Die Multimorbidität älterer Menschen

Imago Hominis (2010); 17(1): 37-42
Johannes Bonelli

Zusammenfassung

Langes Leben war seit jeher ein Menschheitstraum. Dabei muss allerdings zwischen dem Phänomen „Altern“ an sich und dem Wunsch „alt zu werden“ unterschieden werden. Alt werden will jeder, altern hingegen niemand. Dennoch: Altern ist ein natürlicher und unentrinnbarer Vorgang. Er führt zu einer fortschreitenden Instabilität im homeostatischen Gleichgewicht des Organismus. Als Folge davon kommt es zu einer ganzen Reihe von Organveränderungen und zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit und Empfindlichkeit auf Medikamente. Daraus resultiert die typische Multimorbidität alter Menschen. Wenngleich es einige Ansätze gibt, den Alterungsprozess und die Multimorbidität zumindest hinauszuschieben, so muss doch festgestellt werden, dass es sich hier letztlich um einen unvermeidlichen Prozess handelt. Die heutige Herausforderung besteht daher darin, das Problem des Alterns nicht zu verdrängen, sondern realistisch ins Auge zu fassen, um den Bedürfnissen unserer alten Menschen gerecht werden zu können und ihnen in Würde zu begegnen.

Schlüsselwörter: Altern, Alter, alt werden, Jungbrunnen, Multimorbidität, Polypharmakopragmasie

Abstract

Long life has always been a dream of human race. However, it is important to distinguish between “aging” and the desire of “growing old”. The former is not desired by anybody whereas the latter is the dream of nearly everyone. Aging can be described as the progressive renstriction of the homeostatic reserve of the organ system. As a consequence elderly people are more likely to suffer from disease, disability and side effects of drugs and are more vulnerable to environmental, pathologic, and pharmacologic challenges. There are some interesting attempts to delay aging and multimorbidity. Yet, in general mankind will not be able to avoid aging completely. Thus, today’s challenge is a realistic approach in dealing with the problem of aging to enable older persons a life in dignity.

Keywords: Aging, Old Age, Grow Old, Fountain of Youth, Multimorbidity, Polypharmacopragmasy


Einleitung

Wenngleich die Ärzteschaft aus Erfahrung weiß, dass alte Menschen zu einem großen Teil multimorbid sind, so erlebt man bei einer Literaturrecherche eine bezeichnende Überraschung: Es gibt nämlich praktisch keine Literatur über Multimorbidität, schon gar nicht über die Multimorbidität alter Menschen. Der Grund dafür ist, dass wir zwar heute mit einer Unzahl von großangelegten kontrollierten Multicenterstudien überschwemmt werden, dass aber kaum Studien ausschließlich an alten Menschen – über 75 Jahre und aufwärts – durchgeführt werden und schon gar nicht an solchen, die multimorbid sind, denn diese fallen von vornherein den Einschluss- bzw. Ausschlusskriterien zum Opfer.

Auf der anderen Seite wissen wir, dass der Anteil der alten Menschen an der Gesamtbevölkerung immer größer und die Lebenserwartung immer höher wird. So leben z. B. heute 50 Prozent von allen Menschen, die je auf dieser Erde das 65-jährige Lebensjahr erreicht haben.1 Der Anteil der älteren Menschen über 65 Jahre an der Gesamtbevölkerung steigt bekanntlich ständig und wird in den nächsten Jahren so ca. 20 Prozent betragen. Diese Patienten konsumieren an die 50 Prozent aller verschriebenen Medikamente. Auf den internen Abteilungen eines normalen Versorgungsspitals sind ca. 50 Prozent aller Patienten über 70 Jahre alt. Wenn man die Krankengeschichten analysiert, dann haben gerade die alten Patienten im Durchschnitt ca. 7 Diagnosen, also sie sind klassisch multimorbid und nehmen mindestens 10 bis 15 Medikamente täglich ein.

Wie gesagt, für diese Patienten gibt es keine evidenzbasierte Medizin, und die Folge ist: Man überträgt die Ergebnisse der Einzelstudien z. B. zu Hypertonie, Diabetes, Osteoporose, Hypercholesterinämie, Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit oder chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung unreflektiert summarisch und geballt auf den multimorbiden, alten Patienten, der alle diese Krankheiten auf einmal hat. Dadurch handelt man sich eine verhängnisvolle Polypharmakopragmasie ein, die vor allem zu einer exponentiellen Kumulation von Nebenwirkungen und Interaktionen führt, die kaum erforscht sind.

