Die Palliativstation im Akutkrankenhaus

Imago Hominis (2003); 10(2): 91-98
Aurelia Miksovsky

Zusammenfassung

Aufgabe der Palliativmedizin ist die ganzheitliche Betreuung unheilbar Kranker, um eine Verbesserung oder die Erhaltung der Lebensqualität zu gewährleisten. Die Bedürfnisse sind zu verschiedenen Zeitpunkten der Erkrankung unterschiedlich, sodass palliativmedizinische Einrichtungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten dieser Situation gerecht werden könnten und auch die Möglichkeit einer palliativmedizinischen Notfallversorgung vorhanden sein sollte. Insgesamt ist es notwendig, Qualitätsstandards zur Verbesserung der Betreuung im palliativmedizinischen Bereich (einschließlich palliativ-onkologischer Therapien) zu erarbeiten.

Schlüsselwörter: Palliativmedizin, Leidensverlängerung, Lebensqualität, Leidenslinderung

Abstract

Palliative medicine takes care of patients with incurable diseases to maintain or improve their quality of life. The needs of patients are different, so departments of palliative medicine with different specialities, including the possibility of treating critically ill patients, should be available. It is necessary to develop standards to improve the palliative care including the palliative-oncological management.

Keywords: palliative medicine, prolonging suffering, quality of life, relieve of suffering


Einleitung

In den letzten Jahren hat sich zunehmend gezeigt, dass ein großes Defizit an Ressourcen in der Betreuung schwerst Kranker, unheilbar Kranker und sterbender Patienten besteht. Viel zu selten beschäftigen sich Ärzte mit grundsätzlichen Fragen, wie z. B.: Wann soll eine bestimmte Behandlung beendet werden? Oder: Die Fortsetzung einer Behandlung ist prinzipiell möglich, hat sie jedoch auch einen Vorteil für den Patienten oder ist nicht die Änderung der Therapiestrategie für den Patienten effektiver? Zu selten stellt sich der behandelnde Arzt die Frage nach dem Nutzen und Sinn einer Therapie oder auch einer Untersuchung1.

Viel einfacher ist es, alles Mögliche durchzuführen (in Bezug auf Therapie und Diagnostik), als wenn ein Arzt mit der Tatsache konfrontiert wird, dass das Mögliche nicht mehr zielführend ist. Daraus würde sich eine Konfliktsituation für Arzt, Pflegepersonal, alle in die Betreuung des Kranken involvierte Personen und den Patienten und die Familienangehörigen ergeben: der Arzt muss den Patienten mit der neuen Situation konfrontieren und ihm gleichzeitig die weitere Unterstützung zubilligen, den neuen Plan einer Behandlung anbieten und erläutern. Dazu benötigt der Arzt allerdings die nötige Ausbildung, die nötige Überzeugung und Zeit, um dem Patienten die geänderte Situation zu erklären und sein Vertrauen nicht zu verlieren, ihm die Hoffnung nicht zu nehmen. Der Patient braucht weiter seine Hilfe, nur mit anderen Mitteln.

Leidenslinderung und Lebensverlängerung

Die Palliativmedizin hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Patienten mit unheilbaren Krankheiten und kurzer Lebenserwartung ganzheitlich zu betreuen. Die palliativmedizinische Betreuung sollte dann beginnen, wenn die Unheilbarkeit der Erkrankung festgestellt wurde. Dabei steht die Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität des Betroffenen im Mittelpunkt aller Überlegungen (Linderung und Befreiung von Symptomen) und nicht die Heilung bzw. Lebensverlängerung.

In Abb. 1 ist dieser Sachverhalt in der heute üblichen Weise graphisch dargestellt. Im Vordergrund steht die Begleitung des Patienten in seinem Leiden. Zumeist sind es Patienten mit malignen Krankheiten, die einmal im Laufe ihrer Erkrankung eine palliativmedizinische Betreuung benötigen, aber auch Patienten mit neurologischen, Nieren-, Herz-, Lungen- oder GI-Erkrankungen. Oft ist es nicht möglich eine scharfe Grenze zwischen Palliativ- und Nicht-Palliativpatient zu ziehen. In der Onkologie wird mit dem Begriff „palliative Therapie“ auch der nicht kurative tumorspezifische Therapieansatz definiert, was eigentlich den Großteil aller Patienten betrifft, die eine metastasierte Erkrankung haben. Dabei kann es zwar auch zu einer geringfügigen Lebensverlängerung kommen, der Gewinn durch Leidenslinderung überwiegt aber bei weitem (Abb. 2).

