Das Europäische Parlament hat sich in seiner Resolution zur Geschlechtergleichstellung (Gender Equality Strategy 2025) eindeutig gegen Leihmutterschaft ausgesprochen. Im § 14 der Resolution, die am 13. November 2025 verabschiedet wurde, heißt es: „Das Europäische Parlament verurteilt die Praxis der Leihmutterschaft, die die reproduktive Ausbeutung und Nutzung der Körper von Frauen zu finanziellen oder anderen Zwecken beinhaltet, insbesondere im Fall besonders gefährdeter Frauen in Drittländern; es fordert die Kommission auf, Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Phänomen zu beenden.“
Diese Position knüpft an frühere parlamentarische Resolutionen aus den Jahren 2015 und 2017 an, in denen bereits Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen und Mädchen im Kontext der Leihmutterschaft thematisiert wurden.
UN-Bericht über Menschenrechtsverletzungen gaben den Anstoß
Die Resolution des EU-Parlaments steht im Kontext eines kürzlich veröffentlichten UN-Berichts über Leihmutterschaft und Menschenrechtsverletzungen der pakistanischen Sonderberichterstatterin Reem Alsalem über Leihmutterschaft und Menschenrechtsverletzungen. Der umfassende Bericht dokumentiert die Schäden aller Formen von Leihmutterschaft und ruft zu einem globalen Verbot auf. Er wird als Meilenstein für den Schutz von Frauen und Mädchen gesehen. (Bioethik aktuell, 09.10.2025)
228 Nichtregierungsorganisationen aus 40 Ländern, darunter zahlreiche feministische Organisationen aus Lateinamerika, der Ukraine, Nigeria, Spanien, Schweden und Australien, hatten sich dieser Forderung in einer gemeinsamen Erklärung angeschlossen.
„Leihmutterschaft behandelt Frauen und Kinder als Waren. Die Europäische Union hat einen wichtigen Schritt gesetzt, um ihre inhärenten Schäden anzuerkennen“, betont Carmen Correas von ADF International. In der EU wachse der Wille, „jede Unklarheit zu beseitigen“ und Leihmutterschaft als „universelles Verbrechen einzustufen“, sagt der italienische EU-Abgeordnete Paolo Inselvini. (Pressemitteilung ADF International, 19.11.2025).
Rechtliche Grundlage für Veränderung
Die Resolution des EU-Parlaments dient als Auslegungsrahmen für die Europäische Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels (EU 2024/1712), die ausdrücklich auf die „Ausbeutung durch Leihmutterschaft“ als eine Form der reproduktiven Ausbeutung verweist. Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle Formen der mit der menschlichen Fortpflanzung verbundenen Ausbeutung anzuerkennen und zu sanktionieren. Somit wird eine klare rechtliche Grundlage geschaffen, um innerhalb der Europäischen Union gegen Leihmutterschaft vorzugehen. (Casablanca Declaration, 14.11.2025).
Der Körper der Frau darf nicht kommerzialisiert werden
Die Resolution hebt zentrale Punkte der ethischen Debatte um Leihmutterschaft hervor. In den meisten Fällen kommen Leihmütter aus finanziell und sozial benachteiligten Verhältnissen, während die „Bestelleltern“ oft wohlhabend sind und aus westlichen Ländern stammen. Diese asymmetrische Machtstruktur begünstigt, dass ökonomisch benachteiligte Frauen aus Entwicklungsländern ausgenutzt werden.
Die Praxis treibt zudem eine weltweite Milliardenindustrie an, die den Körper der Frau und des Kindes für finanziellen Gewinn ausnutzt und weitgehend ohne verbindliche ethische Standards operiert. In diesem Zusammenhang bekräftigt die Resolution den Grundsatz der Nicht-Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, der im europäischen wie im internationalen Recht zentral verankert ist.
Leihmütter berichten von traumatischen Erfahrungen
Hinter den Resolutionen und offiziellen Statements dürfen die individuellen Schicksale betroffener Frauen nicht vergessen werden. Viele Frauen berichten von traumatischen Erfahrungen als Leihmutter. Sie weisen höhere Raten von Depressionen nach der Geburt auf und leiden häufiger unter posttraumatischen Belastungsstörungen, Angststörungen und chronischem Stress (Bioethik aktuell, 02.10.2024).
Das Center for Bioethics and Culture Network gibt Leihmüttern eine Stimme, um ihre Erfahrungen zu teilen. Eine Leihmutter aus den USA berichtet unter dem Pseudonym Erika, wie sie während des gesamten Prozesses durch einschränkende Verträge kontrolliert wurde. Es wurde festgelegt, wo sie wohnen durfte, wie weit sie sich von zu Hause wegbewegen durfte und was sie essen durfte. Die auftraggebende Person, die intensiven Druck auf Erika ausübte, war nicht die biologische Mutter des Kindes – das Kind entstand mit dem Samen ihres verstorbenen Bruders und einer gespendeten Eizelle.