Man könnte also pointiert sagen: Die heutige Medizin forscht und therapiert am Großteil ihrer Patienten vorbei.

Anders liegen die Verhältnisse freilich in der Altersforschung bzw. in der biogerontologischen Forschung an sich. Der wachsende Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung in den meisten Industrieländern hat dazu geführt, dass sich die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten zunehmend mit dem Problem des Alterns, dessen Ursachen und deren Bekämpfung auseinandersetzt.2 Dies kann jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass „langes Leben seit jeher ein Hauptwunsch, ja ein Hauptziel der Menschheit war“, wie Christoph Wilhelm Hufeland schon 1796 festgestellt hat.3 Der Traum vom Jungbrunnen und dem Stein der Weisen war immer schon ein beliebtes Thema in Kunst und Literatur (vgl. z. B. Goethes Faust). Wenngleich also der Versuch, das Lebensende so weit wie möglich hinauszuschieben, so alt ist wie die Menschheit selbst, so war man sich dennoch zu allen Zeiten bewusst, dass dieser Menschheitstraum möglicherweise zum Alptraum werden könnte. Hier scheint es nötig, auf eine wichtige Unterscheidung der Begriffe aufmerksam zu machen, nämlich auf die Unterscheidung zwischen dem Phänomen „Altern“ und dem Wunsch, „alt zu werden“. Kurz gesagt: „Alt werden“ will fast jeder Mensch, „altern“ hingegen kaum jemand, denn das „Altern“ wird instinktiv mit verminderter Lebenskraft, körperlichem Verfall, faltiger Haut, ergrautem Haar, Verlust an Seh- und Hörschärfe, Gebrechlichkeit, Immobilität, Abhängigkeit, Verlust der Intimsphäre, Pflegebedürftigkeit, erhöhter Krankheitsanfälligkeit, Siechtum, Demenz, geistiger Umnachtung und Tod in Verbindung gebracht. Alle diese altersspezifischen Gebrechen werden von vielen Menschen als entwürdigend empfunden.4 Bereits in der klassischen griechischen Mythologie wird bei Homer das Schreckensbild eines ewigen Greisenalters an der tragischen Geschichte des jungen Tithonus geschildert: Die Göttin Eos (Aurora) erbat sich von Zeus für ihren Geliebten Tithonus Unsterblichkeit, versäumte aber, auch um ewige Jugend zu bitten, und so wurde Tithonus zwar alt, aber auch zur Senilität verdammt und das war dann ihm, aber auch seiner Gattin gar nicht recht.5

Intuitiv freilich wissen wir alle, dass das Altern ein unvermeidlicher und irreversibler Prozess ist, ein Schicksal, das uns allen bevorsteht, außer der Tod ereilt uns in Jugendjahren.

Multimorbidität und Polypharmakopragmasie

Die Ursache für die Anfälligkeit alter Menschen zu Multimorbidität ist auf zwei Ebenen zu suchen.

1. Altern ist keine heilbare Erkrankung im eigentlichen Sinn. Es ist ein natürlicher Vorgang, ein komplexer biologischer Prozess. Das wesentliche am Alterungsprozess ist eine Abnahme der Adaptationsfähigkeit des Organismus im weitesten Sinne und damit eine erhöhte Anfälligkeit alter Menschen für Krankheiten und zur Multimorbidität.6 Aufgrund des Alterungsprozesses per se kommt es zur Funktionseinschränkung vieler Organe, sodass die physiologischen Kompensationsmechanismen bzw. Reserven (z. B. das Immunsystem) bei alten Menschen natürlicherweise reduziert sind. Dies führt bei vielen Patienten auch zu einer erhöhten Empfindlichkeit auf viele Medikamente, wobei die Balance zwischen Wirkung und Nebenwirkungen deutlich auf die Seite der Nebenwirkungen verlagert wird. Ein typisches Beispiel dafür wären die Zytostatika, mit denen bei vielen älteren Menschen einerseits nur relativ geringe Effekte erreicht werden (also z. B. eine Lebensverlängerung von wenigen Monaten), die aber mit einer erheblichen Reduktion an Lebensqualität durch Nebenwirkungen erkauft werden müssen. (Bei den modernen Chemotherapeutika wie z. B. den Thyrosinkinaseinhibitoren muss man praktisch bei 100 Prozent der onkologischen Patienten mit mittleren bis schweren Nebenwirkungen rechnen.)

