funktionale Verbesserung der Herzleistung eines Patienten nach der Behandlung mit autologen, aus dem eigenen Muskelgewebe hervorgegangenen Stammzellen erreichen.9

Als das eigentliche therapeutische Klonen bezeichnet man die bereits angesprochenen Versuche, Schäden der mitochondrialen DNA durch einen Kerntransfer in ein gesundes Cytoplasma zu behandeln. Diese Einsatzmöglichkeit des Klonens besteht zur Zeit nur theoretisch, da – wie sich in den erwähnten Publikationen gezeigt hat – eine Behandlung dieser Gendefekte durch den Ooplasmentransfer einfacher möglich ist.

Biologische Grundlagen des Klonens

Am Beginn der heute verfügbaren Klonierungstechniken steht die Technik des somatischen Kerntransfers (siehe auch Tabelle 1). Diese Technik geht auf den deutschen Wissenschaftler Hans Spemann zurück, der bereits 1938 die Möglichkeit des Transfers des genetischen Materials von einer somatischen Zelle in eine entkernte Eizelle postuliert hat. Zwei amerikanische Entwicklungsbiologen aus Philadelphia, Robert Briggs und Thomas King, verwendeten diese Technik zuerst an Froschembryonen, deren Zellkerne in entkernte Froscheizellen transferiert wurden und wodurch einige Kaulquappen entstanden. Es dauerte bis in die sechziger Jahre bevor John Gurdon an der Oxford Universität in England zeigen konnte, dass auch spezialisierte Zellen aus dem Darm von Kaulquappen fähig sind, ein komplettes neues Individuum entstehen zu lassen. Diese Versuche zeigten zum ersten Mal, dass sich Zellen, die ein bestimmtes genetisches Differenzierungsprogramm eingeschlagen haben, wiederum in ihren „Urzustand“ als Embryo zurückverwandeln können. Das genetische Programm der Zelle ist also nicht eindimensional differenziert, sondern lässt sich auch nach einer bestehenden Programmierung wieder um- bzw. reprogrammieren.

Natürliches VorkommenBei wirbellosen Tieren (z.B.: Regenwürmern, Seesternen) Klonierung durch Körperteilung möglich
1952Kerntransfer bei Lurchen (Frosch) von embryonalen Stammzellen (BRIGGS & KING, Philadelphia)
1960Kaulquappen-Darmzellen als Quelle für genetische Information eines geklonten Frosches (GURDON, Oxford)
1977Kerntransfer bei Säugetieren (Mäuse) zum ersten Mal gezeigt (Karl ILLMENSEE, Innsbruck, nicht wiederholt)
1983künstliche Zwillingsbildung beim Menschen durchgeführt, um „Diskussion in Gang zu bringen“ (HALL, STILMANN, Chicago)
1987Erstes transgenes Schaf für Medikamentenproduktion durch Kerntransfer von embryonalen Stammzellen (PPL Therapeutics, Schottland)
um 1990Klonierung von embryonalen Zellen mittels Kerntransfer von: Mäuse, Rinder, Schweine, Hasen
1995Klonierung von Zellen aus embryonlaen Zellkulturen – Megan & Morag (PPL Therapeutics, Schottland)
1995Klonierung von Zellen aus Schaffeten (Ian WILMUT, PPL Therapeutics, Schottland)
1996Klonierung eines erwachsenen Schafes – Dolly, Rate 277:1 (Ian WILMUT, PPL Therapeutics, Schottland)
1997Doppelter Kerntransfer in Rinderfeten (ABS Global Inc., Wisconsin, Rate: 15:1)
1997Klonierung eines transgenen Fetus für die Produktion eines Gerinnungsfaktors (Faktor IX) – Polly & Molly (SCHNIEKE, PPL Therapeutics, Schottland)
199850 Mausklone aus erwachsenen Mauszellen mit „schlafenden“ Zellinjektionen aus Cumulus Zellen (University of Hawaii)
1999Zielgerichtete Genveränderung beim Schaf mit alpha-1-antitrypsin - Cupid & Diana (KIND, PPL Therapeutics, Schottland)
2000Schafe, Ziegen, Schweine, Mäuse werden aus differenzierten Zellen geklont10
2001Erste „transgene“ Menschen durch Ooplasma Transplantation (St. Barnabas Institute, New Jersey)
Tabelle 1: Entwicklung der Technik des Klonens

Die Entwicklungsphysiologie von Lurchen – wie den angesprochenen Fröschen – ist jedoch in ihrer Komplexität nicht vergleichbar mit Säugetieren. Doch bereits in den 70iger Jahren konnte ein Österreicher, Karl Illmense in Innsbruck den Nachweis erbringen, dass die Technik des Kerntransfers auch bei Säugetieren, in seinem Falle Mäusen, funktioniert. Er konnte Zellkerne aus Mäuseembryonen in entkernte Eizellen transplantieren und damit Klone, also genetisch idente Individuen, dieser Embryonen erzeugen. Da sein Experiment jedoch kurzfristig nicht in anderen Forschungsstätten wiederholbar war, schwand das Interesse an dieser neuen Technik in der Säugetierbiologie.

Zu Beginn der 90iger Jahre gab es wiederum magere Erfolge im Rennen um die erste Klonierung eines Säugetiers. Bis dahin konnten durch Kerntransfer von Embryonalzellen Klone von Mäusen, Kühen, Schweinen, Hasen und Schafen erzeugt werden, jedoch mit der entscheidenden Limitation, dass die klonierten Individuen nur aus Embryonalzellen aus den frühesten Stadien entstanden sind, ohne deren Phänotyp im erwachsenen Zustand zu kennen.

