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Social Egg Freezing: „Kinderwunsch auf Eis“ weckt unrealistische Hoffnungen auf Nachwuchs

Der Verfassungsgerichtshof befasst sich am 13. Juni mit dem Social Egg Freezing-Verbot in Österreich

Lesezeit: 04:00 Minuten

Noch keinen Partner, noch keinen Kinderwunsch? Kein Problem. Ein Tiefkühllager ihrer Eizellen auf Vorrat (Social Egg Freezing) soll Frauen ermöglichen, zum selbst gewählten Zeitpunkt mittels künstlicher Befruchtung ein eigenes Kind zu bekommen, so die Verheißung. Aktuelle Studien zeigen ein anderes Bild: Kaum eine Frau bekommt nach Social Egg Freezing tatsächlich ein Kind. Die Kosten sind hoch und die gesellschaftlichen Probleme hinter der verzögerten Familienplanung bleiben ungelöst.

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Immer mehr Frauen verschieben den Kinderwunsch – sei es aus beruflichen Gründen, wegen fehlender Partnerschaft oder anderer Lebensumstände. Social Egg Freezing, das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen ohne medizinische Indikation, verspricht ihnen Kontrolle über die Reproduktion. Aktuelle Zahlen aus der Schweiz zeigen: Das Interesse wächst. 2023 ließen über 2.500 Frauen ihre Eizellen einfrieren. Dies entspricht laut dem Schweizerischen Bundesamt für Gesundheit einem Zuwachs von 28  Prozent gegenüber dem Vorjahr. Einzelne Unternehmen, wie in der Schweiz die Pharmafirma Merck, zu deren Hauptgeschäftsfelder der Bereich der künstlichen Befurchtung zählt, bezahlen ihren Mitarbeiterinnen sogar die Kosten für das Einfrieren von Eizellen. Was als Technik zur Selbstermächtigung vermarktet wird, ist in Wahrheit komplex: Social Egg Freezing ist medizinisch aufwendig, ethisch umstritten und oft mit enttäuschend niedriger Erfolgsquote verbunden (Bioethik aktuell, 2.10.2023).

In Österreich ist Social Egg Freezing nur bei medizinischer Indikation erlaubt, etwa bei Krebserkrankungen. Eine gesunde Frau aus Wien will das ändern: Sie sieht sich durch das gesetzliche Verbot in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK) verletzt. Der Verfassungsgerichtshof wird sich am 13. Juni 2025 mit dem Antrag in einer öffentlichen Anhörung befassen.

Begrenzte Erfolgschancen und altersabhängige Verschlechterung

Die Erfolgsaussichten sind stark altersabhängig und werden oft überschätzt. Während bei vor dem 35. Lebensjahr gewonnenen Eizellen noch Schwangerschaftsraten von bis zu 90 Prozent bei 24 Eizellen erreicht werden können, sinkt diese Rate nach dem 35. Lebensjahr drastisch auf nur 29,7 Prozent (Gynäkologie in der Praxis, Springer 2025). Für eine 80-prozentige Erfolgschance sind bei einer Anfang 30-jährigen Frau etwa 20 Eizellen erforderlich, bei 40-Jährigen bereits doppelt so viele (Gynäkologische Endokrinologie, Springer 2023). Die durchschnittliche Lebendgeburtenrate pro eingefrorenem und anschließend befruchtetem Eizellensatz liegt altersabhängig bei nur etwa 5–10 Prozent bei Frauen über 38 Jahren. 90 Prozent der Frauen gehen am Ende ohne Kind nach Hause. Frauen über 42 Jahre haben statistisch kaum noch realistische Chancen auf eine Schwangerschaft mit eigenen Eizellen – auch dann nicht, wenn diese in jüngerem Alter eingefroren wurden. 