In Tab. 1 sind einige typische altersbezogene Organveränderungen aufgelistet, die zur Verschreibung von Medikamenten führen, ohne dass der Patient unbedingt schon als definitiv krank bezeichnet werden könnte.

OrgansystemVeränderungMedikament
Fett/Muskel-RelationGlukosetoleranz ↓Antidiabetika
Knochendichte ↓OsteopenieBisphosphonate, Calcium, Vitamin D
Gefäßrigidität ↑HypertonieAntihypertensiva
Betarezeptoren ↓Herzrhythmusstörungen, kardiale SchwächeKardiaka
Darmmotilität ↓ObstipationLaxantien
KnochenabnützungArthroseNSAR, Schmerzmittel
Urethrale MucosaatrohieInkontinenzAnticholinergika
ProstatahypertrophieHarnstauAlpha-Blocker
HirnatrophieDemenzNootropika
Katecholaminsynthese ↓DepressionAntidepressiva
Dopaminsynthese ↓ParkinsonsyndromAntiparkinsonmittel
SchleimhäuteSicca-SyndromAugentropfen
VestibularisdegenerationSchwindelAntivertiginosa
SchlafzentrumsdegenerationSchlaflosigkeitSchlafmittel
Tab. 1: Typische altersbezogene Organveränderungen

Daraus ergibt sich eine Zahl von ca. 10 bis 15 Medikamentengruppen, die Patienten alleine aufgrund ihres Alters einnehmen können, ohne dass sie wirklich schon als krank zu bezeichnen wären.

2. Auf der zweiten Ebene wird die Multimorbidität alter Menschen dadurch begünstigt, dass viele Risikofaktoren erst im hohen Alter schlagend werden wie z. B. Rauchen, Hypertonie, Übergewicht, Hypercholesterinämie usw. Dadurch kumulieren im Alter auch die echten Krankheitsbilder wie z. B. koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, obstruktive Atemwegserkrankungen, Diabetes usw. Dadurch erweitert sich die Palette der eingenommenen Medikamente logischerweise noch erheblich.

Verschreibungskaskade

Auf ein zusätzliches, gerade bei älteren Menschen häufiges Phänomen, das zur Polypharmokopragmasie führt, soll speziell aufmerksam gemacht werden, weil es oft übersehen und ziemlich weit verbreitert ist, nämlich auf das Phänomen der „Verschreibungskaskade“.

Gerade bei älteren Menschen werden häufig durch Medikamente Nebenwirkungen hervorgerufen, die fälschlicherweise als krankheitsbezogen interpretiert und mit weiteren Medikamenten behandelt werden.

Ein klassisches Beispiel ist die Verschreibung einer Parkinsontherapie für Symptome, die durch Antidepressiva ausgelöst werden. Antiparkinsonmittel können dann gerade bei älteren Menschen psychotische Reaktionen auslösen, sodass dagegen noch ein Neuroleptikum verschrieben wird, das seinerseits wieder extrapyramidale Begleiteffekte hervorruft, aber auch ein dementielles Zustandsbild vortäuschen kann, was dazu verleitet, Cholinesterasehemmer (z. B. Exelon) zu verschreiben. Diese wiederum haben als Nebenwirkungen Durchfall und Inkontinenz und führen zur Verschreibung von Anticholinergika (Inkontan, Detrusidol) usw. So schaukelt sich oft ein verhängnisvoller circulus vitiosus auf, der erst durchbrochen werden kann, wenn alle diese Medikamente wieder abgesetzt werden. Heutzutage sollte jedenfalls bei alten Menschen immer zu allererst an eine Medikamentennebenwirkung gedacht werden, wenn sie mit Beschwerden in der Ordination erscheinen.

Ganz unrecht hat der gute alte Dichter Molière auch heute nicht, wenn er in seinem Stück „Der eingebildete Kranke“ behauptet: „Die meisten Menschen sterben an ihren Heilmitteln, nicht aber an ihrer Krankheit“. Das war um das Jahr 1670!