In den 90iger Jahren trat auch eine schottische Firma mit dem Namen PPL Therapeutics auf den Plan, mit dem Ziel, durch moderne Biotechnologie die Produktion von Medikamenten und die Aufzucht von Nutztieren zu revolutionieren. Wissenschaftler dieser Firma gelang es letztendlich auch, eine Reihe von Voraussetzungen für das Klonen von erwachsenen Säugetieren grundzulegen (siehe Abbildung 1).

1995 wurde in diesem Institut zum ersten Mal der Kerntransfer von Schafzellen, nicht nur aus frischen embryonalen Zellen, sondern auch von Zellkernen aus kultivierten Embryonalzellen durchgeführt.11 Diese Zellen wurden aus einem 9 Tage alten Schafembryo gezüchtet und über Tage in Kultur gehalten. Die Bedeutung dieser Entdeckung beruht auf der neuen Möglichkeit, aus einem einzigen Embryo plötzlich eine Vielzahl von Klonen herstellen zu können, da die Zellkultur praktisch ad infinitum expandierbar ist. Zwei Lämmer, unter den Namen Megan und Morag bekannt, erblickten in diesem Sommer das Licht der Welt und bewiesen die Möglichkeit der Reprogrammierung von differenzierten Zellen auch bei Säugetieren.

Im selben Jahr gelang den Forschern die Klonierung eines Schafes aus fetalen Zellen (Fibroblasten) und im Jahr darauf die weltweit aufsehenerregende Klonierung eines Schafes aus den Zellen eines erwachsenen Individuums – Dolly war geboren. In der Fortführung der Versuche zur Klonierung eines erwachsenen Individuums gelang es den schottischen Wissenschaftlern sodann auch, Klone von genetisch manipulierten Schafen herzustellen, die in der Muttermilch das Protein für den humanen Gerinnungsfaktor IX sekretieren – ein Schaf namens Polly entstand.13 Diese Entwicklung ermöglicht es nun, die sehr aufwendige genetische Manipulation und Einbringung des menschlichen Gens, das für bestimmte therapeutische Proteine kodiert, für eine Vielzahl von Individuen zu erhalten und die Produktion dieser transgenen Tiere industriell voranzutreiben.

Entscheidend für den Erfolg der modernen Klonierungstechnik ist die optimale Reprogrammierung der differenzierten Zellen in einen sogenannten „Schlafzustand“ (G0), in dem das genetische Programm sozusagen auf den Urzustand rückgeführt und dadurch die völlige Neuorientierung des genetischen Programms ermöglicht wird. Die Möglichkeit dieser Reprogrammierung wirft de facto eine Reihe geltender biologischer Grundsätze über den Haufen, sodass sich erneut die Frage nach der biologischen Definition des Lebens stellt. Wie bisher scheint es zwar relativ leicht bestimmbar zu sein, ob ein bestimmtes Individuum lebt oder nicht lebt, jedoch ist das Geheimnis, das sich hinter der Entstehung bzw. dem Anstoß zu neuem Leben verbirgt nach wie vor völlig ungeklärt. Die Klonierung von Dolly und ihren „Verwandten“ zeigte aber auch, dass Fortpflanzung von Säugetieren nicht nur über die sexuelle Reproduktion zweier Keimzellen (Gameten) und der damit einhergehenden genetischen Rekombination möglich ist, sondern auch durch die Fusion des genetischen Materials eines Zellkerns mit dem Cytoplasma einer anderen Zelle. Die Folgen dieser Entdeckung sind heute noch unabsehbar, aber eine Reihe von biologischen Schwierigkeiten lässt sich bereits absehen. In mehreren Berichten sprach man bereits von den Versuchen, menschliche Zellkerne mit dem Ei-Cytoplasma von Säugetieren zu verschmelzen, um so die absehbaren Engpässe in der Verfügbarkeit menschlicher Eizellen zu umgehen.14 Hierbei ergibt sich biologisch nicht zuletzt das Problem, inwieweit sich die mitochondriale DNA anderer Säugetiere mit der genetischen Information des menschlichen Zellkerns verträgt. Eine bis dato zum Glück unbeantwortete Frage. Bei der Verschmelzung des Zellkerns (und umliegendem Cytoplasma) mit einer entkernten Eizelle kommt es auch zur Verschmelzung von zwei verschiedenen mitochondrialen DNAs. Auch hier ist noch nicht bekannt, wie sich dieser doppelte mtDNA Satz miteinander verträgt.

Die Effizienz der Methode des Kerntransfers zeigt nach wie vor, wie wenig man über die zugrundeliegenden Mechanismen der Entstehung neuen individuellen Lebens weiß. Bei Dolly waren insgesamt 277 Versuche notwendig, bevor eine erfolgreiche Schwangerschaft erzeugt werden konnte. Inzwischen konnte diese Erfolgsrate bei Mäusen auf immerhin 15:1 erhöht werden. Noch immer entsteht eine unheimlich große Anzahl von Missbildungen, die vom sogenannten Riesensyndrom bis zu extremen Missbildungen interner Organe reichen und die wiederholt zu Spontanaborten führen.15

Diese Misserfolge sind sicherlich die gewöhnlichen Anfangsschwierigkeiten einer neuen Technologie, die im Bereich der pharmazeutischen Forschung – im Rahmen der gebotenen Vorsicht im Umgang mit biotechnologisch erzeugten Pharmazeutika – und der Veterinärmedizin – unter Einbeziehung des gebotenen Tier- und Artenschutzes – bestimmt zu einer spannenden Entwicklung führen wird.

