Strukturierte Kommunikation und Spitalmanagement

Imago Hominis (2015); 22(1): 43-54
Harald Tuckermann, Christian Erk

Zusammenfassung

Management in Spitälern ist eine hochgradig herausfordernde Aufgabe, insbesondere wenn es um klinik-, stationen- und abteilungsübergreifende Themen geht. Die Aufgabe von Management besteht darin, die vielfältigen Interessen, Perspektiven und Praktiken, die sich in den Kliniken, Stationen oder Abteilungen beobachten lassen, im Sinne des Ganzen aufeinander abzustimmen und für Entscheidungen mit Blick auf die Gesamtorganisation zu sorgen. Dabei kommt der Strukturierung von Kommunikation eine entscheidende Bedeutung zu. Denn: Die Qualität einer Entscheidung wird in nicht unwesentlichem Ausmaß durch die Entscheidungspraxis, d. h. durch das „Wie“ des Entscheidens mitbestimmt. Dieser Artikel hat es sich deswegen zum Ziel gesetzt, dem Leser einführend Möglichkeiten vorzustellen, die eigene Entscheidungspraxis in ihrer kommunikativen Verfertigung zu reflektieren und auf dieser Basis zu optimieren.

Schlüsselwörter: Kommunikation, Management, Entscheidung, Krankenhaus/Spital

Abstract

Management in hospitals is a highly challenging task, especially when it is concerned with issues that transcend clinics, stations, and divisions. The task of management is to harmonize the variety of interests, perspectives, and practices that can be observed within a hospital’s clinics, stations, and divisions with a view of the whole, and to facilitate decision-making so that it takes the entire organization into account. In order to be able to do so, the structuring of communication is of pivotal importance. The quality of a decision is significantly influenced by the decision-making-practice (i. e. the way this decision is made). Given the importance of an organization’s decision-making-practice, this article aims at introducing readers to the possibilities of reflecting on and optimizing their own decision-making practices, as well as the communicative enactment of their organization’s decisions.

Keywords: communication, management, decision-making, hospital


1. Management als Ermöglichung von Entscheidungen

Management in Spitälern ist eine hochgradig herausfordernde Aufgabe, insbesondere wenn es um klinik-, stationen- und abteilungsübergreifende Themen wie beispielsweise Prozessmanagement, Strategie, Lean Management, Informationstechnik oder Controlling geht. Denn gerade bei solchen Themen wird deutlich, dass die unterschiedlichen Kliniken, Stationen oder Abteilungen ganz eigenständige Interessen verfolgen, jeweils unterschiedliche Perspektiven einnehmen und auch auf andere Weise zu ihren Entscheidungen kommen.1 In jedem Bereich arbeiten Expertinnen und Experten, deren Fachbereiche sich historisch immer weiter ausdifferenziert haben. Ein Klinikleiter fasst das so zusammen: „Bei uns sind sowieso immer alle anders von den anderen“.2

Management hat damit zu tun, diese vielfältigen Interessen, Perspektiven und Praktiken im Sinne des Ganzen aufeinander abzustimmen. Die Aufgabe von Management besteht darin, für Entscheidungen mit Blick auf die Gesamtorganisation zu sorgen.3 In Anlehnung an das St. Galler Verständnis von Management4 versteht dieser Artikel unter Management entsprechend nicht eine Stelle (z. B. den CEO) oder ein Gremium (z. B. die Geschäftsleitung) innerhalb der Organisation Krankenhaus bzw. Spital. Unter Management wird stattdessen „die Funktion des Spitals (verstanden), in einem überaus komplexen, vielfältigen und verteilten Wertschöpfungssystem für Entscheidungen zu sorgen. Management zielt darauf ab, die kollektive Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Organisation zu gewährleisten und weiter zu entwickeln“5. Mit anderen Worten: Bei Management geht es um die Schaffung der Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit in einer Organisation jene Entscheidungen getroffen und realisiert werden können, die eine erfolgreiche und anspruchsgruppengerechte Wertschöpfung der Organisation als Ganzes voranbringen. Management im Spital steht somit vor der grundlegenden Herausforderung, angesichts der vielfältigen Zahl und Formen der Entscheidungs- und Handlungspraxis relativ autonomer Kliniken, Stationen, Abteilungen und Bereiche gleichzeitig für organisationsweite und bereichsübergreifende Entscheidungen zu sorgen und sofort laufend und mit Blick auf die weitere Entwicklung eines Krankenhauses „optimale Voraussetzungen für die Erzielung von Behandlungsqualität zu schaffen“6.

Die hier angesprochenen Entscheidungen sind allerdings nicht als Wahlhandlungen einzelner Personen oder Bereiche zu verstehen. Sie stellen vielmehr kommunikative Errungenschaften dar, die zwischen den Beteiligten erfolgen. Es geht darum, in einem hoch spezialisierten und expertenorientierten Organisationsgefüge zu tragfähigen Verbindlichkeiten für die Gesamtentwicklung der Organisation zu gelangen.

