Die verfassungsrechtliche Problematik der IVF

Imago Hominis (2002); 9(4): 245-253
Christian Hillgruber

Zusammenfassung

Nicht nur die Missbrauchsgefahr, sondern schon der Vorgang der In-Vitro-Fertilisation selbst und dabei die billigend in Kauf genommenen Nebenfolgen begegnen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das deutlich erhöhte Risiko von Mehrlingsschwangerschaften führt vermehrt zu Notlagen, in denen eine Leibes- und Lebensgefahr nur durch selektive Tötung einzelner Embryonen abzuehren ist. Noch problematischer ist das Schicksal verwaister Embryonen. Begehrlichkeiten der medizinischen Forschung am „lebenden Objekt“ ist entschieden entgegenzutreten. Nur die antizipierte Adoption („Ersatzmutterschaft“ und – hilfsweise – das bloße, „nutz-lose“ Sterbenlasssen der verlassenen Embryonen stehen mit der ihnen bereits eigenen Menschenwürde in Einklang.

Schlüsselwörter: In-Vitro-Fertilisation, Embryonenforschung, überzählige Embryonen, Menschenwürde

Abstract

Not only the danger of misuse but also the methods themselves used in In-vitro-fertilization and the too readily accepted negative side effects present doubts with regard to their being constitutional. The evidently higher risk of a pregnancy with several embryos which leads to distressing situations in which advice is given for a selective killing of one or more of the embryos which is naturally unacceptable and must be hindered. Even more problematic is the fate of the so called „orphan embryos”. The covetousness of medical researchers to use these „orphans” in order to be able to do research on „living objects” must also be hindered. Only adoption or as a last means letting these „orphaned embryos” die a natural death (considered by some as a „waste”) would be the only choices considering their personal human dignity.

Keywords: In-vitro-fertilization, research on embryos, over abundance of embryos, human dignity


I. Einleitung

In einem Streitgespräch mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, davon gesprochen, er fühle sich in der Debatte um die Gentechnik als „gebranntes Kind“, und meinte damit die Zustimmung der evangelischen Kirche zur künstlichen Befruchtung. So etwas dürfe sich nicht wiederholen: Um künftig argumentative Zwickmühlen – wer A sagt, muss auch B sagen – zu vermeiden, müsse man rechtzeitig Widerspruch anmelden.1

In der Tat, zu der vermeintlich schönen, neuen Welt der Biotechnologie hat erst die technische Möglichkeit künstlicher Befruchtung das Tor geöffnet. Es ist offensichtlich die In-Vitro-Fertilisation, mit der der Rubikon in Sachen Fortpflanzungsmedizin überschritten worden ist. Mit ihr ist die „menschliche Fortpflanzung aus der verborgenen Intimität eines Elternpaares heraus in die technische Welt eines Labors implantiert“ worden. Der Gesetzgeber hat diesen ungeheuerlichen Tabubruch legalisiert, zweifellos in der ehrenwerten Absicht, „das Neue und Unerhörte zu humanisieren.“2 Doch kann dies wirklich gelingen?

Gewiss, nach dem Embryonenschutzgesetz darf medizinisch unterstützte Fortpflanzung keinem anderen Zweck dienen als der natürliche Zeugungsvorgang. Sie ist gewissermaßen „nur als Kopie der natürlichen Zeugung“ erlaubt. Wer es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt, macht sich ebenso strafbar wie derjenige, der einen extrakorporal erzeugten menschlichen Embryo zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck verwendet (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 ESchG3). Doch die mit der künstlichen Befruchtung jeweils verfolgte, vermeintlich gute oder böse Absicht lässt sich ex ante nicht sicher vorherbestimmen. Sie liegt nicht offen zu Tage. Eine Zweckentfremdung bleibt daher stets möglich. Auch der straf- bzw. bußgeldbewehrte Arztvorbehalt für die künstliche Befruchtung und die Konservierung eines menschlichen Embryos (§ 9 Nrn. 1, 3 i.V.m. §§ 11 f. ESchG), die nur zulässig ist, wenn die im Behandlungszyklus vorgesehene Übertragung nicht möglich ist, vermag dies angesichts des auch Medizinern eigenen Forscherdrangs nicht sicher auszuschließen. Es erscheint daher zweifelhaft, ob mit diesen auf die Intention der Beteiligten abstellenden und auf das Verantwortungsbewusstsein und das berufliche Ethos des Arztes vertrauenden Strafvorschriften des Embryonenschutzgesetzes die missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken und die missbräuchliche Verwendung menschlicher Embryonen wirklich wirksam verhindert werden kann.4

II. Das Verfahren der In-Vitro-Fertilisation

Doch es ist nicht nur die Missbrauchsgefahr, die verfassungsrechtliche Bedenken gegen die In-Vitro-Fertilisation mit anschließendem Embryotransfer wecken, es ist vielmehr dieser Vorgang selbst, der von den Medizinern als „Behandlungsmethode der menschlichen Sterilität im Verfahren der assistierten Reproduktion“ qualifiziert wird. Überschreitet diese Methode in ihrer praktischen Handhabung und in ihren praktisch unvermeidlichen Konsequenzen nicht bereits als solche die ethischen und rechtlichen Grenzen, die dem medizintechnisch Machbaren gezogen werden müssen?