Anwendung der Klonierungstechnik am Menschen

Wie sieht nun aber die Beurteilung der Anwendung dieser Technik am Menschen aus? Zunächst wenden wir uns, um diese Frage im Detail beantworten zu können, den möglichen Anwendungsgebieten des Klonens von Menschen zu. Bis heute ist noch kein Bericht über den erfolgreichen Versuch einer Klonierung veröffentlicht worden, obwohl eine Reihe von Personen und Gruppierungen ihr reges Interesse an der Durchführung dieses Unterfangens bekundet haben. Dazu zählen Einzelpersonen wie ein Severino Antinori aus Rom und Richard Seed aus den Vereinigten Staaten16, die schon vor Monaten mit der Ankündigung in die Öffentlichkeit gingen, das Projekt der Klonierung des Menschen in die Tat umsetzen zu wollen. Aber auch eine amerikanische Sekte mit dem Namen Raelianer verfügt bereits über ein Heer von Leihmüttern und die nötigen Finanzmittel, um ein verstorbenes Mitglied als Klon wiedererstehen zu lassen. Daneben haben aber wenige Insider der Reproduktionsmedizin ihre Zweifel zum Ausdruck gebracht, dass das Klonen von Menschen unmittelbar bevorsteht und nur mehr eine Frage der Zeit und Ressourcen darstellt, aber keine prinzipielle Frage mehr ist.

Welche Vorstellungen verbinden nun diese Projekte mit dem Klonen von Menschen?

In einer globalisierten Welt der freien Marktwirtschaft steht natürlich zunächst einmal ein massives wirtschaftliches Interesse hinter einer neuen Klon-Technologie. Laut einer Einschätzung des Economists beträgt alleine der Markt für eine potentielle Technologie für die Selektion des Geschlechts des Kindes etwa US$ 200 Millionen. Einzelne Institute in den USA bieten eine solche Technik bereits für rund US$ 3.000 an. Die Industrie der Reproduktionsmedizin benötigt die Technik des Klonens als weiteres Instrument neben den entwickelten Technologien der IVF, FIVET (Fertilisierung in vitro und Embryonentransfer), ICSI (Intracytoplasmatische Spermieninjektion) und PID (Präimplantationsdiagnostik) zur Komplettierung ihres Repertoires zur Befriedigung diverser Kundenwünsche und Anforderungen. In diesem Sinn steht das Klonen durch Kerntransfer am Ende eines Arsenals der Möglichkeiten zur Erfüllung des Kinderwunsches von unfruchtbaren Paaren. Als weiteres Marktsegment eröffnet sich durch die Klonierung aber auch die Möglichkeit der Weckung eines Kinderwunsches bei Paaren oder Personen, die bisher von Nachkommenschaft ipso facto ausgeschlossen waren: bei homosexuellen Paaren und Singles. Das Produktportfolio von Reproduktionskliniken lässt sich durch das Klonen aber auch auf völlig neue Produktqualitäten ausdehnen: Nach Einschätzung verschiedener mehr oder weniger populärwissenschaftlicher Publikationen kann durch das Klonen die Möglichkeit geschaffen werden, verstorbene Kinder oder Partner – wieder aufleben zu lassen oder infertilen Ehepaaren, die etwa durch einen Unfall komplett zeugungsunfähig geworden sind, doch noch zu körpereigenem Nachwuchs zu verhelfen.17 

Auf der medizinisch therapeutischen Seite erhofft man sich durch das Klonen die Vermeidung von Erbkrankheiten, indem z. B. eine Erbkrankheit in einer Familie dadurch bekämpft wird, dass nur der erbkrankheitsfreie Partner zur Klonung des Nachwuchses beiträgt. Alternativ könnte durch das Klonen erstmals die Möglichkeit geschaffen werden, durch eine vollständige Gentherapie, die auch die Keimzellen einschließt (Keimbahntherapie), zur Ausrottung von Erbkrankheiten beizutragen. Im Sinne der Verwendung von Embryonen für die medizinische Therapie erhofft man sich vor allem durch die Aufbereitung embryonaler Stammzellen aus geklonten Patienten eine Frischzellentherapie für geschädigte oder erkrankte Organe. Dies führt bei vereinzelten Autoren bis zur Idee eines eigenen Ersatzteillagers für erkrankte Organe, die zur Transplantation optimal, da genetisch ident, verwendet werden könnten.

Wie abstrus ein Teil dieser vorgeschlagenen Anwendungen des Klonens auch klingen mag, so darf man nicht vergessen, welch starke Motivationsfaktoren hinter der Umsetzung dieser Ideen stehen: Einerseits verspricht die Umsetzung dieser Technologien nicht unbeträchtliche monetäre Resultate. Zweitens tun sich alle Gegner dieser Vorschläge in unserer individualisierten Gesellschaft schwer, dem Fortschritt und den Heilsversprechungen moderner Technologien entgegenzusetzen, da ja drittens die Angst vor dem Tod und das Versprechen der relativen Unsterblichkeit den derzeit herrschenden, gesellschaftlichen Konsens gegen das Klonen sehr leicht umwerfen könnte. Die Mobilisierbarkeit der Gesellschaft für diese sensiblen Themen zeigt sich ja gerade zur Zeit bei der Debatte um die Euthanasie, die aus einer individualistischen Sichtweise den Rechten und den Bedürfnissen des Individuums auf Selbstbestimmung zutiefst entgegenkommt.

