Bioethik aktuell

Der selbstbestimmte Patient: Deutscher Medizinethiker Giovanni Maio eröffnet IMABE-Symposium

IMABE-Direktorin Kummer erfreut über großes Interesse an ethischer Reflexion in den Gesundheitsberufen

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Der selbstbestimmte Patient ist das Idealbild in der modernen Medizin. Zu welchen Herausforderungen dies in der Praxis führt, ist Thema des diesjährigen IMABE-Symposiums. Welche Rolle spielen Vertrauen, Verantwortung und eine Kultur der Sorge, damit sich Patienten in ihrer Würde gestärkt wissen? Was braucht es, um Selbstbestimmung in der Verletzlichkeit der Krankheit zu ermöglichen?

Gemälde Gertraud Bonelli

Im Zustand einer schweren oder chronischen Erkrankung erfahren Patienten und Heimbewohner ihre Angewiesenheit und Verletzlichkeit. Gleichzeitig sollen sie einschneidende Entscheidungen treffen – und das möglichst aufgeklärt, selbständig und rational. Doch was bedeutet Autonomie, wenn das Leben aufgrund einer Krankheit aus den Fugen gerät? Oder wenn Verwirrtheit, Demenz oder Depression den freien Willen beeinträchtigen?

 „Ich freue mich besonders, dass wir mit Giovanni Maio einen der führenden Medizinethiker im deutschen Sprachraum als Keynote-Speaker gewinnen konnten", sagt IMABE-Direktorin Susanne Kummer im Vorfeld der Veranstaltung. Das interdisziplinäre IMABE-Symposium Der selbstbestimmte Patient. Herausforderungen in der Praxis findet am 20. Oktober 2023 von 9.00 bis 16.30 Uhr im Raiffeisen Forum in Wien statt. Besonders erfreut zeigt sich Kummer über das rege Interesse an der Veranstaltung - nicht nur von Ärzten und Pflegenden, sondern auch aus anderen klinischen Gesundheitsberufen. „Wir merken ein großes Interesse an ethischer Reflexion in den Heilberufen und freuen uns, mit unserem Angebot hier einen wichtigen Beitrag leisten zu können", so Kummer.    

Patienten wollen in ihrer Verletzlichkeit angenommen werden 

Maio gilt als kritischer Analyst eines überhöhten Autonomie-Begriffs in Medizin und Pflege. Der Mensch, so die Kernthese des Medizinethikers, ist ein von Grund auf verletzliches Wesen. Gerade diese Verletzlichkeit rufe jene, die in Heilberufen tätig sind, dazu auf, Verantwortung für den Erkrankten zu übernehmen. Deshalb sieht Maio auch das System der informierten Einwilligung kritisch. Kranke seien keine Kunden, die man ausreichend informiert und sie dann sich selbst überlässt. In der Krankheit ist ein Mensch existentiell angewiesen. Die Antwort auf die damit verbundenen Herausforderungen liegt in einer Kultur der Sorge und einem neuen Überdenken der Identität der Heilberufe.

Gesprächsführung, Demenz, Suizid und rechtliche Fragen stehen im Fokus

Die Palliativmedizinerin und Präsidentin der Deutschen Palliativgesellschaft, Claudia Bausewein (LMU München), wird sich mit dem Arzt-Patienten-Gespräch befassen und aufzeigen, wodurch sich eine gute Gesprächsführung auszeichnet, in der sich Betroffene gut aufgehoben wissen, Wünsche geachtet und zugleich unangemessene Forderungen geklärt werden können. Dem Spannungsfeld von Autonomie und Fürsorge in der Pflege widmet sich die Pflegewissenschaftlerin Hanna Mayer (Karl Landsteiner Universität, Krems); die Medizinethikerin Martina Schmidhuber (Karl-Franzens-Universität Graz) wird dabei einen besonderen Fokus auf den Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen legen.

Welche rechtlichen Fragen im Berufsalltag auftauchen, wenn es um freiheitseinschränkende Maßnahmen geht, legt die Juristin Maria Kletečka-Pulker (Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien) dar. Der assistierte Suizid wird im öffentlichen Diskurs vor allem Akt der Selbstbestimmung dargestellt. Anhand der Erfahrungen in der Schweiz stellt der Psychiater Raimund Klesse (Chur) dieses Narrativ in Frage.

Wo die Chancen und Grenzen liegen, wenn Kinder und Jugendliche in Therapieentscheidungen miteinbezogen werden, zeigt der Leiter der Psychosozialen Abteilung des Wiener St. Anna-Kinderspitals, Reinhard J. Topf, auf. Und der Intensivpfleger Patrik Heindl (Medizinische Universität Wien) beleuchtet die Rolle der Angehörigen bei nicht-einwilligungsfähigen Patienten.

Anita Rieder, Vizerektorin für Lehre der Medizinischen Universität Wien und Harald Schlögel, erster Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich, sprechen die Grußworte. Durch die Veranstaltung führen Christian Lagger (Geschäftsführer Krankenhaus der Elisabethinen GmbH, Graz) und Susanne Kummer (Direktorin, IMABE, Wien).

Zielgruppe des interdisziplinären IMABE-Symposiums sind Ärzte, Pflegende, Psychologen, Psychotherapeuten und andere Gesundheitstherapeuten, psychosoziale Begleiter, Mitglieder von Ethik-Komitees, Hospizmitarbeiter, Seelsorger und Ehrenamtliche, Entscheidungsträger im Gesundheitswesen sowie alle Interessierten.

Details entnehmen Sie bitte der Veranstaltungsseite sowie dem Folder und dem Plakat

Anmeldungen sind noch bis 9. Oktober 2023 hier möglich.

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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