Die In-Vitro-Fertilisation mit anschließendem Embryotransfer stellt eine von mehreren Methoden assistierter Reproduktion, d.h. ärztlicher Hilfe zur Erfüllung des Kinderwunsches eines Paares durch medizinische Technik dar, die geleistet wird, wenn nicht zu erwarten ist, dass sich dieser Kinderwunsch auf natürlichem Weg realisieren lässt. Diese Methoden werden als Therapien bestimmter Formen von Unfruchtbarkeit eingesetzt, bei denen andere Behandlungsmethoden wie z.B. hormonelle Stimulierung versagt haben oder von vornherein keinen Erfolg versprechen. Eine unerklärbare Unfruchtbarkeit kann nur dann als Indikation für eine assistierte Reproduktion angesehen werden, wenn alle diagnostischen Maßnahmen durchgeführt und alle primären therapeutischen Möglichkeiten geklärt worden sind. Unter In-Vitro-Fertilisation, auch „extrakorporale Befruchtung" genannt, versteht man die Vereinigung einer Eizelle mit einer Samenzelle außerhalb des Körpers der Frau. Die Einführung des so erzeugten menschlichen Embryos in die Gebärmutter (Implantierung in der Uterushöhle) wird als Embryotransfer bezeichnet. Beim intratubaren Embryotransfer wird der Embryo in den Eileiter eingeführt (IVF-Version).5

Bei der IVF-Behandlung werden nach der Eizellenentnahme mehrere Eizellen mit Samenzellen befruchtet und auf die Eizellenspenderin transferiert. Die gesetzliche Obergrenze für die Befruchtung liegt bei drei Eizellen6, weil innerhalb eines Zyklus nicht mehr als drei Embryonen auf eine Frau übertragen werden dürfen7 (§ 1 Abs. 1 Nrn. 3 u. 5 ESchG). Die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion empfehlen bei Frauen unter 35 Jahren nur zwei Embryonen zu transferieren, weil weltweite Erhebungen ergeben haben, dass die Drillingsrate für die Verfahren assistierter Reproduktion zwischen 4 und 7% aller Schwangerschaften liegt, wodurch die Gefährdung für die Schwangere und die Feten erheblich ansteigt.8

Schon gegen das Verfahren der In-Vitro-Fertilisation mit anschließendem Embryotransfer als solches bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Sie resultieren daraus, dass in praxi regelmäßig die gesetzlich erlaubte Höchstzahl von drei befruchteten Eizellen der eizellenspendenden Mutter übertragen und damit die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsschwangerschaften, die bei natürlichem Ablauf eher selten ist, erheblich erhöht wird. Man nimmt die mit Mehrlingsschwangerschaften – für Mutter und Kinder – verbundene Leibes- und Lebensgefahr bereitwillig hin, um eine höhere „Erfolgsquote“ der Methode zu erzielen.9 Damit aber sind auch die dann notwendig vermehrt auftretenden Notlagen10, in denen es nun keinen anderen „Ausweg“ als die euphemistisch sogenannte „Mehrlingsreduktion durch Fetozid“, d.h. den teilweisen Abbruch der Schwangerschaft durch selektive Tötung einzelner Embryonen mehr gibt11, verfahrensbedingt. Das Verfahren selbst führt also mit gewisser Regelmäßigkeit Situationen herbei, in denen – von Verfassungs wegen grundsätzlich verpönte – Tötungshandlungen vorgenommen werden müssen, um eine in der bestehenden Situation nicht anders abwendbare Leibes- oder Lebensgefahr abzuwehren. Das kann verfassungsrechtlich nicht hingenommen werden.