Dabei kommt der Strukturierung von Kommunikation eine entscheidende Bedeutung zu, denn: Die Qualität einer Entscheidung wird nicht allein durch das „Was“ der Entscheidung (das Entschiedene), sondern in nicht unwesentlichem Ausmaß auch durch die Entscheidungspraxis, d. h. durch das „Wie“ des Entscheidens mitbestimmt. „Es braucht nicht nur fortlaufend inhaltlich gute Entscheidungen. Diese Entscheidungen brauchen auch Akzeptanz, sonst passiert einfach nicht viel“, so ein Spitalleiter.7 Insbesondere Letzteres ist aus zwei Gründen hoch anspruchsvoll: Erstens sind Spitäler durch die oben erwähnte Vielfalt charakterisiert, was zwar eine entsprechende Perspektivenvielfalt für die inhaltliche Ausarbeitung von Optionen und deren Auswahl bereitstellt. Jedoch erschwert diese Vielfalt gleichzeitig die Abstimmung und Einigung zwischen den unterschiedlichen Sichtweisen, Interessen und Formen der Entscheidungspraxis. Zweitens zeigt unsere Erfahrung, dass gerade bei Zeitdruck und hoher Komplexität von Entscheidungen, die Frage danach, wie entscheidende Festlegungen zustande kommen, aus dem Blick gerät. Stattdessen steht das jeweilige Thema, die inhaltliche Ausrichtung zu der aktuell zu entscheidenden Frage, im Vordergrund. Deshalb ist es wichtig, sich regelmäßig bewusst mit der eigenen Entscheidungspraxis und kommunikativen Verfertigung von Entscheidungen auseinanderzusetzen.

Dieser Artikel hat es sich zum Ziel gesetzt, dem Leser einführend Möglichkeiten vorzustellen, die Entscheidungspraxis in ihrer kommunikativen Verfertigung zu reflektieren. Eine solche Reflexion der Muster, wie in der eigenen Organisation entschieden wird, bietet die Grundlage für etwaige Veränderung und Weiterentwicklung. Der Artikel richtet sich damit vor allem an Praktiker, bietet aber keine Rezeptlösungen an. Vielmehr geht es darum, die eigene Entscheidungspraxis von Krankenhäusern in den Blick zu nehmen und davon abhängig, selbst Möglichkeiten für eine förderliche Strukturierung von Kommunikation auszuloten.

2. Die zentrale Bedeutung der Strukturierung von Kommunikation

Wirft man einen Blick auf die in Spitälern historisch gewachsene Entscheidungspraxis, so strukturiert sich die Kommunikation nicht selten nach zwei Mustern, die jeweils als Extrempunkte des Kontinuums der Strukturierungsmöglichkeiten von Kommunikation betrachtet werden können.

Das erste Muster kann als „Bilateralismus“ bezeichnet werden. Ein Mitglied der Geschäftsleitung in einem Schweizer Krankenhaus beschreibt diese ihr Haus kennzeichnende Entscheidungspraxis wie folgt: „Dieser Bilateralismus, der ist bei uns ganz ausgeprägt. Jeder schaut ein wenig, mit wem man seine Themen vorantreiben kann.“ Das Muster, nach dem in diesem Spital trotz der unterschiedlichen relativ autonomen Bereiche Entscheidungen zustande kommen, die über die eigenen Bereichsgrenzen hinausgehen, ist das der bilateralen Kommunikation. Bevor ein Thema einem Gremium zur Entscheidung vorgelegt wird, wird dieses auf bilateraler Ebene in diversen Vier-Augen-Gesprächen vorverhandelt, um so sicherzustellen, dass das Thema im Sinne des Initiators entschieden wird. Das folgende Beispiel eines Spitalleiters zur Einrichtung einer zentralen Bettendisposition bietet ein Beispiel für bilaterale Entscheidungspraxis:

„Bei der Einführung zur zentralen Bettendisposition gehe ich so vor: Ich muss in einer Vorphase unter vier Augen mit jedem Chefarzt sprechen. Ich darf ja nicht mit allen zusammen reden, da gäbe es ein vereinigtes ‚Nein‘. Also ich spreche mit ihnen vorab, schaue, welche Möglichkeiten es gibt, wo etwa die Widerstände sind, die Probleme usw. Erst dann haben wir jetzt demnächst eine Sitzung zusammen. Das bedingt viele, viele Gespräche und Vertrauen, dass man nicht über den Tisch gezogen wird, und dann kann ich in die Geschäftsleitung gehen und sagen ‚Wir möchten die Bettendisposition so und so gestalten‘. Aber diese Vorbereitung braucht Monate. Ich investiere lieber diese Monate, als dass ich losgehe und dann nur ein ‚Nein‘, eine Ablehnung verhandle.“

Dieses Beispiel illustriert, wie in einem Krankenhaus eine Entscheidung für ein übergreifendes Thema bilateral-kommunikativ vorbereitet und getroffen werden kann. Die wesentliche Errungenschaft des bilateralen Entscheidungsmusters besteht darin, trotz der relativen Autonomie der Beteiligten übergreifende Entscheidungen zu ermöglichen. Dadurch leistet Bilateralismus einen wesentlichen Beitrag zur internen Stabilität. Neben dieser Errungenschaft zeigen sich aber auch einige Nachteile: Wie in der obigen Aussage erwähnt, beansprucht dieses Muster zum einen viele zeitliche Ressourcen. Zum anderen impliziert es Aushandlungsprozesse zwischen den Beteiligten, oder wie der Spitalleiter beschreibt, „ein ständiges Geben und Nehmen“. Darüber hinaus werden Themen eher aus der Sicht von Partikularinteressen lanciert, vorangetrieben und in Abstimmung mit anderen verarbeitet, was prinzipiell nicht unweigerlich zu einer förderlichen Entwicklung des Gesamtspitals beitragen muss. Und schließlich produzieren bilaterale Absprachen ihrerseits Intransparenz, denn die jeweils an diesen Gesprächen nicht beteiligten Personen wissen nur, dass miteinander gesprochen wird, aber nicht, was in diesen Gesprächen vereinbart wird.