Strategien aus dem Dilemma

Die Frage ist, wie man diesem Dilemma aus Multimorbidität und Polypharmakopragmasie entrinnen kann. Dazu einige Anregungen:

  1. Zunächst ist jedenfalls zu fordern, dass klinische Studien gezielt auch an multimorbiden alten Patienten durchgeführt werden, zumal ja bei älteren Menschen auch deutliche Veränderungen in der Pharmakokinetik von Medikamenten bestehen (z. B. reduzierte Nierenfunktion, verändertes Verteilungsvolumen usw.).
  2. Bei der medikamentösen Behandlung von multimorbiden älteren Patienten sollte man nach dem Prinzip vorgehen: „So viel wie unbedingt nötig und so wenig wie nur möglich“.
  3. Als Leitlinie für dieses Prinzip kann gelten, dass bei multimorbiden Patienten die Schaden/Nutzen-Abwägung wesentlich kritischer hinterfragt werden muss als bei jüngeren Patienten. Das Beispiel der onkologischen Patienten wurde schon erwähnt.
  4. Auch sollte man bei älteren multimorbiden Patienten mit nur geringer Lebenserwartung auf reine präventive Medikamente, die erst längerfristig zum Tragen kommen, weitgehend verzichten. Als Faustregel kann gelten, dass eine präventive Therapie bei älteren Menschen spätestens dann zu hinterfragen ist, wenn die natürliche Sterberate höher liegt als die Inzidenz des behandelten Ereignisses (also z. B. Herzinfarktrate, Schlaganfall oder das Auftreten von Knochenbrüchen usw.).

Lebensqualität im Alter vs. Lebensverlängerung

In diesem Zusammenhang darf vielleicht bemerkt werden, dass der Heilauftrag des Arztes bei alten multimorbiden Patienten primär in der Verbesserung der Lebensqualität, also in der Symptomlinderung liegen sollte und erst sekundär in Maßnahmen, die zu einer weiteren Lebensverlängerung führen.

Wenn wir aber unsere Patienten weiterhin täglich mit einer Unzahl von Medikamenten überhäufen, so werden sie ihren Lebensabend – wie das heute vielfach schon der Fall ist – in erster Linie mit Pillenzählen und mit der Bekämpfung von deren Nebenwirkungen verbringen. Nach dem Motto: Habe ich die Tablette schon genommen oder habe ich sie noch nicht genommen? Wo hab ich denn das Medikamentenschachterl hingelegt? Welche Tablette muss ich vor dem Essen, welche nach dem Essen nehmen? Wann muss ich zum Arzt? Wo hab ich mir das aufgeschrieben? Um Gottes Willen, ich hab zu Ostern ein Ei und eine Buttersemmel gegessen; ich muss ins Labor, mein Cholesterinspiegel, mein Blutdruck, mein Blutzucker, der Augendruck, die Knochendichte, meine Leberwerte, meine Nierenwerte! usw. usf.

Kein Wunder also, dass heute fast schon jeder zweite unserer älteren Patienten ein Antidepressivum benötigt, und dass 50 Prozent der Patienten die verschriebenen Medikamente dann ohnehin wegen Nebenwirkungen und Unverträglichkeit nicht einnehmen. Hier passieren sicher viele Fehler zum Schaden des Patienten. Das Pflegepersonal kann ein Lied davon singen.7

