Fall: „Vierlinge durch künstliche Befruchtung“

Imago Hominis (1998); 5(3): 210

Familie B. hatte bereits ein gesundes Kind, wünschte sich nun sehr ein zweites. Leider kam es nicht zur Schwangerschaft, so suchte Frau B. einen ihr gut bekannten Gynäkologen auf. Da auch die folgende Hormonbehandlung keine Wirkung zeigt, riet ihr der Arzt zur künstlichen Befruchtung. Er klärte das Ehepaar über Behandlung, Wirkung und mögliche Folgen dieses Vorschlages auf. Jedenfalls siegte der Kindeswunsch über alle Bedenken und die künstliche Befruchtung wurde durchgeführt.

Schon sehr bald wurde festgestellt, daß nicht nur eine Eizelle, sondern vier befruchtet worden waren. Mit dem Hinweis, daß mit dem Abgang von mindestens zwei Embryonen gerechnet werden muß, stimmte die Frau dem Transfer zu. Es entwickelten sich aber alle vier Embryonen. Daraufhin wurde der Patientin vorgeschlagen, daß zwei der Kinder entfernt werden müssen, weil sonst die Gefahr bestünde, daß sich die Kinder nicht normal entwickeln könnten. Auch mit Schwierigkeiten während und nach der Geburt sei zu rechnen. Die Frau war darüber entsetzt. Mit einer deartigen Komplikation hatte sie nicht gerechnet. Sie besprach alles mit ihrem Mann und das Ehepaar entschloß sich, den sogenannten selectiven Fetocid nicht vornehmen zu lassen. Das Ärzteteam war darüber ziemlich erbost, und die Arzt-Patient-Beziehung kühlte fühlbar ab.

Die Schwangerschaft war recht problematisch, Frau B. mußte sich immer wieder in stationäre Behandlung begeben. Es kam zur Frühgeburt durch Kaiserschnitt. Die Kinder waren alle noch nicht lungenreif und, trotz künstlicher Beatmung kam es bei zwei Kindern zu einer nachhaltigen Schädigung.

Die Kinder, ein Bub, drei Mädchen, konnten erst nach längerer Behandlung auf der Neonatologie nach Hause entlassen werden.

Nun tauchte bereits der erste Verdacht einer bleibenden Schädigung bei zwei Kindern auf, was sich leider bald bestätigte. Beim Buben wurde eine geistige Behinderung festgestellt, während bei einem Mädchen spastische Schädigungen auftraten. Bei einem weiteren Mädchen waren die Lungenbläschen nicht ganz entwickelt, jeder kleinste Schnupfen wurde zur Lungenentzündung.

Bei der Ärzteschaft fand das Ehepaar wenig psychische Anteilnahme. Man verhielt sich korrekt, aber distanziert und ließ die Eltern fühlen, daß sie selbst an der „Misere schuld“ seien. Nicht umsonst hatte man zur Entfernung von zwei Embryonen geraten.

Die Familie bemühte sich rund um die Uhr um die Kinder, wobei jedoch der bereits 3 Jahre alte erste Sohn, unbewußt und ungewollt, stark vernachläßigt wurde. Er entwickelte eine arge Aggressivität allen Fremden gegenüber und begann seine Geschwister abzulehnen.

Nach zwei Jahren fand die Mutter das geschädigte Mädchen eines Morgens tot in ihrem Bett auf, fast genau ein Jahr später passierte mit dem Buben das gleiche.

Die Verzweiflung in der Familie war groß, die genaue Todesursache der beiden Kinder konnte nie ganz abgeklärt werden.

Es sind nun weitere Jahre vergangen, die beiden überlebenden Kinder entwickeln sich recht gut, sind auch bereits widerstandskräftiger geworden, mit dem älteren Buben gibt es jedoch weiterhin große psychische Probleme.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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