Nicht zu übersehen ist dabei auch der politische Faktor, der es gerade in den USA aufgrund der kasuistischen Rechtsauffassung und der Schwierigkeit bundesstaatlich einheitlichen Regulierungen durchzusetzen, fast unmöglich ist, diese Entwicklungen zu verhindern. Auch die anfänglichen Entwicklungen der Euthanasiebestrebungen im amerikanischen Bundesstaat Oregon konnten nur durch den juristischen Ausweg über die missbräuchliche Verwendung von bundesstaatlich geregelten Medikamenten unterbunden werden.18 Falls die Technologie des Klonens in den USA etabliert wird, bedarf es sicherlich massivster Anstrengungen der europäischen Lebenskultur, um ein Überschwappen dieser Entwicklung auf Europa zu verhindern. Das seinerzeitige Moratorium zur Finanzierung von Forschungsvorhaben zur Klonierung des Menschen der US Regierung wurde bereits aufgeweicht und sogar das staatliche National Institute of Health (NIH) in Bethesda ist voll in die Erforschung der Klonierung zur embryonalen Stammzellgewinnung eingestiegen.19

Klonierung des Menschen: Scheidung der Geister

Mit dem Aufkommen der Diskussion um die Klonierung des Menschen – und gewiss auch in Zusammenhang mit der anhaltenden Euthanasiedebatte – scheint sich eine neue Front in der Bewertung und im Umgang mit menschlichem Leben zu bilden. Es gilt nicht mehr der alte Gegensatz zwischen dem Individuum und dem Kollektiv, sondern eine neue Polarisierung zwischen Wirtschaft und Kultur entsteht, hinter der sich eine diametral entgegengesetze Auffassung vom menschlichen Leben befindet. War bislang eine Auflösung des übersteigerten Individualismus und Kollektivismus durch die subsidiären Prinzipien der einzelnen Gesellschaftsebenen möglich, die letztendlich auf den Menschenrechten der Gleichberechtigung und des Rechtes auf Leben als eigentümliches Privileg des Menschen aufbauten, so entsteht in diesen Tendenzen eine unüberbrückbare Konfrontation zwischen einer Menschenrechtsauffassung, die auf dem intrinsischen Wert des Lebens beruht, und einer Auffassung, die dem menschlichen Leben nur mehr utilitaristischen Wert beimisst. Die Folgen dieser Einstellung sind offensichtlich: das Lebensrecht des Menschen wird bewusst den Interessen anderer untergeordnet. Was bisher bei der Abtreibung und bei der IVF nur indirekt impliziert wurde, wird durch das Klonieren und die Euthanasie direkt angestrebt: die Nutzbarmachung menschlichen Lebens für das Wohl einer privilegierten Schichte. Nicht zuletzt aus diesem Grund war das Heraufbeschwören der Eugenik und Euthanasiebestrebungen des Dritten Reiches in diesem Zusammenhang gerechtfertigt. Die zugrundeliegende Ideologie, die diese Entwicklungen heute begünstigt, steht auf den gleichen Grundlagen, auch wenn die Radikalität und Brutalität im Vorgehen klare Unterschiede zeigt.

Es ist daher zu hoffen, dass durch die gegenwärtige Diskussion auf diesen beiden Gebieten ein neues Bewusstsein für die Auseinandersetzung mit den grundlegenden Menschenrechten geweckt wird und letztendlich eine Neuentdeckung der Kultur des Lebens entsteht, die bewusst diese Entwicklungen zurückweist und bereits begangene Pfade neu überdenkt.20

Ethische Auseinandersetzung mit dem Klonieren des Menschen

Die ethische Argumentation im Bezug auf das Klonen des Menschen kann nur in der Betrachtung der beteiligten Personen stattfinden. Gerade die Komplexität der beteiligten Interessenslagen und die Vielfältigkeit der Motivationen der passiv und aktiv Handelnden bedarf einer differenzierten Analyse (siehe Tabelle 2).

SubjektEthische ArgumenteMögliche Folgewirkungen
Embryo1. Würde/Lebensrecht des Embryos
2. Instrumentalisierung des Embryos
3. Gleichberechtigung
Weiterer Abbau des Lebensschutzes durch Verfügbarkeit menschlichen Lebens
Menschenklon1. Recht auf Gleichbehandlung
2. Kopie-Sein des Klons widerspricht Menschenwürde
Erwartungshaltung gegenüber Klonmensch
Relativiertes Lebensrecht
Eltern1. Trennung von Zeugungs- und Liebesakt
2. Mensch ist Frucht der Liebe
Ökonomische Qualitätskriterien treten in den Vordergrund
MutterInstrumentalisierung der Frau als Eizellspenderin und GebärmutterWeitere Verschärfung der Unterdrückungssituation der Frau
FamilieFamilie als Grundzelle der Gesellschaft in Frage gestelltAuflösung familiärer Bande und damit von Erfahrungsmöglichkeiten des Vertrauensverhältnisses
GesellschaftUtilitaristischer Ansatz in der Zeugung von MenschenReduktion des Menschen auf biologische Qualitätsmerkmale
Medizinische ForschungDemiurgische Entartung der ForschungSzientistische Tyrannei
PolitikRückführung der politischen Entscheidung auf die MenschenwürdeUtilitarismus in politischer Form
Tabelle 2: Ethische Argumente gegen das Klonen