Medizinische Risiken und sozialethische Fragen

Das Verfahren ist zudem mit medizinischen Risiken behaftet: Das ovarielle Überstimulationssyndrom (OHSS) trifft 3-6 Prozent der Patientinnen, bei 0,5-1 Prozent verläuft es lebensbedrohlich. Späte Schwangerschaften ab 40 Jahren erhöhen zudem das Risiko für Gestationsdiabetes (2,5-fach) und Frühgeburten (1,8-fach). Zusätzlich bestehen Komplikationsrisiken bei der vaginalen Punktion. Problematisch ist auch, dass späte Schwangerschaften generell mit erhöhten Risiken für Mutter und Kind verbunden sind, was durch das Social Egg Freezing nicht verhindert wird (Bioethik aktuell, 17.2.2025). 
Zwar wird argumentiert, dass die Risiken individuell verschieden sind und auch jüngere Frauen mit Vorerkrankungen ein erhöhtes Risikoprofil aufweisen können. Dennoch bleibt das sozialethische Problem bestehen: Wenn eine invasive und kostenintensive Methode ohne medizinische Notwendigkeit angewendet wird, steigt der Maßstab, an dem Effizienz und Sicherheit gemessen werden müssen.

Begrenzte Planbarkeit – viele Frauen nutzen die Eizellen nie

Trotz hoher Erwartungen bleibt Social Egg Freezing für die allermeisten Frauen eine ungenutzte Reserve: Sie greifen nie auf ihre konservierten Eizellen zurück. So zeigt eine internationale Metaanalyse (Human Reproduction Update 2024), dass nur etwa 11 Prozent der Frauen ihre eingefrorenen Eizellen später tatsächlich für eine künstliche Befruchtung nutzen. Gründe dafür sind, weil sie auf natürlichem Weg schwanger werden, sich ihre Lebensumstände ändern oder die Voraussetzungen für eine IVF nicht (mehr) stimmen.

Erhebliche psychische Nebenwirkungen

Auch die psychische Belastung ist nicht zu unterschätzen: 33 Prozent der Frauen bereuen im Nachhinein ihre Entscheidung zum Social Egg Freezing, 16 Prozent sogar massiv, insbesondere, wenn die Erfolgsaussichten geringer sind als erhofft oder die Belastungen der künstlichen Befruchtung unterschätzt wurden.

Technik als Lösungen für persönliche und gesellschaftlich geprägte Lebensfragen

Social Egg Freezing suggeriert Kontrolle über biologische Prozesse, verschleiert dabei aber zugrunde liegende Defizite: hoher Erwartungsdruck, mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf und fehlende stabile Beziehungen. Die Möglichkeit, Eizellen einzufrieren, wird als individuelle Lösung für kollektive Probleme präsentiert. Damit wird Mutterschaft technisiert, nicht erleichtert. Weibliche Selbstbestimmung wird an finanzielle und medizinische Bedingungen geknüpft.

Ethik der Medizin: Lifestyle-Angebot oder echte Hilfe?

Social Egg Freezing ist ein Angebot ohne medizinische Indikation Es behandelt kein Leiden, sondern bietet eine scheinbar komfortable Lifestyle-Dienstleistung an, deren Nutzen medizinisch höchst fragwürdig ist. Damit stellt sich die Frage: Verliert die Medizin ihren ethischen Anker, wenn sie zur Dienstleisterin reproduktiver Optimierung wird? Die niedrige Nutzungsrate zeigt: Anstatt Mutterschaft besser zu ermöglichen, wird sie weiter technologisiert und individualisiert mit dem Ergebnis, dass das eigentliche Ziel - dei Familiengründung - oft nicht erreicht wird.

Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, ist keine rein technische oder biologische Frage, sondern zutiefst relational: Sie hängt vom Partner, der Lebenssituation, den wirtschaftlichen Umständen und vom gesellschaftlichen Klima ab. Diese komplexen Faktoren lassen sich jedenfalls nicht durch Einfrieren von Eizellen bewältigen.

Institut für Medizinische
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