III. Der Notstand der verwaisten Embryonen: Entstehungsgrund und verfassungsrechtliche Bewertung

Noch problematischer ist aber eine weitere, mit dem IVF-Verfahren billigend in Kauf genommene Nebenfolge, nämlich das Schicksal der verwaisten Embryonen. Wenn auch der Kinderwunsch wegen Unfruchtbarkeit kinderlos gebliebener Paare ohne weiteres nachvollziehbar und anerkennenswert ist, stellt sich gleichwohl die Frage, ob nicht das Risiko dauerhaft verwaister, sog. überzähliger Embryonen, das sich bereits vielfach realisiert hat und erst die Begehrlichkeiten der biomedizinischen Forschung „am lebenden Objekt“ des menschlichen Embryos geweckt hat, die In-Vitro-Fertilisation verfassungswidrig macht.12 Dieses Risiko ist ein Spezifikum des zeitlich gestreckten Verfahrens der künstlichen Befruchtung außerhalb des Mutterleibes mit anschließendem Embryotransfer. Während bei natürlicher Befruchtung sich die Einnistung der befruchteten Eizelle, wenn sie erfolgt, ohne Zwischenakt, d.h. ohne die Notwendigkeit zusätzlichen menschlichen Tuns in einem kontinuierlichen biologischen Vorgang eo ipso vollzieht, muss der künstlichen, extrakorporalen Befruchtung die künstliche Einpflanzung des so erzeugten Embryos in die Gebärmutter der Eizellenspenderin nachfolgen, wenn eine Schwangerschaft herbeigeführt werden soll. Die Einpflanzung erfolgt, nachdem die Embryonen zwei oder drei Tage im Brutschrank aufbewahrt worden sind. Dieses Intervall begründet für den Embryo einen vorübergehenden Schwebezustand, der zum Dauerzustand zu werden droht, wenn die im Behandlungszyklus vorgesehene Übertragung auf die Mutter, etwa wegen deren Todes, unmöglich oder bei nachträglicher erkannter, ernstlicher Leibes- oder Lebensgefahr für den Fall der Übertragung dieser unzumutbar wird; der konservierte Embryo fristet ein Dasein zwischen (vollem menschlichen) Leben und Tod. Die Dauerexistenz des Embryos im Tiefkühlfach, aus der es kein Entrinnen gibt, ist menschenunwürdig. Wenngleich tiefgefroren und daher äußerlich betrachtet ohne Qualen, ähnelt sein unmenschliches Schicksal und Los doch dem des an einen Felsen gefesselten Promotheus, der nach dem Willen des Zeus weder frei leben noch einfach sterben darf.

Bei natürlicher Zeugung und natürlicher Nidation ist der Eintritt eines solchen, mit der allem menschlichen Leben zukommenden Menschenwürde unvereinbaren, dauerhaften Schwebezustandes dagegen ausgeschlossen. Die symbiotische Existenz des auf einzigartige Weise mit der Mutter verbundenen Kindes, die bei Mutter und Kind in der Phase der Schwangerschaft zu einem Verhältnis der „Zweiheit in Einheit“ führt13, macht das Leben des Kindes – bis zur Erlangung (gegebenenfalls mit Hilfe medizinischer Technik als Surrogat künstlich unterstützter,) selbständiger Lebensfähigkeit – ganz und gar von der Fortexistenz seiner Mutter abhängig, begründet zwischen beiden eine notwendige Schicksalsgemeinschaft. Die Alternative heißt hier für das Kind nur Leben oder Tod, Geborenwerden oder sterben, ohne das Licht der Welt erblickt zu haben. Tertium non datur.

Die mit der In-Vitro-Fertilisation verbundene Problematik eines sich perpetuierenden Schwebezustandes des künstlich erzeugten und dann konservierten Embryos verschärft sich dadurch, dass er nicht nur eintreten kann, wenn die eizellenspendende Mutter vorverstirbt oder kurzfristig schwer und andauernd erkrankt mit der Folge, dass das Kind im Mutterleib nicht überleben würde oder die Einpflanzung des Embryos wegen einer dadurch begründeten Leibes- oder gar Lebensgefahr für die Mutter unzumutbar wäre. Vielmehr kann es sich die Mutter (und natürlich auch der Vater bzw. beide zusammen) – aus welchen Gründen auch immer14 – zwischenzeitlich in einer überraschenden Wendung anders überlegt haben, den ursprünglich lange gehegten und mit der künstlichen Befruchtung in einem ersten Schritt der Realisierung nahe gebrachten Kinderwunsch nun, wo es ernst wird, wieder in einem plötzlichen Sinneswandel aufgegeben haben. Dann kann ihr der Embryo nicht gegen ihren Willen zwangsweise implantiert werden, selbst wenn der Behandlungsvertrag dies bestimmt.

Zwar haben die ei- und samenzellenspendenden Eheleute durch ihre Einwilligung in die Behandlungsmethode der In-Vitro-Fertilisation mit anschließendem Embryotransfer und die daraufhin mit ihrem Willen erfolgte künstliche Befruchtung bereits vorwirkende Elternverantwortung übernommen, der sie sich nicht nachträglich wieder willkürlich entziehen dürfen. Diese als Einstandspflicht aus vorangegangenem Tun zu begründende Elternverantwortung konkretisiert sich bei der eizellenspendenden Mutter in einer grundsätzlichen – nur unter dem Vorbehalt der nach den Indikationstatbeständen zu bestimmenden Zumutbarkeit stehenden, d.h. in Ausnahmelagen aufgehobenen – Pflicht, sich den so erzeugten Embryo übertragen zu lassen, um das Kind zu gebären und ihm das Leben zu schenken. Diese Pflicht stellt die – unter den Bedingungen der In-Vitro-Fertilisation mit anschließendem Embryotransfer – notwendige, flankierende Ergänzung des grundsätzlichen Verbots des Schwangerschaftsabbruchs und der grundsätzlichen Rechtspflicht zum Austragen des Kindes dar, mit denen der Staat die ihm obliegende Pflicht zum (rechtlichen) Schutz jedes einzelnen, ungeborenen menschlichen Lebens auch gegenüber der Mutter erfüllt.15 Andernfalls nämlich käme das eigene Lebensrecht des Embryos nur zur Geltung, wenn die Mutter sich nicht zur Ablehnung des Transfers entschlossen hat. Dieses Lebensrecht aber darf nicht, auch nicht im Intervall zwischen künstlicher Zeugung und Implantierung, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden.16