Ausblick

Die Frage ist, wie in Zukunft dieses Dilemma von altersbedingter Multimorbidität und Polypharmakopragmasie gelöst werden könnte. Das Problem ist, dass wir in Wirklichkeit noch keine etablierte Theorie des Alterungsprozesses haben. Aber sicher dürfte er großteils genetisch determiniert sein, möglicherweise durch einen kontinuierlichen Verlust bzw. eine Verkürzung der Chromosomentelomere, was zu einer zunehmenden Regenerationsunfähigkeit der Zellen und zu einer Instabilität der Organfunktionen führt. Wie dem auch sei, wesentlich wäre, dass der Alterungsprozess an sich an seiner Wurzel beeinflusst werden müsste und nicht erst seine Folgen. Manche optimistische Biogerontologen hoffen, dass dies dadurch gelingen könnte, dass die altersbedingte Morbidität durch genetische Eingriffe wenn schon nicht verhindert, so doch zumindest hinausgeschoben werden könnte.8 Die rechtzeitige Bekämpfung der Risikofaktoren wäre der zweite Ansatzpunkt, um auch die Comorbidität echter Erkrankungen im Alter hintanzuhalten. Freilich, ganz verhindern wird man die Multimorbidität und damit die Polypharmakopragmasie wohl nicht können, wenngleich auch hier schon interessante Vorstellungen entwickelt werden: Wenn man heute die modernen Studien zu den verschiedenen Erkrankungen liest, so werden sie fast durch die Bank als ein möglicherweise entzündlicher Prozess charakterisiert, wie z. B. die COPD, Asthma, koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Depression, Osteoporose, Karzinome, Anämie, usw.9 Manch einer träumt davon, dass man vielleicht auch hier an einer gemeinsamen Wurzel ansetzen könnte, um alle diese Krankheiten auf einmal mit einem einzigen Medikament zu behandeln. Dann würden wir also mit nur zwei Tabletten, einer „Disease Drug“ und einer „ Antiaging Drug“, den Menschheitstraum von der ewigen Jugend sehr nahe kommen (was freilich fatal für die Ärzteschaft wäre). Die Frage ist aber auch, ob die Menschheit das überhaupt will: in ewiger Jugend auf dieser Erde zu leben. Ich jedenfalls nicht.

Zusammenfassung

Jenseits aller Utopien und Horrorszenarien muss festgestellt werden, dass Altern ein irreversibler, natürlicher Vorgang ist, ein komplexer biologischer Prozess, der aus der Wechselwirkung von genetischer Determiniertheit, Vererbung und Umweltfaktoren resultiert und zu einer fortschreitenden Instabilität des homeostatischen Gleichgewichts des Organismus führt. Als Folge davon kommt es zur Abnahme seiner Adaptationsfähigkeit und damit zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit mit Multimorbidität, wie sie für das Alter typisch ist. Gerontologie und Geriatrie sind daher als Teile eines Ganzen zu betrachten. Ewige Jugend und der Jungbrunnen, dieser Traum der Philosophen, Dichter und Maler älterer Zeiten sowie enthusiastischer Wissenschaftler aus neuerer Zeit, sind wohl ins Reich der Mythen und Legenden zu verlegen. Und das ist gut so, denn der Jugend-, Schönheits- und Gesundheitskult unserer Tage läuft Gefahr, alte Menschen, ja sogar den Tod ins Abseits zu schieben und sie nur mehr als lästige Last zu empfinden. Die heutige Herausforderung besteht jedoch darin, die Problematik des unvermeidlichen Altwerdens nicht zu verdrängen, sondern realistisch ins Auge zu fassen, um den Bedürfnissen unserer alten Menschen gerecht werden zu können und ihnen in Würde zu begegnen.

Referenzen

  1. Resnick N. M., Dosa D., Geriatric Medicine, in: Kasper D. L. et al. (Eds.), Harrison’s Principles of Internal Medicine, 16th Edition, McGraw-Hill, Hightstown, NJ (2004), S. 43
  2. Fuchs M., Biomedizin als Jungbrunnen? Zur ethischen Debatte über künftige Optionen der Verlangsamung des Alterns, Zschr med Ethik (2006); 52: 355-366
  3. Hufeland C. W., Makrobiotik oder die Kunst, das Leben zu verlängern, 1. Auflage, Jänner 1976, 8. Auflage bei Georg Reimer, Berlin (1860)
  4. Kristoferitsch W., Altern in Würde aus der Sicht alter Menschen, Imago Hominis (2010); 17: 9-15
  5. Homer, Hymnos an Aphrodite
  6. Resnick N. M., Dosa D., siehe Ref. 1
  7. Billmann M. et al., In Würde altern. Konzeptionelle Überlegungen für die Altenhilfe, Mabuse, Frankfurt/Main (2009), S. 102 ff.
  8. Johnson T. E., Increased life-span of age-I mutants in Caenorhabditis elegans and lower Gompertz rate of aging, Science (1990); 249: 908-912
    Juengst E. T. et al., Biogerontology, „anti-aging medicine“, and the challenges of human enhancement, Hastings Center Report (2003); 33: 21-30
  9. Rennard S. I., Inflammation in COPD: a link to systemic comorbidities, Eur Resp Rev (2007); 16: 105, 91-97

Anschrift des Autors:

Univ.-Prof. Dr. Johannes Bonelli, IMABE
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