„Ich habe mich wie eine Sklavin gefühlt“
Erika berichtet weiter: „Ich habe mich wie eine Sklavin gefühlt. Es war, als hätte jemand Kontrolle über jeden Aspekt meines Lebens gewollt. Die ganze Erfahrung hat mich entmenschlicht.“ Ihr einziger Wunsch, das Kind nach der Geburt zu sehen, wurde ihr verweigert. Das Baby wurde sofort nach der Geburt von den Hebammen weggenommen und zu der auftraggebenden Person gebracht. Erika betont, dass sie dieser Moment am Ende des gesamten Prozesses am meisten traumatisiert hat.
Es gibt viele Erfahrungsberichte wie diese. Sie zeigen, wie auch vermeintlich altruistische Leihmutterschaft Frauen vulnerabel macht und leicht zu Entmenschlichung und Ausbeutung führen kann.
Rechtliche Grundlage für Veränderung
Die Resolution dient als Auslegungsrahmen für die Europäische Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels (EU 2024/1712), die ausdrücklich auf die „Ausbeutung durch Leihmutterschaft“ als eine Form der reproduktiven Ausbeutung verweist. Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle Formen der mit der menschlichen Fortpflanzung verbundenen Ausbeutung anzuerkennen und zu sanktionieren. Somit wird, wie die Casablanca Declaration betont, eine klare rechtliche Grundlage geschaffen, um innerhalb der Europäischen Union gegen Leihmutterschaft vorzugehen.
Kritische Einordnung der Gesamtresolution
Die klare Positionierung des EU-Parlaments gegen Leihmutterschaft ist aus bioethischer Sicht zu begrüßen und stellt einen wichtigen Schritt zum Schutz vulnerabler Frauen dar. Allerdings ist anzumerken, dass diese Position Teil einer umfassenderen Resolution zur Geschlechtergleichstellung (Gender Equality Strategy 2025) ist, die erhebliche Widersprüche und problematische Forderungen enthält. Darauf hat das in Wien ansässige Athena Froum in einer ausführlichen Stellungnahme hingewiesen.
Innere Widersprüche bei der Leihmutterschaft
So verurteile das Dokument einerseits Leihmutterschaft als reproduktive Ausbeutung, beziehe sich aber gleichzeitig positiv auf die Yogyakarta Principles +10, ein Aktivisten-Manifest, das Leihmutterschaft ausdrücklich befürwortet und normalisiert (Prinzip 24 (k), „Relating to the Right to Found a Family“). Zudem unterstütze die Resolution den Kommissionsvorschlag zur grenzüberschreitenden Elternschaft, der Leihmutterschaft explizit in seinen Anwendungsbereich einbezieht und Mitgliedstaaten verpflichtet, durch Leihmutterschaft begründete Elternschaft anzuerkennen. Die Resolution befürworte damit einen Gesetzesvorschlag, der die Ergebnisse von Leihmutterschaft normalisiert, während sie gleichzeitig Leihmutterschaft als schädliche Praxis bezeichnet. kritisiert das von der Ex-Grünen-Politikerin Faika El-Nagashi gegründete Athena Forum.
Abtreibung als Menschenrecht?
Darüber hinaus fordert dasselbe Dokument in Punkt 29 die Aufnahme des „Rechts auf sichere und legale Abtreibung“ in die EU-Grundrechtecharta und spricht sich für einen EU-weiten finanziellen Solidaritätsmechanismus für Abtreibung aus (Punkt 30). „Aus ethischer Perspektive erscheint es widersprüchlich, einerseits die Kommerzialisierung des weiblichen Körpers und die Ausbeutung vulnerabler Frauen bei der Leihmutterschaft anzuprangern, andererseits aber den Schutz ungeborenen Lebens nicht gleichermaßen zu thematisieren“, gibt IMABE-Direktorin Susanne Kummer zu bedenken.
Die Resolution zeige damit exemplarisch die Spannung zwischen verschiedenen ethischen Anliegen: Während beim Thema Leihmutterschaft der Schutz von Frauen und Kindern vor Ausbeutung im Vordergrund steht, wird dieser Schutzgedanke bei anderen reproduktiven Fragen nicht konsequent durchgehalten. „Für die bioethische und politische Debatte bleibt es eine Herausforderung, beide Dimensionen – den Schutz der Frau und den Schutz des ungeborenen Lebens – sowie die Integrität biologischer Geschlechtskategorien gleichermaßen im Blick zu behalten“, betont Ethikerin Kummer.
Resolution ist dennoch ein wichtiges Signal
Trotz dieser erheblichen Widersprüche und begrifflichen Unschärfen in der Gesamtresolution bleibt die Verurteilung der Leihmutterschaft durch das EU-Parlament ein bedeutsames Signal und bietet eine rechtliche Grundlage für künftige Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Kindern. Die Resolution macht deutlich, dass die Kommerzialisierung des menschlichen Körpers und die Ausbeutung vulnerabler Frauen nicht toleriert werden dürfen. Dies ist ein Fortschritt, der anzuerkennen und zu unterstützen ist – auch wenn die Forderung nach konzeptioneller Konsistenz und echtem Schutz aller vulnerablen Gruppen berechtigt bleibt.