Perspektive des Embryos als geklonter Mensch

Es würde in diesem Zusammenhang zu weit führen, die gesamte Argumentation zur Schutzwürdigkeit und zum Lebensrecht des Embryos darzustellen.21 Ähnlich wie bei der IVF zeigt jedoch die Manipulation des Embryos im Rahmen der Klonierung und insbesondere beim Kerntransfer klar, dass durch den Umgang mit dem Embryo im Reagenzglas und als Zellkultur sein Lebensrecht auf grobe Weise verletzt wird. Kein Erwachsener würde sich freiwillig denselben Risiken und Überlebenswahrscheinlichkeiten aussetzen, denen der Embryo während der Manipulation und Selektion unterworfen ist. Angesichts des derzeitigen Standes der Forschung ist darüber hinaus davon auszugehen, dass alle Versuche des Klonens eines menschlichen Embryos als Experimente zu werten sind, die gegen alle Richtlinien für Versuche am Menschen verstoßen würden. Im Falle der Herstellung von Embryonen zur Verwendung bei der Stammzelltherapie kommt noch dazu, dass diese instrumentalisiert werden, weil sie ausschließlich aufgrund ihrer Nützlichkeit für Andere erzeugt und wieder verworfen werden. Ein Embryo wird für die Verwendung bei der Stammzelltherapie nicht nur umprogrammiert, sondern durch die Zerlegung der Blastomere in Einzelzellen vorsätzlich zerstört.22 Sowohl die Instrumentalisierung, als auch die vorsätzliche Tötung widerspricht der Würde, die menschlichem Leben zu eigen ist.

Der geklonte Mensch

Auch der klonierte Mensch wird als Erwachsener in weitem Ausmaß seines Rechts auf Individualität und Gleichberechtigung beraubt. Das Spezifische des klonierten Menschen ist ja gerade, dass er nicht aufgrund seiner selbst willen gezeugt und geboren wurde, sondern wegen seines „Kopie-Seins“. Nur aufgrund der deterministischen Entscheidung Anderer wurde sein Lebensrecht ermöglicht, wodurch sich unvorhersehbare Folgen für die psychische und soziale Konstitution des geklonten Menschen ergeben können. Jeder Geklonte wird unzähligen Erwartungen, Hoffnungen und Anforderungen unterliegen, die sich aus seinem Geklontsein ergeben und seine persönliche Subjektivität (ganz anders als bei gleichzeitig aufwachsenden Zwillingen) beeinträchtigen. Auch ein mögliches Stillschweigen über die Herkunft einer Person hat sich schon im Bereich der Adoptionspraxis als nicht praktikabel erwiesen und würde die Abhängigkeit der geklonten Person vom Gutdünken Anderer noch weiter erhöhen.

Natürlich muss man in diesem Zusammenhang auch klarstellen, dass die somatische Verfassung der geklonten Person keinen Einfluss auf ihre eigene Menschenwürde haben kann. Neben der somatischen Ebene sind die psychologische, ontologische und soziologische Realität konstitutiv. Eine geklonte Person hat aber keine wie immer geartete Identitätsüberschneidung mit ihrem Kernspender und ihre volle Rechtsfähigkeit und Verantwortlichkeit gegenüber all ihren Handlungen bleibt bestehen. Die Tatsache der Klonierung stellt jedoch eine nicht unbedeutende Belastung für die verschiedenen Ebenen des Menschseins dar. Die biologische Identität des Geklonten ist daher nicht mit der persönlichen Identität gleichzusetzen.

Perspektive der Eltern des geklonten Menschen

Wie bereits mehrfach für die künstliche Befruchtung dargelegt, stellt auch das Klonen eine tiefe Verletzung der menschlichen Grundgeborgenheit als gezeugtes Kind zweier Eltern dar.23 Die Verlegung des menschlichen Zeugungsaktes aus der ehelichen Liebesvereinigung in die Kälte der biotechnischen Labors beraubt den menschlichen Nachwuchs seines konstituierenden Bedürfnisses nach Geborgenheit und Liebe. Die Loslösung der menschlichen Fortpflanzung von der menschlichen Liebe zwischen Mann und Frau und von dem Bewusstsein als Frucht der reziproken Liebe angenommen zu sein, kann die Wurzeln der kindlichen Entwicklung untergraben und somit weitreichende Auswirkungen auf das gesellschaftliche Gefüge nach sich ziehen.

Gerade in diesem Aspekt offenbart sich der radikale Auffassungsunterschied zwischen der utilitaristischen Herstellung eines industriellen Produktes durch das Klonen und dem Leben, als Geschenk und Frucht der Liebe.

Instrumentalisierung der Mutter

Das Klonen greift erneut das Bestreben der Frau in unserer Gesellschaft nach Gleichberechtigung und vollwertiger Würde an, indem die Frau als Eizellenspenderin und Gebärmutter instrumentalisiert wird, eine Tätigkeit, die nur mehr als Übergang zur Erfindung der künstlichen Gebärmutter betrachtet werden muss. Es ist geradezu symptomatisch, dass von allen Paaren, die sich von Severino Antinori klonen lassen wollen, nur die Männer als Zellkernspender in Frage kommen, und bei den amerikanischen Realianern bereits 50 Leihmütter bereit stehen, um ein männliches Unfallopfer wiedererstehen zu lassen. Wie auch bei den geklonten Menschen ergeben sich durch die Technologie des Klonens und die damit verbundenen Mechanismen neue Abhängigkeiten und bestehende Herrschaftsverhältnisse werden verstärkt.

Auflösung der Familie

Die Technologie des Klonens eröffnet auch neue Wege für die weitere Schwächung der Institution Familie in unserer Gesellschaft. Das Klonen stellt die bisher weitestgehende Ausklammerung der Zweigeschlechtlichkeit als Basis für den Fortbestand unserer Zivilisation dar. Die Familie wird in diesem Zusammenhang weiter in die Position einer von vielen möglichen Lebensformen zurückgedrängt und nicht mehr als die notwendige Keimzelle für die Gesellschaft verstanden, die aufgrund ihrer innersten Funktion als Ort der Wertevermittlung und sozialen Anbindung die Basis unserer Gesellschaft bildet. Die Verdrängung der Fortpflanzung in einen industriellen Prozess löst entscheidende Prägungsereignisse auf und verweist sinngebende Beziehungen wie Elternliebe, Kindesliebe, Familienbande auf die Ebene von Gefühlsduseleien. Es wird dadurch die Überzeugung gefördert, dass der Wert einer Person nicht mehr von seiner persönlichen Identität abhängt, sondern von seinen biologischen Eigenschaften und Qualitäten, die normiert und selektiert werden können.