Die daraus folgende rechtliche Verpflichtung der Mutter, den Embryotransfer durchführen zu lassen, ist aber, wie viele andere familienrechtliche Verpflichtungen auch, nicht erzwingbar. Gegen den Willen der Frau darf der in der Übertragung des Embryos liegende Eingriff in die körperliche Unversehrtheit keinesfalls erfolgen. Das wäre ebenso wie die Erzwingung der die Frau existentiell betreffenden Pflicht zum Austragen und Gebären des Kindes auch mit ihrer Menschenwürde unvereinbar.

Infolgedessen ist das Recht des Embryos, auf seine Mutter übertragen und ausgetragen zu werden, tatsächlich gefährdet. Die Gefahr der Transferverweigerung ist insofern größer als die des Schwangerschaftsabbruchs, als der Schwangerschaftsabbruch aktives, lebenszerstörendes Tun verlangt, während die Ablehnung der Übertragung des Embryos sich aus der Sicht der Frau als bloße Unterlassung darstellt, die weniger Unrechtsbewusstsein erzeugt. Hinzu kommt, dass, anders als bei der natürlichen Zeugung, bei der das Kind als die Frucht eines elterlichen Liebesakts erscheint, bei der extrakorporalen, künstlichen Erzeugung zunächst eine emotionale Distanz besteht, die erst nach der Übertragung des Embryos überwunden wird.

Ob die Erfüllung des auf natürlichem Wege nicht realisierbaren Kinderwunsches von Ehepaaren so schwer wiegt, dass sie es rechtfertigt, dafür das keinesfalls ganz zu vernachlässigende Risiko verwaister Embryonen in Kauf zu nehmen, erscheint zweifelhaft, weil menschliches Leben und seine unverfügbare Würde nicht aufrechenbar sind.

IV. Das Schicksal der „überzähligen“ Embryonen – verfassungswidrige und verfassungskonforme Lösungen

Doch auch wenn man im Hinblick auf die Statistik17 und dem sich danach ergebenden numerischen Verhältnis erfolgreicher In-Vitro-Fertilisationen mit anschließendem Embryotransfer zu den dabei angefallenen, überzähligen Embryonen18 dieses Risiko für geringfügig und deshalb vertretbar hält, muss für die angebliche quantité négligeable, also für die Fälle, in denen es sich realisiert hat und künftig realisieren wird, eine verfassungskonforme, insbesondere menschenwürdige Lösung gefunden werden. Folgende Lösungen sind tatsächlich möglich und sollen kurz auf ihre verfassungsrechtliche Zuträglichkeit geprüft werden:

  • die Ersatzmutterschaft,
  • die verbrauchende Forschung oder
  • der „nutzlose“ Tod, das „bloße“ Sterbenlassen.

1. Die Ersatzmutterschaft – antizipierte Adoption

Das Embryonenschutzgesetz verbietet die Ersatzmutterschaft ausnahmslos. Wer es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen, macht sich strafbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG). Durch das Verbot der Verwendung fremder Eizellen bei der Herbeiführung einer Schwangerschaft und das Verbot der sog. Ersatzmutterschaft will der Gesetzgeber verhindern, dass es zu einer sog. gespaltenen Mutterschaft kommt und damit die austragende und die genetische Mutter nicht mehr identisch sind. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass das Kind in seiner gesamten körperlichen und seelischen Entwicklung sowohl durch die von der genetischen Mutter stammenden Erbanlagen wie auch durch die enge während der Schwangerschaft bestehende Beziehung zwischen ihm und der austragenden Mutter entscheidend geprägt wird. Eine gespaltene Mutterschaft lässt besondere Schwierigkeiten bei der Selbstfindung des Kindes und negative Auswirkungen auf seine seelische Entwicklung befürchten.19 Diese Abwägung der gegenläufigen Interessen und die ihr zugrundeliegenden Erwägungen sind im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal Eheleute aus Art. 6 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch haben, mit Hilfe Dritter Eltern zu werden und eine Familie zu gründen.

Wenn aber der durch künstliche Befruchtung erzeugte Embryo aus den genannten, möglichen Gründen auf die genetische Mutter nicht übertragen werden kann, stellt sich die Rechtslage anders dar, weil die Interessen anders zu gewichten sind. Hier existiert bereits menschliches Leben. Die Schutzpflicht des Staates für das Lebensrecht des Embryo (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) zwingt dazu, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit dieses in seiner genetischen Identität und damit in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit bereits festgelegte, nicht mehr teilbare Leben sich in einem Prozess des Wachsens und Sich-Entfaltens als Mensch voll entwickeln kann.20 Das Anliegen sicherzustellen, dass auch bei der künstlichen Fortpflanzung ein zukünftiges Kind seinen Eltern von vornherein eindeutig familienrechtlich zugeordnet ist, muss dahinter zurückstehen. Wenn die Alternative für das mit der künstlich bewirkten Verschmelzung von Ei und Samenzelle bereits entstandene menschliche Leben nur in dessen Tod besteht, dann ist demgegenüber die lebenserhaltende, ja die weitere Entwicklung individuellen Menschseins allererst ermöglichende Ersatzmutterschaft allemal vorzugswürdig.21 Mögliche Schwierigkeiten der Selbstfindung des Kindes fallen dagegen nicht mehr entscheidend ins Gewicht. Die Ersatzmutterschaft muss daher bei verwaisten Embryonen jedenfalls dann zugelassen werden, wenn die Voraussetzungen für eine spätere Adoption vorliegen. Sie stellt sich dann gewissermaßen als antizipierte Adoption dar. Wenn die Adoption nach heutigem Verständnis in erster Linie ein Mittel der Fürsorge für elternlose und verlassene Kinder sein soll22, dann erscheint sie und die dafür notwendige, ausnahmsweise Zulassung der Ersatzmutterschaft (nicht der Leihmutterschaft!) gerade hier als probates und gebotenes Mittel zur Rettung andernfalls zum Tode verurteilter Embryonen.23

Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht (§ 1741 Abs. 1 BGB). Wegen des grundrechtlich geschützten, natürlichen Elternrechts (Art. 6 Abs. 2 GG) ist zur Adoption im Regelfall die Einwilligung der Eltern des Kindes erforderlich (§ 1747 Abs. 1 BGB). Wie die Regelung des § 1748 BGB zeigt, kommt unter Umständen, insbesondere bei vollständigem Versagen der Eltern in ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind, das bei Ablehnung des durchführbaren Embryotransfers durch die genetische Mutter anzunehmen wäre (s.o.), aber auch eine Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils in Betracht. Die gesetzliche Festlegung, dass die Eltern ihre Einwilligung erst wirksam erteilen können, wenn das Kind acht Wochen alt ist, müsste geändert werden. Der Gesetzeszweck, die leiblichen bzw. genetischen Eltern vor einer unüberlegten Weggabe des Kindes zu schützen, stünde dem nicht entgegen. Die Möglichkeit der Konservierung des Embryos erlaubt die ersatzweise Statuierung einer angemessenen Überlegungsfrist.

Gerade weil auch der Embryo in vitro einen Rechtsanspruch darauf hat, als menschliches Wesen respektiert und in ein soziales Geflecht familiärer Beziehungen geboren zu werden, muss daher bei verwaisten Embryonen die Ersatzmutterschaft zugelassen werden. Wird schon in der Phase der Schwangerschaft die neue Mutter-Kind-Beziehung aufgebaut, sollte im Regelfall die Integration in die soziale Familie gelingen.

2. Menschenwürde und Nützlichkeit: Von nützlicher Forschung und nutzlosem Tod

Keinesfalls dürfen die verlassenen Embryonen zu Forschungszwecken verwendet, d.h. verbraucht werden. Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu.24 Niemandem und nichts zunutze sein zu müssen, das macht die Würde die Menschen aus.25 Das bloße, „nutzlose“ (nicht: sinnlose!) Sterbenlassen ist daher, wenn sich keine zur Übertragung des Embryos bereite Ersatzmutter findet, die einzige, mit der dem Embryo bereits eigenen Menschenwürde konforme Lösung. Die Selbstzweckhaftigkeit menschlichen Lebens, „die Qualität des Menschen, sein eigener Herr zu sein“ (I. Kant26) bis in den Tod hinein und sogar noch darüber hinaus – postmortaler Persönlichkeitsschutz! – unbedingt zu respektieren, dazu verpflichtet die Garantie der Menschenwürde.

