Hat die Bioethikkommission im Bundeskanzleramt die Diskussion über biopolitische Themen gefördert und belebt?

Imago Hominis (2002); 9(4): 225-226
Johannes Bonelli

Die Österreichische Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes hat der Öffentlichkeit seinen ersten Tätigkeitsbericht über den Zeitraum vom 2. Juli 2001 bis 3. Juli 2002 vorgelegt. Der Bericht im Wortlaut ist auf der Homepage des Bundeskanzleramtes www.bka.gv.at/bioethik/index-taetigkeitsbericht.html abrufbar.

Im Berichtszeitraum hat die Kommission 10 Sitzungen abgehalten und dabei eine Empfehlung und zwei Stellungnahmen ausgearbeitet:

Am 11. Februar 2002 hat sie eine Empfehlung für einen Beitritt Österreichs zur Biomedizinkonvention des Europarates abgegeben.

Am 6. März 2002 hat sie die Stellungnahme zur Frage der innerstaatlichen Umsetzung der Biotechnologie-Richtlinie verabschiedet.

Am 8. Mai erfolgte die Stellungnahme zur Frage der Stammzellenforschung im Kontext des 6. Rahmenprogramms der EU im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration als Beitrag zur Verwirklichung des europäischen Forschungsraums (2002-2006).

Die letzte Stellungnahme hat allerdings zwei alternative Empfehlungen enthalten. Die erste wurde vom Vorsitzenden, Prof. Johannes Huber und weiteren zehn Mitgliedern, die zweite vom stellvertretenden Vorsitzenden, Prof. Günther Pöltner und weiteren sieben Mitgliedern unterstützt. Diese Stellungnahme wurde von Imabe (vgl. Imago Hominis Band 9, Heft 2, S. 88-89) kommentiert. Es war erfreulich, dass die Österreichische Bundesregierung sich nicht durch das Stimmenverhältnis irritieren ließ und der Ministerrat der EU nach der zweiten, ethisch korrekteren Empfehlung abstimmte.

Es ist sicherlich noch verfrüht, nach einem Jahr Tätigkeit die Frage zu beantworten, ob diese neue Einrichtung den Erwartungen entsprochen hat. Wenn man aber die Aufgaben vergleicht, die ihr in der Verordnung Nr. 226 (vgl. BGBl vom 29. Juni 2001) zugeteilt wurden, könnte man vermuten, sie sei nicht auf dem besten Weg, das ihr Angetragene einzulösen. Allein die Aufgabe „Information und Förderung der Diskussion über wichtige Erkenntnisse der Humanmedizin und -biologie und über die damit verbundenen ethischen Fragen in der Gesellschaft" (vgl. Verordnung § 2, (1), 1) scheint ziemlich zu kurz gekommen zu sein. Von einer Förderung der Diskussion auf breiter Basis, wie der Bundeskanzler und der Vorsitzende der Kommission in der Gründungsphase immer wieder betont haben, ist man noch sehr weit entfernt. Besonders auf die letzte Stellungnahme (aber auch auf die anderen) gab es heftige Reaktionen, mit denen sich die Kommission nicht auseinandergesetzt hat. Will die Kommission wirklich die Diskussion fördern? Man kann diese Frage vorerst nur verneinen. Die deutsche Schwesterinstitution beim Berliner Bundeskanzleramt, der Nationale Ethikrat hat beschlossen, ab 2002 alle Sitzungen des Nationalen Ethikrats öffentlich zugänglich zu machen. Dies könnte man auch in Österreich machen.

Die nächste Periode der Bioethikkommission verspricht spannend zu werden. Bereits in der Sitzung vom 3. Juli 2002 wurde die Behandlung des Fortpflanzungsmedizingesetzes und die UN-Antiklonkonvention angekündigt. Zur letzteren siehe unsere Stellungnahme in diesem Heft (vgl. auch Imago Hominis Band 9, Heft 2, S.79-80). Welche Empfehlung wird hier zu erwarten sein? Kompromissloses Klonverbot oder wieder ein Verbot mit Hintertüren?

Es war auch zu erwarten, dass die Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes irgendwann auf die Tagesordnung kommen sollte. Die Österreichische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, dessen prominentestes Vorstandsmitglied gleichzeitig Präsident der Ethikkommission ist, macht seit Jahren Druck, um dieses Gesetz zu ändern. So soll die Aufbewahrungsfrist tiefgefrorener Eizellen, Samenzellen und Embryonen von einem Jahr auf zehn Jahre verlängert, eine Gleichstellung von Ei- und Samenzelle als Spende für die heterologe künstliche Befruchtung erwirkt, die Zulassung von Präimplantationsdiagnostik und Versuche mit Embryonen ermöglicht werden. Der Präsident der Gesellschaft, Prof. Fischl, Oberarzt an der Abteilung, der Prof. Huber vorsteht, hat dieses Vorhaben im November 2000 in einer Enquete im Justizministerium präsentiert. Nicht wenige in Österreich wünschen sich, dass die Ethikkommission diese Diskussion auf breiter Basis beginnt, weil sie die Frage der Rechtfertigung der IVF neu aufrollen wollen. Die Erfahrung der letzten zwölf Jahre hat nämlich gezeigt, dass mit der Einführung der IVF der Rubikon des Lebensschutzes überschritten wurde, d.h. diese Technik stellt die erzeugten Embryonen auch für andere Zwecke als reproduktive zur Verfügung, ohne dass dagegen etwas getan werden kann. IVF setzt faktisch jeden legalen Embryonenschutz außer Kraft. Die Diskussion über ein effizientes Embryonenschutzgesetz in Österreich wäre daher sehr wichtig.

Anschrift des Autors:

Univ.-Prof. Dr. Johannes Bonelli
Direktor des KH St. Elisabeth
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Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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