Bewahrung vor demiurgischer Entartung der Forschung

Auch für die Forscher selbst gilt es, das Klonen als einen Scheideweg auf ihrer Suche nach Wahrheit und nach Lösungen für die Probleme der Welt von heute zu erkennen. Die große Gefahr der Forschung im Bereich des Klonens liegt in der Leugnung der Kreatürlichkeit des Menschen und der Aussicht auf eine Erhöhung der Freiheit des Menschen durch die Realisierung des Machbaren. Zur Wiederherstellung der Würde der Forschung bedarf es der Übereinstimmung der Ziele der Forschung mit den unverzichtbaren Grundwerten der menschlichen Gesellschaft. Ohne diese Rückbindung an die Würde des Menschen selbst wird jede Forschung am und mit den Menschen zur szientistischen Tyrannei ausarten und den Menschen und die Forschung selbst zu Sklaven ihrer eigenen Entdeckungen machen.

Weiters stellt sich für die medizinische Forschung am Beginn des neuen Millenniums die Frage, ob die Erforschung des Klonens des Menschen tatsächlich das vordringlichste Problem der Menschheit ist, das einer Lösung bedarf, oder ob nicht ideologische und machtpolitische Gründe diese Forschung forcieren. Gerade in diesem Zusammenhang sei erneut auf die großen Erfolge der Entwicklung der Stammzelltherapie mit adulten Stammzellen bzw. Stammzellen aus dem Nabelschnurblut verwiesen, die in den letzten Monaten erzielt worden sind.

Auftrag an die Politik

Nicht zuletzt steht mit der Diskussion um das Klonen auch das Selbstverständnis der Politik in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft auf dem Spiel. Das Projekt der Klonierung zu stoppen, gehört in diesen Zeiten zu den aktuellsten Zielen einer wahrhaft demokratischen Politik, die nur Bestand haben wird, wenn die Menschenwürde aller ohne Unterschied bedingungslos akzeptiert wird. Erst diese gemeinsame Grundlage in der Menschenwürde, die auch durch die Menschenrechte und zig andere Deklarationen bestätigt wurden, ermöglicht die Freiheit jedes Menschen in einer Demokratie, unabhängig von Rasse, Religion, Bildungsstand, aber vor allem auch unabhängig von seiner Lebensphase als Embryo oder terminal Kranker und unabhängig von seiner genetischen Konstitution. „In der menschlichen Klonierung wird die Voraussetzung zum Einsturz gebracht, die für jedes menschliche Zusammenleben nötig ist: die Grundbedingung, den Menschen immer und überall als Ziel und Wert und niemals nur als reines Mittel oder bloß als Objekt zu behandeln.“24

Ausblick in eine ungewisse Zukunft

Es gilt also, dem Klonieren von Menschen in seiner Wurzel den Boden zu entziehen. Die große Gefahr besteht darin, die letzten Ziele der Klonierungsbefürworter zu übersehen und auf die emotionalisierenden Argumente einzugehen, die eines gewissen Zynismus nicht entbehren.25 Die oftmals angewendete Salamitaktik scheint auch beim Thema Klonen Früchte zu tragen, wenn man den Medienberichten zu den Stellungnahmen der politischen Parteien zum Thema Embryonenversuche (die letztendlich nur das Klonen im Sinne haben) Glauben schenken kann. Die Argumente sind eigentlich immer dieselben: Das Spiel mit dem Leid Einzelner und der Appell an die Freiheit der Forschung bzw. des Individuums.26

Der Eindruck lässt sich jedoch nicht verwehren, dass diese Argumente wiederum nur vorgeschützt werden, um die eigentlichen Interessen zu verbergen. Das Klonen und die Forschung mit Embryonen kann bis heute noch keine einzige Therapie vorweisen, die das Experimentieren und das Herstellen von Klonen rechtfertigen würden. Im Gegenteil zeigen die beeindruckenden Fortschritte auf dem Gebiet der adulten Stammzellforschung weit bessere und erfolgsversprechendere Aussichten. Es liegt also offensichtlich an den Befürwortern der Embryonenversuche, zu beweisen, warum sie auf diese Forschung nicht verzichten wollen. Genauso ist es nicht erklärbar, warum gerade auf dem Gebiet der Fertilitätsforschung, aber auch in die Promotion der Adoptionsmöglichkeiten so wenig Geld fließt, wenn man um die Bedeutung der künstlichen Befruchtung und anderer Reproduktionstechnologien in diesem Zusammenhang weiß.

Das Gebiet der Medizin ist wahrlich heutzutage so weit, dass die Spitzenposition der österreichischen medizinischen Forschung nicht vom Einstieg in Embryonenforschung und Klonierungstechnologien abhängt, gerade weil die große Zukunftshoffnung der Medizin – die Stammzelltherapie – mit adulten Zellen besser zu funktionieren scheint. Ein Land wie Österreich bedarf sehr wohl einer gezielten Schwerpunksetzung in der medizinischen Forschung. Die kann aber nicht heißen, all das zu machen was international gerade en vogue ist.