Der Embryo hat zwar kein unbedingtes Lebensrecht ebenso wenig wie der nasciturus oder der geborene Mensch. Der Schutz des Lebens ist nicht in dem Sinne absolut geboten, dass dieses gegenüber jedem anderen Rechtsgut ausnahmslos Vorrang genösse; das zeigt schon der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG.27 Absolut ist dagegen der Schutz der Menschenwürde. Doch dieser Unterschied spricht nicht etwa für eine Entkoppelung von Lebens- und Menschenwürdeschutz. Vielmehr verlangt die Menschenwürdegarantie auch bei Eingriffen in das Lebensrecht strikte Beachtung; die aktive Tötung menschlichen Lebens oder auch nur das passive Sterbenlassen darf unter keinen Umständen den Eigenwert und die Selbstzweckhaftigkeit des Menschen negieren.28

Dagegen kann nicht eingewendet werden, „die Forschung an und mit abgegangenen Föten steh[e] bei uns nicht unter ethischem Verdacht. Der Fötus, dessen Leben nicht mehr zu retten ist, [werde] seit eh und je untersucht, um anderen Kindern und ihren Müttern zu helfen.“29 Zum einen handelt es sich bei Fehl- oder Totgeburten im Gegensatz zu verbrauchender Embryonenforschung nicht um Forschung an Lebenden, sondern an Toten. Im übrigen ist selbst diese Forschung, wie die skandalösen Praktiken in Großbritannien demonstriert haben, alles andere als unproblematisch. Forschung an und mit abgegangenen Föten darf jedenfalls nicht ohne Zustimmung der Eltern erfolgen, möglicherweise wegen des gebotenen postmortalen Würdeschutzes nicht einmal mit deren Einwilligung, weil auch sie insoweit kein Verfügungsrecht besitzen.

V. Resümee

Lassen wir uns also in unserem moralischen und verfassungsrechtlichen Werturteil über menschliches Leben nicht irremachen, nicht korrumpieren durch ebenso vage wie wohlfeile Heilungs- und Heilsversprechen, hinter denen kommerzielle Verwertungsstrategien stehen. Die Forderung nach verbrauchender Nutzanwendung menschlichen Lebens stellt mit ihrem Nützlichkeitsdenken einen Generalangriff auf die Menschenwürde dar, den es abzuwehren gilt. Die utilitaristisch-suggestive Frage, ob die verwaisten, dem Tod geweihten, ohnehin zum Sterben verurteilten Embryonen nicht noch sinnvoll für sich möglicherweise künftig lebensrettend oder -verlängernd auswirkende Forschung eingesetzt werden können – „Dem Tode bestimmt, dem Leben gewidmet“30 –, muss – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – mit einem kategorischen Nein beantwortet werden. Menschenleben ist keine noch so vermeintlich guten Zwecken dienstbar zu machende Substanz. Es darf nicht Mittel zum Zweck werden. Nein, auch die verwaisten Embryonen haben als morituri noch einen letzten Anspruch, der unter allen Umständen zu erfüllen ist: den auf einen menschenwürdigen, d.h. „nutzlosen“ Tod, der sinnvoll ist, weil er sie aus dem unwürdigen Schwebezustand der Konservierung erlöst und ihnen – christlicher Glaubensüberzeugung gemäß – das ewige Leben schenkt.

Referenzen

  1. Wünsche on the rocks. Zur Gentechnik: Kölner Streitgespäch mit Wolfgang Clement, in: FAZ Nr. 280 v. 1.12.2001, S. 44
  2. Renesse, M. v., Dem Tode bestimmt, dem Leben gewidmet. Ist der Import von embryonalen Stammzellen akzeptabel? In: Wachstumsmarkt Biotechnologie. Verlagsbeilage der FAZ v. 7.11.2001, Nr. 259, S. B 1
  3. Damit soll die fremdnützige Verwendung extrakorporal erzeugter Embryonen verhindert werden, vgl. Begründung des RegE ESchG, BT-Drucks. 11/5460, B., zu § 1 Abs. 1 Nr. 4, S. 9, zu § 2, S. 10, weil es mit der in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG getroffenen Wertentscheidung zugunsten des menschlichen Lebens unvereinbar ist, menschliches Leben zu erzeugen, um es alsbald wieder zu vernichten (Begr. zu § 1 Abs. 1 Nr. 2, ebd., S. 8).
  4. Vgl. dazu die Begründung des RegE ESchG, BT-Drucks. 11/5460, A. III., S. 6; Stellungnahme des BRates – zu Artikel 1 – neu – (vor § 1), ebd., S. 13. Auch Renesse, M. v., (FN 2) meint, es gebe derzeit keine Möglichkeit, durch Verfahrensregeln den bösen Verdacht glaubhaft auszuräumen, die Methode der künstlichen Befruchtung könne einem zweifachen Ziel dienen, „nämlich der Erfüllung eines Kinderwunsches ebenso wie der Gewinnung von interessantem wissenschaftlichem Material.“
  5. Andere mit der In-Vitro-Fertilisation verwandte Techniken sind das GIFT- und ZIFT-Verfahren. Während beim GIFT (Transfer der männlichen und weiblichen Gameten in den Eileiter) die Befruchtung erst im Eileiter, d.h. auf natürlichem Weg stattfindet, wird beim ZIFT die Eizelle erst nach der Befruchtung, aber noch vor der Zellteilung in den Eileiter übertragen. Schließlich gibt es noch die intrazytoplasmatische Spermieninjektion. Näher zu den einzelnen Methoden und zu deren medizinischer Indikation siehe Ziff. 1 und 3.2.1 der Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion, abgedruckt in: Deutsches Ärzteblatt 95 (1998), S. A-3166 sowie Stoppard, M., Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt, Ravensburg (1997), S. 44-49
  6. Damit soll dem Entstehen sog. „überzähliger“ Embryonen entgegengewirkt werden (Begründung des RegE ESchG, zu § 1 Abs. 1 Nr. 3, BT-Drucks. 11/5460, S. 9)
  7. Mit der Begrenzung der Zahl der zu übertragenden Embryonen soll „die bewusste Inkaufnahme der gezielten Tötung von Mehrlingen im Mutterleib als Folge der künstlichen Befruchtung“ vermieden werden, die „aus ethischen Gründen abzulehnen und strafrechtlich zu verbieten“ ist (Stellungnahme des BRates zum RegE ESchG, zu Artikel 2 – neu – (§ 1 Abs. 1 RegE), BT-Drucks. 11/5460, S. 14)
  8. Siehe dazu das Vorwort u. näher die Durchführungsbedingungen (4.1) der o.a. Richtlinien: „Das Risiko, besonders für höhergradige Mehrlinge, mit allen gesundheitlichen und sozialen Problemen für Kinder und Eltern, wiegt so schwer, dass ihm das alleinige Ziel des Schwangerschaftserfolgs untergeordnet werden muss“.
  9. Zu den belastenden Umständen, den Erfolgen und Misserfolgen der IVF vgl. die empirische Untersuchung von Bastian, E., Berg, G., Die Technisierung der Zeugung. Die Entwicklung der In-Vitro-Fertilisation in der Bundesrepublik Deutschland, Pfaffenweiler (1997)
  10. Zur „Mehrlingsreduktion mittels Fetozid“ in Fällen medizinischer Indikation (zur Abwehr gesundheitlicher Risiken für die Mutter und zur Erhaltung der Lebensfähigkeit der übrigen Feten) siehe Ziff. 2 der Stellungnahme der „Zentralen Kommission der Bundesärztekammer zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Reproduktionsmedizin, Forschung an menschlichen Embryonen und Gentherapie“. Siehe auch die Erklärung des Weltärztebundes zu den ethischen Aspekten der Embryonenreduktion, verabschiedet von der 47. Generalversammlung im September 1995.
  11. Siehe dazu „Drei sind einer zuviel“, in: Der Spiegel 4/2002, S. 81- 83
  12. Die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion verschleiern diesen Tatbestand, indem es dort sybillinisch heißt, „Ehepaare sollen darüber aufgeklärt werden, welche Maßnahmen für den Fall möglich sind, dass Embryonen aus unvorhersehbarem Grund nicht transferiert werden können“ (Ziff. 3.4.). Hier kommt de lege lata nur die Konservierung in Betracht.
  13. BVerfGE 88, 203, 252f., 266
  14. Dabei bleibt die bei erheblichem Krankheitsbefund in fataler Weise demotivierende Wirkung der Präimplantationsdiagnostik, d.h. der genetischen Untersuchung der Embryonen vor ihrem Transfer, hier wegen ihrer bisherigen Unzulässigkeit (vgl. § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 ESchG) noch außer Betracht.
  15. Vgl. BVerfGE 88, 203, LS 3, 252f
  16. Vgl. BVerfGE 88, 203, LS 4, 256
  17. Das Deutsche IVF-Register (DIR), Jahrbuch 2000, S. 12 gibt folgende „Behandlungsergebnisse IVF 2000“ an: Bei insgesamt 28.655 IVF-Behandlungen kam es in 24.462 Fällen zu einer erfolgreichen Fertilisierung von mindestens einer Eizelle pro Zyklus. In 23.944 Fällen war mindestens ein Embryo vorhanden. In 23.834 Fällen wurde der Embryotransfer durchgeführt. Es kam anschließend zu 6.292 Schwangerschaften (= 26,4% der transferierten Embryonen) und 3.161 Geburten (= 50,24% der Schwangerschaften).