Daran erkennt man vielleicht sehr deutlich, dass die Übergänge fließend sind: denn möglich ist es sehr oft, eine Chemotherapie durchzuführen, aber wichtig ist es auch zu beurteilen, ob der Patient davon einen Vorteil hat, oder ob es nicht zielführender wäre, eine andere palliative Therapie anzubieten. Am Beispiel des metastasierten N. bronchi (NSCLC) lässt sich vielleicht die Ohnmacht der sogenannten krankheitsspezifischen Therapie erkennen: in einer Studie betrug die Ansprechrate auf die palliative Chemotherapie 28%, zum Teil mit beträchtlichen Nebenwirkungen, die mittlere Überlebenszeit ca. 9 Monate und ist damit gering besser als bei Patienten ohne Chemotherapie2. In Abb. 3 ist dieser Sachverhalt graphisch dargestellt.

Rechtfertigt ein solches Ergebnis den zwingenden Einsatz der palliativen Chemotherapie bei allen Patienten mit metastasiertem NSCLC? Hier wird eine geringfügige Lebensverlängerung mit einem beträchtlichen Verlust an Lebensqualität erkauft. Die tumorspezifische Lebensverlängerung führt also hier zu einer erheblichen Leidensvermehrung, was nicht unser ärztlicher Auftrag sein kann.

Eine vorübergehende Leidensvermehrung kann nur dann in Kauf genommen werden, wenn durch eine tumorspezifische Therapie echte Heilung bzw. eine erhebliche Lebensverlängerung mit verbesserter Lebensqualität erreicht werden kann. (Abbildung IV)

Im Krankheitsverlauf eines Palliativpatienten sind unterschiedliche Krankheitsphasen und dadurch auch unterschiedliche Bedürfnisse des Patienten gegeben. Gleich ist jedoch für alle unheilbar Kranke, unabhängig vom Stadium ihrer Erkrankung, dass das Ziel das Wohlbefinden des Patienten ist und dazu eine ganzheitliche Betreuung erforderlich ist um dem physischen (z. B. Tumorschmerz durch verschiedenste Ursachen, iatrogener Schmerz durch eine Therapie) und psychischen Schmerz (Angst, Verzweiflung, Wut, Trauer, Ungewissheit, Verlassenheit) und den sozialen Bedürfnissen gerecht zu werden: Lebensqualität kann nicht von einem anderen, sondern nur vom Kranken selbst, als eine für sein individuelles Leben wichtige Qualität erlebt werden. Eine unqualifizierte palliative Versorgung kann zu einer Verschlechterung der Lebensqualität und eventuell sogar zu einer Verkürzung des Lebens führen. Umgekehrt kann durch eine professionelle Hilfe jedoch auch einmal eine Lebensverlängerung, sicher aber eine Verbesserung des Wohlbefindens erreicht werden. Der Kranke und Sterbende hat das Recht auf Freiheit, auf persönliche Würde, auf Information, auf angemessene Behandlung, und das Recht nicht unnötig leiden zu müssen und alleine sterben zu müssen. Es ist die Aufgabe des Arztes den Patienten in jeder Phase der Erkrankung zu begleiten und den Behandlungsdruck zurückzunehmen.

Stufenplan der Palliativmedizin

In den verschiedenen Stadien der Erkrankung kommen jedoch die einzelnen Bedürfnisse des Kranken in unterschiedlicher Intensität zum Tragen. In einem frühen Krankheitsstadium wird eher die tumorspezifische (bzw. krankheitsspezifische) Therapie, im späteren Stadium die rein symptomatische Therapie und psychosoziale Betreuung im Vordergrund stehen. Dieser Tatsache kann eine Abstufung der palliativmedizinischen Betreuung mit unterschiedlichen Schwerpunkten Rechnung tragen (siehe Tabelle I).

Stufe IStationäres Pflegehospiz: vorrangig sind die Pflegebedürftigkeit, symptomorientierte Therapiemaßnahmen und die Trauer- und Sterbebegleitung.
Stufe IIPalliativmedizin im engeren Sinn: Pflegebedürftigkeit und symptomorientierte Therapie stehen im Vordergrund. Ziel ist die Entlassung des Patienten und weitere Betreuung durch ambulante Dienste.
Stufe IIIPalliativmedizin im weiteren Sinn: krankheitsspezifische Therapie des Grundleidens (z. B. Chemotherapie) ohne lebensverlängernde Maßnahmen, therapeutische Palliativeingriffe (z. B. Umgehungsoperationen, endoskopische Stentimplantationen)
Stufe IVPalliativmedizin im weitesten Sinn: neben allen o. a. Maßnahmen zusätzlich lebensverlängernde krankheitsspezifische Therapien
Tabelle I: Stufenplan der Palliativmedizin

Die unter Punkt drei und vier angeführten palliativmedizinischen Einheiten erfordern die Unterbringung einer solchen Station in einem Akutspital mit der dazugehörigen Infrastruktur: Anwesenheit von Fachärzten auch in der Nacht, Röntgen, Chirurgie, Labor, Endoskopie mit Notfall- und interventioneller Endoskopie, Möglichkeit der intensivmedizinischen Betreuung, Fachärzte der verschiedensten Fachrichtungen um ein regelmäßiges Konsil und die bestmögliche interdisziplinäre Betreuung für den Patienten zu gewährleisten.

Im Krankenhaus St. Elisabeth wurde eine solche Palliativstation wie sie unter Punkt vier definiert ist vor drei Jahren aufgebaut. An dieser Station arbeiten Fachärzte für Hämatologie und Onkologie mit der Zusatzausbildung für Palliativmedizin, ausgebildetes Pflegepersonal, Physiotherapeuten, Psychologen, Diätassistenten, Sozialarbeiter und Seelsorger. Die Station ist ein Teil der Abteilung für Innere Medizin mit Fachärzten diverser Spezialfächer für Innere Medizin (Kardiologie, Gastroenterologie und Endoskopie, Pulmonologie, Intensivmedizin, u.s.w.). Es sind in diesem Haus eine große Allgemeinchirurgie und Konsiliarfachärzte aller Fachrichtungen sowie ein Röntgen und Labor jederzeit verfügbar.

An dieser palliativmedizinischen Station steht die Akutversorgung von Palliativpatienten im Vordergrund: Notfallendoskopien, endoskopische Stentimplantationen, die Möglichkeit einer sofortigen Aufnahme eines Patienten bei akuter Verschlechterung der Symptomatik, die es den ambulanten Diensten nicht ermöglicht die Betreuung zu Hause weiter fortzusetzen: z.B. akute Dyspnoe verursacht durch Erguß oder auch Pulmonalembolie; Herzrhythmusstörungen, kardiale Insuffizienz; Ileus; Blutungen und notwendige interventionelle Endoskopien zur Blutstillung und Verabreichung von Ery-Konzentraten; notwendige Stentimplantation, Implantation von PEG-Sonden, Port-a-cath Implantationen, usw.; soziale Indikationen. Solche Akutsituationen erfordern eine rasche Intervention und Aufnahme des Patienten und in solchen Fällen ist die Aufnahme in einem Pflegehospiz nicht gerechtfertigt, da dort die Infrastruktur für die medizinische Versorgung nicht vorhanden ist und naturgemäß auch immer längere Wartezeiten bis zur möglichen Aufnahme gegeben sind (bis zu mehreren Wochen). Auch die Versorgung in einem Akutkrankenhaus an einer Abteilung ohne Palliativstation ist dem Patienten nicht zumutbar, da an solchen Stationen nicht die Linderung von Symptomen im Vordergrund des ärztlichen Handelns steht, sondern die Heilung und Lebensrettung: Oft muss der Patient eine Unzahl von Untersuchungen und Therapien über sich ergehen lassen, die ihm an der Palliativstation erspart werden können. Auf der anderen Seite können vielleicht hilfreiche Spezialeingriffe und wichtige Begleitmaßnahmen (Palliativpflege, psychologische Betreuung, Physiotherapie, soziale Betreuung usw.) nicht durchgeführt werden (siehe oben), weil die nötige Erfahrung und die nötige Infrastruktur fehlt.

Im KH St. Elisabeth wird versucht, die Therapie so zu planen, dass dem Patienten die Beschwerden erleichtert und Akutkomplikationen durch palliativmedizinische, dem Kranken zumutbare und erfolgversprechende Maßnahmen beseitigt werden: oberstes Gebot dabei ist es, nichts zu verabsäumen, um dadurch das Leben des Patienten nicht zu verkürzen, aber individuell die Therapiemaßnahmen so anzupassen, dass dabei eine optimale Lebensqualität erreicht wird. In der Palliativmedizin der Stufe IV werden daher typischerweise 2 aufeinander abgestimmte Therapieansätze wirksam. 1. der symptomorientierte palliativmedizinische Ansatz inklusive Akutpalliation im beschriebenen Sinn, der primär auf die Verbesserung der Lebensqualität ausgerichtet ist. 2. der tumorspezifische bzw. fachspezifische Ansatz, der primär die Lebensverlängerung zum Ziel hat. Hier kommt noch die so genannte supportive Therapie ins Spiel. Diese ist auf die Minimierung der toxischen Nebenwirkungen und Komplikationen insbesondere der Chemo- und Radiotherapie ausgerichtet (z. B. Störungen des Gastrointestinaltraktes, Knochenmarksschädigung, Blutungen, Immunsuppression, Nieren-, Herz-, Leber-, und Lungenschädigung, Hautveränderungen, Haarausfall, Neurotoxizität usw.) Das erfordert neben praktischer Erfahrungen das nötige Wissen, regelmäßige Weiterbildung, regelmäßige Besprechungen mit Fachärzten anderer Fachrichtungen und interdisziplinäre Besprechungen des gesamten betreuenden Teams.

Fallbeispiele

Anhand von Beispielen kann hier die umfassende Arbeit an der Akut-Palliativstation veranschaulicht werden:

1. Herr W. H., 58a, hat ein inoperables nichtkleinzelliges N. bronchi und erhält regelmäßig ambulante Chemotherapie auswärts. Die Aufnahme im KH. St. Elisabeth erfolgt akut, da der Patient seit einigen Tagen nicht mehr essen und trinken kann und alles erbricht. Der Patient ist bei der Aufnahme hochgradig kachektisch und exsikkiert: Ursache der Symptomatik ist eine Fistelbildung zwischen Ösophagus und Tumor in der Lunge, die zur Aspiration der Nahrung und Flüssigkeit in die Lunge und ständigem Erbrechen führt. Die Symptome können innerhalb weniger Stunden durch Stentimplantation in den Ösophagus beseitigt werden: der Eingriff ist für den Patienten nicht belastend, der Patient gewinnt an Lebensqualität, denn er kann wieder essen. Nebenbei sind lange aufklärende Gespräche über den weiteren Verlauf und die Prognose mit dem Patienten und der Familie erforderlich, bis die Situation richtig eingeschätzt und akzeptiert werden kann. Der Patient wird dann auf eigenen Wunsch wieder entlassen, in dem Bewusstsein an der Abteilung jederzeit wieder Hilfe zu bekommen und er verstirbt an der Station wenige Monate später.

Kommentar: Die rasche Beseitigung der Akutsymptomatik und die psychologische Betreuung waren äußerst wichtig, da sie eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität des Patienten für seine noch verbleibende kurze Lebensspanne bedeutete. Es war dem Patienten noch nicht bewusst, in welcher Situation er sich befand und wie das weitere Leben verlaufen würde.

Die palliative Stentimplantation hatte in diesem Falle nicht nur eine erhebliche Leidenslinderung bewirkt, sondern auch eine gewisse, wenn auch nur geringfügige Lebensverlängerung, weil der Patient wieder Nahrung zu sich nehmen konnte (vgl. Abbildung II).

2. Herr G. B., 50a, hat eine Karzinosis peritonei und neu aufgetretene Lungenmetastasen nach einem N. ventriculi. Die Akutaufnahme erfolgte wegen starker Schmerzen bei Subileus. Durch Infusionstherapie und Adaptierung der Schmerztherapie und Begleitmedikation war der Patient nach einigen Stunden beschwerdefrei. Die Gespräche mit der Familie und dem Patienten zeigten dem Patienten, dass eine stationäre Aufnahme zur Fortsetzung der palliativen Chemotherapie mit ihren Nebenwirkungen (Übelkeit) nicht mehr zielführend ist und es wurde die möglichst rasche Entlassung des Patienten vereinbart um die Zeit zu Hause mit der Familie verbringen zu können. Der Patient, dem Hilfe zugesichert wurde, meldet sich in regelmäßigen Abständen.

Kommentar: Durch die Aufnahme an der Palliativstation, wo der Patient bekannt ist, konnte ihm rasch geholfen werden, ihm unzählige Untersuchungen und eine zweite Operation erspart werden (Patient hatte schon eine frustrane Laparatomie) und eine für ihn befriedigende Vereinbarung getroffen werden, was die Planung seiner Zukunft betrifft.

In beiden Fällen war der Auftrag an die Betreuenden rasch, gezielt und unkompliziert Hilfe zu leisten, das Leben des Patienten nicht zu gefährden durch unzumutbare Eingriffe, die den Allgemeinzustand des Patienten verschlechtern und den Patienten unnötig lang im Krankenhaus festhalten würden.

Im KH St. Elisabeth werden aber auch palliative Chemotherapien durchgeführt. Für jeden Patienten wird individuell mit den entsprechenden Fachärzten (Chirurgen, Strahlentherapeuten, Onkologen, usw.) die Möglichkeiten der Therapie und die erreichbaren Ziele, die zu erwartenden Nachteile einer Therapie und der zu erwartende Nutzen diskutiert. Grundlage für die Entscheidung zu einer palliativen Chemotherapie darf nicht die Tatsache sein, dass sie machbar ist, sondern nur dass sie sinnvoll und für den Patienten von Vorteil ist. Dazu gibt es aber noch viel zu wenig Untersuchungen und viele offenen Fragen: z. B. 1. Ist es notwendig bei jedem Patienten sofort nach dem Feststellen der Metastasierung mit der palliativen Chemotherapie zu beginnen? 2. Wann soll eine Chemotherapie durch andere palliative Maßnahmen ersetzt werden? 3. Profitiert jeder Patient von der palliativen Chemotherapie oder gibt es Parameter, die es ermöglichen die Therapie noch individueller zu planen? 4. Welchen Einfluss hat die Psyche auf den Krankheitsverlauf und den Therapieerfolg oder -misserfolg und ist das messbar, d.h. nachvollziehbar?

Ein Beispiel: Fr. S.E., 66a, hat ein metastasiertes Mammakarzinom und der behandelnde Onkologe ersucht um akute Aufnahme an der Palliativstation aus sozialen Gründen: der Allgemeinzustand der Patientin hat sich verschlechtert, die Patientin lebt allein und die Versorgung zu Hause ist nicht gewährleistet. Im Vordergrund steht eine schwere Depression und erst nach zweimaligem Aufenthalt an der Palliativstation gelingt es die psychische Situation zu verbessern. Danach wird auf die dringende Empfehlung des behandelnden Onkologen hin die palliative Chemotherapie weiter fortgesetzt, obwohl die Patientin dadurch zu keinem Zeitpunkt eine Verbesserung der Lebensqualität erfahren hat, sondern sehr unter den Nebenwirkungen (Übelkeit, Appetitlosigkeit, Schwäche, Gewichtsabnahme, Müdigkeit) leidet. Die Indikation zur Fortsetzung der Therapie ist ein minor response, wie die Computertomographiekontrolle gezeigt hat. Kommentar: Die Lebensqualität hat sich trotz (oder wegen?) der palliativen Chemotherapie langsam und kontinuierlich verschlechtert, somit stellt sich die Frage, ob dadurch eine echte Lebensverlängerung erzielt werden kann, denn nur dann wäre eigentlich gerechtfertigt, dies in Kauf zu nehmen (vgl. Abbildung IV), oder ob hier Lebensverlängerung nur mehr Leidensvermehrung bewirkt hat (vgl. Abbildung III), was ärztlich nicht zu vertreten ist.

Es erscheint notwendig, Standards für die palliativmedizinische Betreuung einschließlich der palliativen Chemotherapien zu erarbeiten um die Qualität der Versorgung zu verbessern. Diese Erarbeitung von Qualitätsstandards ist eine der wichtigsten Anliegen der palliativmedizinischen Station im KH. St.-Elisabeth, denn es ist wesentlich die Grenzen und die Sinnhaftigkeit der ärztlichen Handlungen zu erkennen und somit die bestmögliche Betreuung des Patienten zu gewährleisten.

Referenzen

  1. Husebo S., Klaschik E. „Palliativmedizin“, Springer Verlag (2000)
  2. Kelly K., Crowley J., Bunn Jr. P. A., et. al., “Randomized Phase III Trial Of Paclitaxel Plus Carboplatin Versus Vinorelbine Plus Cisplatin In The Treatment Of Patients With Advanced Non-Small-Cell Lung Cancer: A Southwest Oncology Group Trial.”, J. Clin. Oncol. 19 (2001): 3210-3218

Anschrift der Autorin:

OA Dr. Aurelia Miksovsky, Leiterin der Palliativstation
Krankenhaus St. Elisabeth
Landstraßer Hauptstraße 4a, A-1030 Wien

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