Die negative Stufenleiter des Lebensschutzes hat in England und den USA eine weitere Stufe mit der Erklimmung der Klonierungsstufe beim Menschen erreicht (siehe Tabelle 3). Wir sollten alles daransetzen, das Ruder endlich umzureißen und uns wieder in Richtung einer Kultur des Lebens zu bewegen.

ZeitspanneEbene des AbbausEthische Argumentation
70iger JahreAuflösung der direkten Schutzes des Nasciturus durch Legalisierung der AbtreibungGüterabwägung zwischen Rechten der Mutter und des Ungeborenen
80iger JahreDirekte Auflösung der Einheit von menschlicher Fortpflanzung und Sexualität durch Einführung der In Vitro FertilisierungGüterabwägung zwischen Recht auf Kind und Rechten des Embryos
90iger JahreStraffreiheit und Legalisierung der Euthanasie und Auflösung des Lebensschutzes von terminal Kranken und BehindertenGüterabwägung zwischen Recht auf Selbstbestimmung und Unantastbarkeit des Lebens
2000Angriffe auf die Schutzwürdigkeit des Embryos durch experimentelles und produktives KlonenUtilitarismus zugunsten Erkrankter vs. Ungeborener
200?Einsetzen einer negativen Eugenik durch reproduktives KlonenEmotionalismus zugunsten des Leides Erwachsener
20??Einsetzen einer positiven Eugenik mittels eines selektiven KlonensÜbersteigerter Individualismus und Utilitarismus
Tabelle 3: Abbau des Lebensschutzes in der west-europäischen Rechtsstaatlichkeit

Glossar

Agametische Fortpflanzung: (siehe auch Gameten) – Entstehung eines biologischen Individuums ohne Einbeziehung von Keimzellen (Gameten; Ei- bzw. Samenzelle).

Autolog: (siehe auch homolog, heterolog) – von dem gleichen Individuum stammend.

Blastomere: embryonales Entwicklungsstadium mit Zelldifferenzierung in Keimscheibe und somatische Zellen, vorgeschlagene Primärquelle für embryonale Stammzellen.

Cytoplasma: Bereich zwischen Zellwand und Zellkern einer biologischen Zelle, enthält alle wichtigen somatischen Funktionen der Zelle (Energieversorgung, Proteinproduktion, Signalübertragung, etc.).

Embryo: Entwicklungsstadium des Menschen bis zum 3. Monat nach der Befruchtung.

Fetus: Entwicklungsstadium des Menschen ab dem 3. Monat nach der Befruchtung bis zur Geburt.

FIVET (In vitro Fertilisierung und Embryo Transfer): künstliche Fortpflanzungstechnik, bei der Ei- und Samenzelle außerhalb des Körpers vereinigt werden und der entstehende Embryo nach einer Kulturphase im Brutkasten in die Gebärmutter implantiert wird.

Gameten: Keimzellen; Ei- bzw. Samenzelle, die einen einfachen Chromosomensatz enthalten, die durch Rekombination zu einem neuen biologischen Individuum führen.

Heterolog: (siehe auch autolog, homolog) – von einer anderen biologischen Art stammend.

Homolog: (siehe auch autolog, heterolog) – von einem anderen Individuum der gleichen Art stammend.

IVF (In vitro Fertilisierung): Künstliche Fortpflanzungstechnik, bei der die Keimzellen außerhalb des Körpers vereinigt werden und als Zygote in die Gebärmutter implantiert werden.

Kerntransfer (nuclear transfer): Künstliche Fortpflanzungstechnik, bei der eine somatische Zelle, die in die G0 Phase gebracht wurde, mit einer entkernten Eizelle verschmolzen wird und der entstandene Embryo nach einigen Tagen in Kultur in eine Gebärmutter implantiert wird.

Klon: 1. identische DNA Fragmente in der Gentechnologie; 2. genetisch identische Zellen einer in Kultur gehaltenen Zelllinie; 3. genetische idente Individuen die durch natürliche oder künstliche Zwillingsbildung entstanden sind; 4. genetische Kopie eines Individuums (Embryo, Fetus, Geborener) durch somatischen Kerntransfer.

Klonen: Technik zur Herstellung von Klonen
1. produktives Klonen: Klonen von genetisch identen Individuen mit dem Ziel, die entstandenen Individuen einer anderen Verwendung zuzuführen (im Bereich der Humanmedizin oft fälschlich als therapeutisches Klonen bezeichnet).
2. reproduktives Klonen: Klonen von genetisch identen Individuen mit dem Ziel, eine Kopie eines bereits existierende Individuums herzustellen.
3. experimentelles Klonen: Klonen von genetisch identen Individuen mit dem Ziel, weitere Erkenntnisse über die Biologie der Fortpflanzung bzw. über die Technik des Klonens zu bekommen.
4. therapeutisches Klonen: Klonen von Individuen mittels somatischem Kerntransfer mit dem Ziel, bestehende mitochondriale Zellschädigungen zu beseitigen.

Mitochondrien: „Kraftwerke“ der biologischen Zellen, Quelle von biologischer Energie in der Zelle, einziges Kompartiment außerhalb des Zellkerns, das über eine eigene DNA verfügt und damit für die Eigenproduktion von Proteinen ausgerüstet ist.

mtDNA (mitochondriale DNA): Einzige DNA Bestandteile der Zelle, die sich außerhalb des Zellkerns befinden.

Ooplasma: Cytoplasma der Oocyte (Eizelle), enthält als DNA Fragmente die mtDNA.