  18. Das DIR Jahrbuch 2000 (S. 26) gibt an, dass im Jahr 2000 214 Embryonen von 88 Paaren aufgrund einer Notfallmaßnahme kryokonserviert worden sind. Die Gesamtzahl „überzähliger Embryonen“ ist derzeit noch unbekannt. Auf Anfrage des Bundesgesundheitsamtes wurde eine Erhebung in den einzelnen IVF-Zentren zum Stichtag 31.12.2001 durchgeführt, deren Ergebnis im Januar 2002 vorliegen sollte.
  19. Vgl. Begründung des Reg ESchG, A. III., S. 6, B., zu § 1Abs. 1 Nr. 1, S. 7: „Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass das Risiko negativer Auswirkungen einer sog. gespaltenen Mutterschaft nicht in Kauf genommen werden kann.“
  20. Vgl. BVerfGE 88, 203, 251f.
  21. Das hat auch der Gesetzgeber ausweislich der Materialien zum ESchG erkannt: „Der Entwurf ist bestrebt, der Embryonenspende wie den verschiedenen Formen der Ersatzmutterschaft schon im Vorfeld zu begegnen, indem er bereits die auf den späteren Embryonentransfer zielende künstliche Befruchtung poenalisiert. Damit will der Entwurf zugleich ein generelles Verbot der sog. Embryonenspende entbehrlich machen. Ein derartiges Verbot wäre nämlich zumindest in den Fällen nicht unbedenklich, in denen eine Embryonenspende die einzige Möglichkeit bietet, den Embryo vor einem Absterben zu bewahren (Begründung zum RegE ESchG, B., zu § 1 Abs. 1 Nr. 2, BT-Drucks. 11/5460, S. 8; Hervorh. v. Verf.)“. Zu Unrecht anderer Ansicht der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum RegE, zu Artikel 2 – neu – (§ 2a – neu –), ebd., S. 16. Es ist daher nicht richtig, wenn Renesse, M. v., (FN 2) behauptet: „Ein verwaister Embryo nach künstlicher Befruchtung hat mit dem Verlust seiner Mutter ebenfalls keine Chance mehr, sein Leben zu entfalten. Er ist dem Tode verfallen.“
  22. Diederichsen, in: Palandt, BGB, 60. Aufl. 2001, Einf v § 1741Rz. 2
  23. Für die „Adoptionslösung“ auch Wuermeling, H.-B., Der Notstand. Wohin mit verwaisten Embryonen, in: FAZ Nr. 131 v. 8.6.2001, S. 48
  24. BVerfGE 39, 1, 41; 88, 203, 252
  25. Zutreffend begründet der RegE ESchG das allgemeine Verbot der Verwendung menschlicher Embryonen zu fremdnützigen Zwecken mit der „Erwägung, dass menschliches Leben grundsätzlich nicht zum Objekt fremdnütziger Zwecke gemacht werden darf. Dies muss auch für menschliches Leben im Stadium seiner frühesten Entwicklung gelten“ (zu § 2, BT-Drucks. 11/5460, S. 10). Siehe auch die Stellungnahme des Bundesrates zu Artikel 2 – neu – (§ 1 Abs. 2a – neu – ), ebd., S. 14, die das „Verbot jeglicher Forschung an überzähligen Embryonen“ mit der Gefahr rechtfertigt, „dass Forschung an solchen Embryonen eine Entwicklung einleiten würde, die mit der objektiven Idee der Menschenwürde nicht vereinbar wäre“, es allerdings zu Unrecht für fraglich hält, „ob eine Forschung an solchen Embryonen für hochrangige medizinische Zwecke mit dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde [dieser Embryonen selbst; Erg. des Verf.] unvereinbar wäre“.
  26. Kant, I., Metaphysik der Sitten. Einteilung der Rechtslehre, B. (Das angeborne Recht ist nur ein einziges), in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Kants Gesammelte Schriften, Berlin 1908/1913, Bd. VI, S. 203-414, 237f
  27. BVerfGE 88, 203, 253f
  28. Diese Achtungspflicht deckt sich mit Kants praktischem Imperativ. Siehe dens., Grundlegung zu einer Metaphysik der Sitten (FN 24), Bd. IV, S. 385-464, 428f.: „[D]er Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen, sondern muss in allen seinen sowohl auf sich selbst als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden. (...) Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserm Willen, sondern der Natur beruht, haben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen relativen Wert als Mittel und heißen daher Sachen, dagegen vernünftige Wesen Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst, d.i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet, mithin sofern alle Willkür einschränkt (und ein Gegenstand der Achtung ist). Dies sind also nicht bloß subjektive Zwecke, deren Existenz als Wirkung unserer Handlung für uns einen Wert hat; sondern objektive Zwecke, d.i. Dinge, deren Dasein an sich selbst Zweck ist, und zwar ein solcher, an dessen Statt kein anderer Zweck gesetzt werden kann, dem sie bloß als Mittel zu Diensten stehen sollten, weil ohne dieses überall gar nichts von absolutem Werte würde angetroffen werden; (...) Der praktische Imperativ wird also folgender sein: Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“
  29. So aber Renesse, M. v., (FN 2). § 5 Abs. 4 Nr. 2 ESchG nimmt allerdings die künstliche Veränderung der Erbinformation einer körpereigenen Keimbahnzelle, die einer toten Leibesfrucht entnommen worden ist, unter bestimmten Voraussetzungen von dem strafbewehrten Verbot künstlicher Veränderungen menschlicher Keimbahnzellen aus, lässt also insofern Forschungsexperimente zu.
  30. So der Titel des Beitrags von Renesse, M. v., (FN 2)

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Prof. Dr. Christian Hillgruber
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Anthropologie und Bioethik
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