Gleichzeitig lässt sich in Organisationen, die ihre Entscheidungen bilateral-kommunikativ verfertigen, oftmals auch ein hoch formalisiertes bzw. bürokratisiertes Entscheidungsverfahren beobachten. Dieses Verfahren, welches als Bürokratismus bezeichnet werden kann, besteht im Wesentlichen aus der Abarbeitung unterschiedlicher Vor-, Zwischen- und Endberichte. Ein Abteilungsleiter beschreibt:

„Mit dem Entscheid von der Geschäftsleitung folgen wir dann einem Verfahren, das man sich im Intranet downloaden kann. Da ist die Projektvereinbarung – das ist der Output vom Zielvereinbarungsprozess – ein Funktionsdiagramm, die Ressourcenplanung, die Terminplanung. Und das Projekt wird dann in einer Projektvereinbarung festgehalten und unterschrieben. Die Projektkoordinationsstelle schaut sich den Antrag dann an, gibt es anschließend weiter zur Unterschrift an den Spitalleiter. Und dann werden die vorher definierten Meilensteine abgearbeitet, zu denen es einen Zwischenbericht braucht. Und dann gibt es vielleicht einen Schlussbericht und so weiter. Es steckt die Systematik dahinter von Initialisierung, Konzeption, Umsetzung und Abschluss. Und entsprechend haben wir eine schriftliche Vorstudie, Hauptstudie, Detailstudie usw. Das ist so das Modell.“

Dieses Muster trägt dazu bei, dass längerfristig angelegte Entscheidungsprozesse in ihrem Ablauf erwartbar bleiben. Zudem erlaubt die fortlaufende Dokumentation mit den jeweiligen Autorisierungen einen gewissen Grad an Transparenz innerhalb der Organisation. Wie der Bilateralismus ist jedoch auch der Bürokratismus mit einer Reihe von Nachteilen behaftet: Es gilt insbesondere unter Klinikern nicht selten als Krankheit, auch „Projektitis“ genannt. Denn es droht, die ordentliche Dokumentation selbst in den Vordergrund zu stellen, vor der eigentlichen Projektarbeit. Deshalb sehen Pflegende und Ärzte dieses Verfahren oft auch als „Motivationskiller“ und monieren die Abhängigkeit von den Abstimmungsrhythmen, die mit den Vernehmlassungen und Zustimmungen zu den jeweiligen Berichten einhergehen. Letztlich droht den Initiativen und Entscheidungen zur weiteren Entwicklung des Spitals eine geringere Legitimation und Akzeptanz, was ihre Umsetzung untergräbt.

Neben der hochgradig informellen und der stark formalisierten Entscheidungspraxis als Extremformen der Strukturierung von Kommunikation lassen sich im Spitalalltag mit Sicherheit auch andere Muster beobachten. Insbesondere angesichts der zunehmenden Themen, die über die Grenzen einzelner Bereiche und Kliniken hinaus die Gesamtorganisation betreffen, ist es hilfreich, die jeweils eigene Entscheidungspraxis zu hinterfragen. Basierend auf einer solchen Reflexion der eigenen kommunikativen Praxis lässt sich dann miteinander versuchen, die eigenen Praktiken der Entscheidungsfindung weiterzuentwickeln. Für diese reflexive Entwicklung ist es hilfreich zwischen der Strukturierung bei einzelnen Kommunikationsanlässen (vgl. Kapitel 3.1), wie Gesprächen, Meetings oder Workshops, und der Strukturierung zwischen diesen Anlässen (vgl. Kapitel 3.2) zu unterscheiden.

3. Ansätze zur reflexiven Strukturierung von Kommunikation und Entscheidungen

3.1. Drei Ebenen für die Strukturierung einzelner Kommunikationsanlässe (Mikrostrukturierung)

Als Kommunikation verstanden, haben Entscheidungen inklusive ihrer Veränderungen drei Ebenen, die gleichzeitig mitlaufen: Inhalt, Prozess und Beziehung. Jeder Kommunikationsanlass, sei es ein informelles Gespräch, ein Telefonat, eine Sitzung, ein Workshop, eine Veranstaltung usw., beginnt meist auf der Beziehungsebene mit einer Begrüßung und der Herstellung des Kontakts. Innerhalb der Prozessebene geht es um die Festlegung der Anliegen in Form einer Agenda oder Tagesordnung, die dann auf der Inhaltsebene abgearbeitet wird. Gegen Ende wird das Ganze noch zusammengefasst, mitunter ein weiterer Termin vereinbart (Prozessebene) und sich verabschiedet (Beziehungsebene). Dieses generische Modell ist in Tabelle 1 dargestellt.

Wirkungsebenen
InhalteThemen-bearbeitung
ProzessDramaturgie-arbeit*Dramaturgie-arbeit*
BeziehungBeziehungs-gestaltungBeziehungs-gestaltung
Tab. 1: Ebenen der Kommunikation8 (* Prozesssteuerung)


Tägliche Röntgenrapporte lassen sich beispielsweise mit Hilfe dieser Heuristik beobachten: Nach kurzer Begrüßung und Klärung der nächtlichen Neueintritte sowie der erwarteten Austritte von Patienten während des Tages werden die Befunde in hoher zeitlicher Taktung besprochen und erste Maßnahmen zur weiteren Behandlung definiert. Innerhalb kurzer Zeit ist auf diese Weise der tägliche Arbeitsalltag besprochen, bevor die Ärztinnen und Ärzte wieder zu ihren jeweiligen Stationen, anderen Treffen oder zu Patientenbesuchen entschwinden. Dieser Ablauf ist hoch effizient und fokussiert auf die routinisierten täglichen Abläufe innerhalb einer Klinik und damit auf die Inhaltsebene der Kommunikation.

Bei komplexeren Fragestellungen oder organisationalen Themen jedoch, deren Ausgang noch unklar ist und die sich mit der Zeit entwickeln, ist dieser häufig beobachtbare Fokus auf die inhaltliche Abarbeitung jedoch riskant. Hier wird die Prozessebene zunehmend wichtig, und zwar insbesondere die Klärung der Erwartungen zu Beginn und die Klärung der nächsten Schritte zum Abschluss eines solchen Anlasses. Beispielsweise führte in einer Initiative zur Optimierung der Röntgenrapporte ein Treffen des Projektteams unterschiedlicher Klinikvertreter mit dem Chefarzt Radiologie auch deshalb zu Konfusion im Projektteam, weil am Ende des Treffens seine Mitglieder wieder schnell an den eigenen Arbeitsplatz zurückkehrten, ohne sich miteinander über das Gespräch auszutauschen und miteinander Schlussfolgerungen für die nächsten Schritte zu ziehen. Die Projektmitglieder folgten dem Muster der Röntgenrapporte, das auf die effiziente tägliche Klärung der Behandlungsarbeit ausgerichtet ist, aber nicht auf die eigene Entwicklung. In diesem Fall der Selbstentwicklung ist der Inhalt noch unklar und die Prozessebene wird wichtiger. Hier geht es darum, sich angesichts der sich abzeichnenden Veränderung kontinuierlich miteinander darüber abzustimmen, worin die wesentlichen Schlussfolgerungen liegen und welche nächsten Schritte sich daraus für die Entwickler des Röntgenrapports ableiten.

Gerade bei Zeitdruck ist der Fokus auf die Inhaltsebene unter Vernachlässigung der Prozessebene ein häufiges Muster. Mit Hilfe des voranstehenden Modells der drei Ebenen der Kommunikation lässt sich dieser blinde Fleck in den Blick nehmen, indem z. B. die in Tabelle 2 genannten Leitfragen zur Prozessebene von den an einer Sitzung beteiligten Personen gezielt adressiert werden.

LeitfrageIhre Antwort
Wie kommen die Themen auf die Agenda?...
Wie erfolgt die Priorisierung der Themen?...
Wie wird die Zeit in dem Anlass auf die unterschiedlichen Themen verteilt?...
Welchen Status hat das jeweilige Thema? Dient es der Information, Diskussion, Autorierung einer Konklusion?...
In welcher Weise wird das Thema weiter bearbeitet?...
Wer ist für das Thema und seine weitere Bearbeitung verantwortlich?...
Wie wird das Thema dokumentiert und wie klären wir, wie es im Anschluss daran weitergeht?...
Tab. 2: Reflexion von einzelnen Kommunikationsanlässen

Gleich, in welche inhaltliche Richtung ein Spital seine Praxis für organisationsweite Entscheidungen weiter entwickeln will, halten wir es auf Prozessebene für sinnvoll, mit einer Erwartungsklärung zu beginnen und mit einer Erfahrungsklärung abzuschließen. Beides lässt sich wiederum in jedem Kommunikationsanlass anwenden, in informellen und formellen Gesprächen, Sitzungen, Workshops oder Veranstaltungen.

Die Erwartungsklärung dient vor allem dem so genannten „Agenda Setting“, wobei in formalisierteren Kommunikationssituationen (z. B. einer Sitzung) die Agenda bereits teilweise über eine Tagesordnung vorstrukturiert wird. Im Rahmen der Erwartungsklärung werden die Teilnehmenden dazu eingeladen, ihr jeweiliges Anliegen für diesen Anlass konkret zu formulieren und darüber auch ein Stück weit Verantwortung für den Erfolg eines Kommunikationsanlasses zu übernehmen. Die Erwartungsklärung richtet den Blick nach vorne in die Zukunft, zum Beispiel über folgende Leitfrage:

  • „Angenommen, das Treffen ist ein Erfolg, was genau ist dann anders?“

Die Erfahrungsklärung am Ende eines solchen Anlasses blickt demgegenüber auf das Treffen zurück und lässt die Beteiligten nicht nur das (Nicht-)Erreichen inhaltlicher Themenbearbeitung benennen. Darüber hinaus lädt die Erfahrungsklärung auch dazu ein, den Verlauf des Kommunikationsanlasses Revue passieren zu lassen, um auf dieser Basis Konklusionen für den nächsten Anlass ziehen zu können. Als Leitfragen können hier die folgenden drei Fragen dienen:9

  • „Was haben wir gesehen?“ fragt nach Beschreibungen und Daten, und
  • „Wieso ist es so abgelaufen, wie es abgelaufen ist?“ erkundet Erklärungen, während
  • „Was haben wir gelernt?“ die Konklusionen aus den ersten beiden Fragen ziehen hilft.

Diese drei Fragen erlauben es, die eigene Kommunikations- und Entscheidungspraxis zu reflektieren. Je nach Anlass kann man dafür mehr oder weniger Zeit einplanen.

Um die eigene Entscheidungspraxis kontinuierlich verbessern zu können, ist es zudem hilfreich, sich auch explizit mit den sogenannten Bearbeitungsformen zu befassen. Die Frage zu den Bearbeitungsformen hilft zu rekonstruieren, auf welche Art und Weise und in welchen inhaltlichen Schritten eine bestimmte Entscheidung bearbeitet und verfertigt wird. Die Bearbeitungsform kann dabei je nach der Art des Themas, den Anliegen der Beteiligten und dem Termindruck sehr unterschiedlich sein. Im Rahmen einer solchen Reflexion der Prozessdimension von Entscheidungen stehen vor allem die folgenden drei Fragekomplexe im Vordergrund: Zum einen ist gerade bei längerfristigen Initiativen, wie bei einer Strategieentwicklung oder Veränderungsprojekten, die Frage nach der zeitlichen Strukturierung zunehmend wichtig: Wie oft, in welchem Rhythmus wird die anstehende Entscheidung bearbeitet und wie hängt diese zeitliche Strukturierung mit anderen Entscheidungsprozessen im Spital zusammen? Zum anderen gehört zur Reflexion der Bearbeitungsformen auch das Thema des Einbezugs und der Verankerung der Entscheidung in der Organisation: Wer wird zu welchem Schritt, wann, in welcher Rolle oder Funktion mit in die Entscheidung einbezogen? Eine dritte wichtige Frage adressiert vor allem diejenigen, die nicht an der Entscheidung beteiligt sind: Wie erfolgt die Kommunikation der Entscheidung, aber auch die Kommunikation darüber, wer darin nun eingebunden wird?

Wenn man sie im Vorhinein berücksichtigt, hilft die Beantwortung all dieser Fragen dabei, unnötigen Missverständnissen, Konflikten oder Gerüchten vorzubeugen. Nach wichtigen Entscheidungen unterstützen die Fragen dabei, die eigene Entscheidungspraxis zu reflektieren, also zu klären, wer über was, wann und wie entscheidet. Diese in den vorangegangenen Absätzen dargestellten Überlegungen und Möglichkeiten zur Reflexion der Prozessebene von Kommunikation sind in Tabelle 3 nochmals zusammengefasst.

KomponenteLeitfrageIhre Antwort
ErwartungserklärungAngenommen, das Ereignis (z.B. Gespräch, Meeting, Veranstaltung, Workshop, die Entscheidung) ist erfolgreich, was genau ist dann anders und was haben wir erreicht?...
Erfahrungserklärung
  1. Was haben wir gesehen (Beobachtung, Daten)?
  2. Wieso ist es so passiert, wie es passiert ist (Hypothesen, Erklärungen, Deutungen)?
  3. Was haben wir gelernt (Konklusionen, Vereinbarungen)?
...
Bearbeitungsform
  1. In welchen Schritten werden wir bei dieser Entscheidung vorgehen (inhaltlich)?
  2. In welchem Zeitrhythmus werden diese Schritte vollzogen und bis wann ist die Entscheidung getroffen?
  3. Wer muss wann in die Entscheidung einbezogen werden und in welcher Rolle (Experte, Verantwortlicher, Betroffener)?
...
Verankerung in der OrganisationWie genau - das heißt, was wird wann wem in welcher Form mitgeteilt - erfolgt die fortlaufende Kommunikation der Entscheidung insbesondere an Nicht-Beteiligte?...
Tab. 3: Hilfen zur Prozesssteuerung und Reflexion der Entscheidungspraxis


3.2. Die Auswahl von Beteiligten zu einzelnen Kommunikationsanlässen

Am Ende des letzten Abschnitts wurden bereits die Fragen nach der Einbindung von Personen in Entscheidungen und nach der Kommunikation von Entscheidungen im Spital gestellt. Die Frage der Einbindung anderer Personen in eine Entscheidung ist deswegen von Bedeutung, da es hier letztlich um die Qualität eines Entscheids, aber auch um seine Nachvollziehbarkeit und damit Akzeptanz im Rest der Organisation geht. Beides ist insbesondere in Spitälern zentral, weil die jeweiligen Fachbereiche, Kliniken und Abteilungen eine gewisse Autonomie genießen und gerade übergreifende Themen auf die Zustimmung von potentiell Beteiligten angewiesen sind. So berichtet ein Klinikmanager von einer seiner Initiativen zur Weiterentwicklung des Anmeldeprozesses in einer gynäkologischen Klinik. Während er Vertreter der Ärzteschaft, der IT-Abteilung und diverse andere in das Projekt involviert hatte, wäre die anfänglich unterlassene Berücksichtigung der Pflege beinahe der Grund für das Scheitern des Projektes geworden.

Bezugspunkt für die Frage nach der Einbindung ist die Entscheidung selbst, also das konkrete Thema der Entscheidung mit der Leitfrage, um was es bei dieser Entscheidung genau geht. Ausgehend von der entsprechenden Antwort lässt sich ableiten, welche Expertise für diese Entscheidung notwendig ist und wer im Spital am ehesten über diese Expertise verfügt.

Neben der Expertise sind aber noch zwei Komponenten notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Bedingungen für gute Entscheidungen: Verantwortung bzw. (Entscheidungs-) Kompetenz und Betroffenheit. Mit den Komponenten Verantwortung und Kompetenz soll geklärt werden, wer als Person, Stelle oder Gremium die Verantwortung für diese Entscheidung übernimmt, über die nötige Entscheidungskompetenz verfügt und damit auch diese Entscheidung treffen sollte. So scheinbar einfach diese Frage gestellt ist, so schwierig ist manchmal ihre Beantwortung, wenn man beispielsweise in einem Spital einerseits hört: „Da haben wir die Letztverantwortung“. Andererseits bleibt aber unklar, worin genau diese Letztverantwortung besteht und was sie in Abstimmung mit anderen Beteiligten bedeutet. Eine weitere zu berücksichtigende und zu reflektierende Komponente ist die Betroffenheit. Entscheidungen sollen Wirkungen entfalten, führen nicht selten zu Veränderungen, sei es in Aufgaben, Zuständigkeiten, zeitlichen Rhythmen von Visiten oder ähnlichem. Sowohl die direkt wie die indirekt Betroffenen daher ein Stück weit einzubinden, steigert neben der Akzeptanz auch die inhaltliche Qualität einer Entscheidung.

Tabelle 4 fasst diese Komponenten und Fragen zusammen. Deren Beantwortung kann die Vorbereitung tragfähiger Entscheidungen unterstützen, genauso wie sie die Rekonstruktion abgelaufener Entscheidungen strukturieren hilft:

KomponenteLeitfrageIhre Antwort
EntscheidungWorum geht es bei dieser Entscheidung genau?...
ExpertiseWer hat für diese Frage die beste inhaltliche Expertise?...
Verantwortung/KompetenzWer übernimmt die Verantwortung für diese Entscheidung und hat die nötige Entscheidungskompetenz?...
BetroffenheitWer ist von der Entscheidung direkt, indirekt und potenziell in welcher Form betroffen?...
Tab. 4: Einbindung von Expertise, Kompetenz und Betroffenheit

Klarheit über diese Fragen und deren nachvollziehbare Kommunikation innerhalb des Spitals oder der eigenen Klinik trägt schließlich zur Legitimation der Entscheidung bei.

3.3. Die Strukturierung zwischen Kommunikationsanlässen (Makrostrukturierung)

Verstehen die Beteiligten ihre Klinik, Bereich, Abteilung oder das Spital nicht als Team, sondern als Organisation, rückt die Mikro- und Makrostrukturierung von Kommunikation in den Vordergrund. Die in den vorangegangenen Abschnitten dargestellte Mikrostrukturierung von Kommunikation bezieht sich vor allem auf die Gestaltung einzelner Kommunikationsanlässe. Dahinter steht die Annahme von Kommunikation unter Anwesenden, wie sie beispielsweise in Teams möglich ist. Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Team und einer Organisation besteht nun darin, dass eben nicht alle Beteiligten zu einem Anlass erscheinen (können) und parallel unterschiedliche Anlässe stattfinden, die aufeinander Bezug nehmen. Für einen Fachbereich, eine Klinik oder ein Spital als Organisation wird daher die Makrostrukturierung von Kommunikation bedeutsam. Hier geht es darum, dass Entscheidungen auch unter Abwesenheit, d.h. auch dann erfolgen, wenn nicht alle an der Entscheidung beteiligten oder von der Entscheidung betroffenen Personen anwesend sind. Im vorangehenden Abschnitt wurde dazu bereits die Frage der Kommunikation mit den Nicht-Beteiligten einer Entscheidung aufgeworfen. Je nachdem, wie Ergebnisse von Entscheidungen oder wie der Prozess kommuniziert werden, steigt oder sinkt die Akzeptanz in der Organisation. Missverständnisse, Konflikte und Gerüchte lassen sich ein Stück weit auffangen, wenn es gelingt, die an der Entscheidung Unbeteiligten trotzdem regelmäßig in der Informationsschlaufe und im Austausch zu halten.

Makrostrukturierung ist aber auch allgemeiner gemeint und bezeichnet die wechselseitige Vernetzung unterschiedlicher Kommunikationsanlässe. Solche Anlässe, seien es Gespräche, Sitzungen, Veranstaltungen, Rapporte, Visiten usw. sind heute an der Tagesordnung und manchmal so häufig, dass man kaum noch der „eigentlichen“ Arbeit nachgehen kann. So gelang es beispielsweise einem interdisziplinären Zentrum an einem Kantonsspital in der Schweiz mit ungefähr 25 Mitarbeitenden, etwa 30 reguläre Meetings in unterschiedlichen Zeitrhythmen von täglichen Absprachen bis hin zu vierteljährlichen Sitzungen abzuhalten. Das frustrierte alle Beteiligten. Der Leiter monierte: „Alle wollen mit mir reden und ich komme zu nichts mehr“. Gleichermaßen bemängelten die Mitarbeitenden, dass ihr Vorgesetzter kaum zu fassen sei, um sich mit ihm abzustimmen.

Um diese Situation zu verbessern, hat der betreffende Bereich seine Kommunikationsanlässe in Form einer Analyse reflektiert, deren zugrunde liegenden Fragestellungen auch generell hilfreich für Makrostrukturierung von Kommunikation sind: Erstens überlegte das Zentrum, welche Themen, Fragestellungen bzw. Entscheidungen von zentraler Bedeutung sind. Diese reichten von konkreten Behandlungsfragen zu bestimmten Patienten, über Themen der Zusammenarbeit intern und mit anderen Kliniken, über Forschung bis hin zur Gesamtausrichtung und Entwicklung des Zentrums. Zweitens listeten die Beteiligten ihre Kommunikationsanlässe mit Namen und Typ (z. B. informelles Gespräch, Rapport, Sitzung etc.), Beteiligten und zeitlicher Rhythmik auf. Aus diesen beiden Dimensionen konnte ein „Meeting Assessment“ in Form einer Kreuztabelle angelegt werden (vgl. Tabelle 5).

EntscheidungsnotwendigkeitenKommunikatives Setting 1Kommunikatives Setting 2
Beschreibung des Settings
  • Typ: Um was für ein Setting handelt es sich (z.B. Rapport, informelles Gespräch, Veranstaltung, etc.)
  • Beteiligte: Wer ist daran beteiligt?
  • Zeit: In welchem zeitlichen Rhythmus findet es statt (z.B. ad hoc, regelmäßig in welchen Abständen, etc.)?
......
Was sind die zentralen Themen im Behandlungsalltag?
... [pro Thema eine Zeile]... [Ihre Einschätzung]... [Ihre Einschätzung]...
...... [Ihre Einschätzung]... [Ihre Einschätzung]...
Was sind die zentralen Themen in der Entwicklung unseres Bereichs?
... [pro Thema eine Zeile]... [Ihre Einschätzung]... [Ihre Einschätzung]...
...... [Ihre Einschätzung]... [Ihre Einschätzung]...
Tab. 5: Meeting Assessment

In diesem Beispiel ergab das Meeting Assessment folgende Resultate: 1. Bestimmte Themen wurden in mehreren Kommunikationsanlässen besprochen und entschieden, so dass möglichst alle Mitarbeitenden möglichst überall dabei sein wollten oder mussten. Umgekehrt gab es 2. Themen, die nirgendwo systematisch bearbeitet wurden, sondern nur informell, „zwischen Tür und Angel“, gar nicht oder durch den Vorgesetzten. 3. existierten einige Kommunikationsanlässe mit identischen Themen. Diese drei Einsichten führten zu folgenden Optimierungen: Erstens wurden Themen explizit und eindeutig zugeordnet. Zweitens konnte das Zentrum folglich die Anzahl von Anlässen reduzieren und gleichzeitig drittens die Abwesenheit von Mitarbeitenden über eine systematische Dokumentation und über die Erwartbarkeit von Themen und Meetings auffangen. Das schuf Entlastung für den Behandlungsalltag und Flexibilität, während gleichzeitig der beidseitige Frust sank. Mit Blick auf das eigene Entscheiden erlaubte die Optimierung der eigenen Kommunikationsanlässe eine transparentere, nachvollziehbarere und erwartbarere Praxis. Ein wesentlicher Ansatzpunkt bestand hierbei darin, die so genannten AKVs (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten) nicht nur wie üblich für einzelne Stellen, sondern eben auch für Gremien und andere Kommunikationsanlässe zu spezifizieren.

3.4. Strukturierung von Kommunikation als Mittel zur Verbesserung der Entscheidungspraxis

Die in den voranstehenden Kapiteln angestellten Überlegungen zur Strukturierung von Kommunikation bieten eine Möglichkeit, die eigene Entscheidungspraxis im Spital zu analysieren und damit auch einer möglichen Weiterentwicklung zugänglich zu machen. Im Vordergrund der Überlegungen steht die meist implizite Prozessdimension von Entscheidungen und nicht die sonst priorisierte inhaltliche Dimension von Entscheidungen. Bei der prozessualen Strukturierung von Entscheidungen kommt es einerseits darauf an, zwischen Mikro- und Makrokontext zu unterscheiden. Insbesondere auf Mikroebene einzelner Kommunikationsanlässe laufen dabei die drei Ebenen Beziehung, Prozess und Inhalt gemeinsam ab. Für die zweite Ebene der Prozesssteuerung bieten sich die Erwartungs- und Erfahrungsklärung an, genauso wie die Frage nach der konkreten Bearbeitungsform sowie der Einbindung von Beteiligten und der Kommunikation mit Unbeteiligten an einer Entscheidung. Für die Einbindung stellen Expertise, Verantwortung, Kompetenz sowie Betroffenheit notwendige Bedingungen für eine gute Entscheidungsqualität dar. Darüber hinaus ist es wichtig, Entscheidungen auf Makroebene, also zwischen einzelnen Kommunikationsanlässen zu strukturieren. Mit Hilfe eines Meeting Assessments lässt sich dabei nicht nur Freiraum durch Optimierung schaffen, sondern auch die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsorten und Themen steigern.

4. Management im Spital: Die Sorge um strukturierte Kommunikation und Entscheidungen

Zu Beginn dieses Artikels ist Management als Funktion der Organisation definiert worden. Management ist nicht auf die Geschäftsleitung, eine Abteilung, Stelle oder Person beschränkt. Management findet verteilt über das gesamte Spital statt und zeigt sich in den Mustern der kommunikativen Verfertigung von Entscheidungen. Die Kernherausforderung von Management in Spitälern besteht hierbei darin, bei unterschiedlichen Formen der Entscheidungspraxis gleichzeitig für organisationsweite Entscheidungen zu sorgen. Der vorliegende Artikel hat dazu die Strukturierung von Kommunikation vorgeschlagen und anhand der Entwicklung der eigenen Entscheidungspraxis aufgezeigt, wie im Mikro- und Makrokontext künftige Entscheidungen geplant und vergangene reflektiert werden können, um das eigene Entscheiden weiter zu entwickeln.

Vor diesem Hintergrund ist eine Kernaufgabe von Management, die Strukturierung von Entscheidungen in der eigenen Organisation fortlaufend weiter zu entwickeln. Angefangen von der Frage, wie Themen auf die (Entscheidungs-)Agenda des Spitals gelangen, also was als zentrale Entscheidungsnotwendigkeit identifiziert wird, geht es dann darum, je nach Fragestellung eine passende Bearbeitungsform festzulegen. Dazu gehört nicht nur die Festlegung analytischer Verfahren, durch die diese Entscheidung abgearbeitet werden soll, sondern auch die Beschäftigung mit der kommunikativ-prozessualen Seite der zu treffenden Entscheidung. Letztere umfasst die Klärung, (a) wer, in welcher Rolle, auf welche Weise mit in eine Entscheidung eingebunden wird, (b) welche kommunikativen Anlässe sich für welche Entscheidungen anbieten und (c) wie die zeitliche Abfolge von Entscheidungen strukturiert ist. Für eine solche Strukturierung von Entscheidungen ist es aus unserer Sicht ratsam, Entscheidungsnotwendigkeiten zu triagieren: Handelt es sich eher um Fragen der Patientenbehandlung (Fachkontext), der Voraussetzungen für diese Behandlung (Systemkontext) oder um die Frage nach der weiteren Entwicklung des Gesamtspitals in seinem Umfeld (Gesamtkontext)? Je nachdem, sind andere analytische Verfahren, andere Beteiligte und Betroffene und/ oder eine andere zeitliche Rhythmik erforderlich.

Die Herausforderung für ein Spital und sein Management liegt darin, eine solche stärkere Strukturierung von Entscheidungen zu etablieren. Eine derartige Entwicklung erfordert von den Beteiligten, die eigene alltägliche Arbeit zu reflektieren, zu hinterfragen und nachvollziehbar zu entscheiden (!), ob und wenn ja, wie sie geändert werden sollte sowie miteinander einzuüben. Das ist nicht zuletzt deshalb anspruchsvoll, weil eine solche Entwicklung bei „fahrendem Wagen“ erfolgt. In der Organisation wird fleißig weiter entschieden, während die Veränderung des Entscheidens vorangetrieben wird.

Entscheidungen stärker zu strukturieren ist zunehmend wichtig, weil es mehr zu entscheiden gibt; weil die jeweiligen Entscheidungen die Behandlungsarbeit, aber auch die (organisationalen) Bedingungen der Behandlungsarbeit betreffen; weil Entscheidungen gerade in Spitälern überaus verteilt getroffen werden; und weil sie gleichzeitig oft miteinander vernetzt sind. Die Strukturierung von Entscheidungen ermöglicht es, dass das Entscheiden in zeitlicher Hinsicht, in thematischer Hinsicht und mit Blick auf die Beteiligten und Betroffenen stärker erwartbar werden. Das schafft Sicherheit und Flexibilität, ermöglicht Verlässlichkeit und Freiheitsgrade.

Referenzen

  1. vgl. Denis J.-L., Lamothe L., Langley A., The dynamics of collective leadership and strategic change in pluralistic organizations, Academy of Management Journal (2001); 44(4): 800-837
  2. Die Zitate stammen von unseren Forschungspartnern aus der Praxis mit unterschiedlichen Spitälern der Schweiz, mit denen wir seit 2004 mittelfristige Kooperationen zur Begleitung organisationaler Entwicklungsinitiativen mit Hilfe qualitativer feldnaher Methoden eingegangen sind.
  3. vgl. Wimmer R., Die Zukunft von Führung. Brauchen wir noch Vorgesetzte im herkömmlichen Sinn?, Organisationsentwicklung (1996); 4: 46-56
  4. vgl. Rüegg-Stürm J., Grand S., Das St. Galler Management-Modell. 4. Generation – Einführung, Haupt Verlag, Bern (2014)
  5. Tuckermann H., Rüegg-Stürm J., Mitterlechner M., Zur Unmöglichkeit des Managements von Spitälern: Die Paradoxie von Management, Schweizerische Ärztezeitung (2014); 95(16/17): 662-665, hier S. 662
  6. Rüegg-Stürm J., Bachmann A., Management im Spital – auch das noch?!, in: Rüegg-Stürm J., Bieger T. (Hrsg.), Unternehmerisches Management: Herausforderungen und Perspektiven, Haupt Verlag, Bern (2012). S. 117-148, hier S. 118
  7. In der Literatur wird diese Einschätzung geteilt (vgl. Denis J.-L., Lamothe L., Langley A., siehe Ref.1, S. 833).
  8. Rüegg-Stürm J., Spitalmanagement im Kontext zunehmender Ungewissheit und Ambiguität, Schweizerische Ärztezeitung (2009); 90(47): 1850-1854, hier S. 1852; Tuckermann H. et al., siehe Ref. 5
  9. vgl. Schein E., Prozessberatung für die Organisation der Zukunft, EHP, Köln (2000)

Anschrift der Autoren:

Prof. Dr. oec. Harald Tuckermann
Prof. Dr. phil. Christian Erk
Universität St. Gallen
CH-9000 St. Gallen
harald.tuckermann(at)unisg.ch
christian.erk(at)unisg.ch

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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