Oozyte: Eizelle

Stammzellen: Zellen, die am Beginn einer Zelldifferenzierung stehen und die regenierfähig sind.
1. embryonale: Stammzellen, die aus Embryonen gewonnen werden, normalerweise aus dem Blastomerstadium.
2. adulte (erwachsene): Stammzellen, die aus ausdifferenzierten Geweben Erwachsener (z.B.: Hautzellen, Knochenmarkszellen, Gehirnzellen) stammen und durch Kultur in spezifischen Botenstoffen in ihrer Differenzierung zurückgestuft werden.
a) totipotente: Stammzellen, die zur Ausbildung aller Zellen eines erwachsenen Individuums fähig sind (bekannterweise ausschließlich Zellen des 16-Zell Stadiums des Embryos).
b) pluripotente: Stammzellen, die zur Ausbildung von differenzierten Zellen verschiedener Gewebe fähig sind.
c) omnipotente: Stammzellen, die zur Ausbildung aller Zellen eines Gewebes fähig sind (z.B. hämatopoietische Stammzellen kommen im Knochenmark vor und können alle Blutzellen bilden).

Stammzellentherapie: Therapiekonzept, bei dem Stammzellen (adult oder embryonal) zur Regeneration von geschädigtem Gewebe (z.B.: nach Myokardinfarkt)verwendet werden sollen.

Zelldifferenzierung: Spezialisierung von Zellen, Zellverbänden und Organen zu spezifischen biologischen Funktionen (z.B.: Nierenzellen, Leberzellen, etc.)

Zellprogrammierung: Ausprägung der genetischen, aktiven Information, die in einer differenzierten Zelle vorhanden ist.

Zwillingsbildung: Entstehung von genetisch identen Individuen durch Teilung der frühen Embryonalstadien (2-16 Zellstadium) in totipotente Stammzellen, die neue Individuen bilden. Im 2-Zellstadium kommt diese Trennung von totipotenten Zellen auch natürlich vor (eineiige Zwillinge), nach IVF kann diese Zwillingsbildung auch künstlich herbeigeführt werden. 

Referenzen

  1. Wilmut, I. et al., Viable offspring derived from fetal and adult mammalian cells, Nature (1997); 385: 810
  2. z. B.: Format Nr. 21/01, 140f; Ärztezeitung Nr. 4 (2001), 30ff; The Economist, April 14th (2001), 19ff.
  3. Barritt, J.A. et al., Mitochondria in human offspring derived from ooplasmic transplantation, Human Reproduction (2001); 16: 513
  4. Der Spiegel Online, 4. Februar 2001
  5. ORF ON Science: science.orf.at/science/news/9387
  6. Interview Prof. DDr. Huber in: Der Standard, 17./18. März 2001, S. 8, Die Presse, 26./27. Mai 2001
  7. Der Standard, 10. Mai 2001, S. 6, Format Nr. 21/01, S. 141
  8. Blau, H.M. et al., From marrow to brain: expression of neuronal phenotypes in adult mice, Science (2000); 290: 1775; Mezey, E. et al., Turning blood into brain: cells bearing neuronal antigens generated in vivo from bone marrow, Science (2000); 290: 1779
  9. American Heart Association, Annual Meeting 2001, Abstract aus dem Hospital Bichet, Paris
  10. Hosaka, K. et al., Cloned mice derived from somatic cell nuclei, Hum Cell. (2000); 13:197-202; Clark, A.J., et al., Gene targeting in livestock: a preview, Transgenic Res (2000); 9: 263-75
  11. Campbell, K. et al., Sheep cloned by nuclear transfer from a cultured cell line, Nature (1996); 380: 64
  12. vgl. Dolly and other clonong breakthroughs since 1996: www.worldbook.com/fun/bth/cloning
  13. Schnieke, A.E. et al., Human factor IX transgenic sheep produced by transfer of nuclei from transfected fetal fibroblasts, Science (1997); 278: 2130
  14. Fa. Stemcell Sciences, Melbourne, Australien, Bericht laut ORF ON: science.orf.at/science/news/7943
  15. Sinclair, K.D. et al., In-utero overgrowth in ruminants following embryo culture: lessons from mice and a warning to men, Hum Reprod 15 (2000), Suppl 5: 68
  16. Spiegel Online, 4. Februar 2001
  17. Wilmut, I., Cloning for medicine, Scientific American (1998); 279:58-63
  18. The ethics and politics of human cloning in: The Economist, April 14th 2001
  19. Cloning Human Beings. The Report and Recommendations of the National Bioethics Advisory Commission, Rockland, Md., June 1997
  20. vgl. Johannes Paul II, Enzyklika Evangelium Vitae, Nr. 78ff.
  21. Eine ausführliche Behandlung des Themas ist unter anderem zu finden in: IMABE, Der Status des Embryos, Fassbaender Verlag 1989
  22. Aussage von Prof. DDr. J. Huber im Format Artikel Nr. 21/01, S. 14.
  23. Schlag, M., In-vitro-Fertilisation und Lebensrecht in: IMABE, Der Status des Embryos, Fassbaender Verlag 1989, S. 117-127 
  24. Vial Correa, D., Sgreccia, E., Reflexionen über Klonierung, Pontifica Academia Pro Vita 1989
  25. Zitat von Prof. DDr. J. Huber im Format: „Die Ethiker machen sich zu Anwälten von Blastomeren, aber gegenüber Erwachsenen grenzt ihre Härte an Verletzung.“
  26. Zitat von Prof. DDr. J. Huber im Format: „Andere Länder rasen an Österreich vorbei.“

Anschrift des Autors:

Dr. Markus Schwarz, Christian-Doppler-Klinik, Wirtschaftsdirektion
Ignaz Harrer Straße 79, A-5020 Salzburg

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: