Bioethik Aktuell

Mehr Sachlichkeit: Deutsche Wissenschaftler kritisieren Transgender-Hype bei Kindern

Auch Österreich verzeichnet einen signifikanten Anstieg von Transgender-Operationen

Lesezeit: 03:29 Minuten

120 Ärzte und Wissenschaftler in Deutschland haben sich besorgt an die Öffentlichkeit gewandt: Sie rufen in der Frage der Transsexualität Medien zu einer „faktenbasierten Darstellung biologischer Sachverhalte nach dem Stand von Forschung und Wissenschaft“ auf.

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Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) in Deutschland verstoße mit einer einseitigen Übernahme der Transgenderideologie in seinen Sendungen gegen die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, so die Autoren, darunter renommierte Psychiater, Sexualtherapeuten, Pädagogen und Philosophen (vgl. Die Welt, online 1.6.2022).

Kindern und Jugendlichen würde zunehmend gezielt durch einseitige und oberflächliche Berichterstattung suggeriert, dass jeder Mensch sein biologisches Geschlecht einfach wechseln könne. In Deutschland habe sich die „Zahl der wegen Geschlechtsdysphorie behandelten Kinder und Jugendlichen in weniger als 10 Jahren verfünfundzwanzigfacht“, so die Autoren.

Laut aktueller Daten der Gesundheit Österreich BeratungsGmbH (GÖG) steigt auch in Österreich der Anteil von jugendlichen Patienten. Von den 283 Personen, die 2019 wegen Geschlechterdysphorie stationär aufgenommen wurden, waren 20 Prozent zwischen 15 und 19 Jahre alt, 67 Prozent der Patienten waren jünger als 30. Die Zahl der Frauen und Mädchen, die sich mit ihrem Geburtsgeschlecht nicht identifizieren können und sich deshalb einer operativen Geschlechtsumwandlung unterzogen, stieg laut GÖG massiv an. So gab es im Jahr 2010 in Österreich neun operative Brustentfernungen (Mastektomie) aufgrund der Hauptdiagnose ICD10 F64.x („Störungen der Geschlechtsidentität“). Neun Jahre später waren es mit 130 Brustentfernungen fast 15 Mal so viele. Im Coronajahr 2020, wo viele Operationen pandemiebedingt verschoben werden mussten, gab es dennoch 105 Mastektomie-Eingriffe.

Kinder und Jugendliche, die ihr biologisches Geschlecht in Frage stellen, leiden nicht zwingend an einer Geschlechtsdysphorie (GD). Häufig liegen andere Konflikte oder psychische Erkrankungen zugrunde, die behandelt werden sollten (vgl. Bioethik aktuell, 6.5.2019). In bis zu 98 Prozent der Fälle lernen die Betroffenen, dank Therapien sich mit ihrem Geschlecht auszusöhnen, der früher geäußerte Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung verschwindet. In mehreren europäischen Ländern werden aggressive Transgender-Behandlungen bei Kindern inzwischen von Ärzten abgelehnt, darunter Schweden, Finnland, Großbritannien und Frankreich (Bioethik aktuell, 1.10.2021).

Der Münchner Jugendpsychiater Alexander Korte (LMU München) arbeitet seit 20 Jahren mit GD-Patienten. Er hält „trans“ für eine „Hype“ (vgl. TAZ, online 2.5. 2022). Gefährdet seien heute im Gegensatz zu früher vor allem Mädchen: 85 Prozent der als trans Identifizierten sind weiblich. Dabei handle es sich laut Korte um ein „internationales Phänomen“. So stieg in Schweden die Diagnosehäufigkeit bei 13- bis 17-jährigen Mädchen von 2008 bis 2018 laut Korte um 1.500 Prozent.

Der Psychiater ist einer der Experten, denen es Sorge bereitet, dass in den diversen Sendeformaten des ÖRR das Thema „Trans“ an Kinder und Jugendliche unreflektiert herangeführt werde. Insbesondere gelte dies für die Social-Media-Angebote mit der Zielgruppe Kinder und Jugendliche, wie er gemeinsam mit anderen Autoren im Dossier Ideologie statt Biologie im ÖRR, 2022 darlegt. Während im realen Leben das Phänomen genderdysphorischer Jugendlicher eher selten ist, sei es in den millionenfach geklickten Online-Kanälen von ZDF, ARD, BR und WDR „omnipräsent“ und überrepräsentiert. Zudem seien die Beiträge journalistisch mangelhaft: In Interviews würden weder kritische Nachfragen gestellt, noch würden Behauptungen durch die Redaktion auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft.

Die Experten sprechen von „Übergriffigkeit“ auf Kinder und Jugendliche, „Verletzung von Intimität“, „Herabsetzung der Schamgrenze“ und Verharmlosung angesichts der vom ÖRR finanzierten Videos, in denen erklärt wird, wie man ein Porno-Video dreht, oder wo Geschlechtsumwandlung als „Kinderspiel" abgetan wird.

Hintergrund der aktuellen Debatte ist das von der Ampelkoalition (SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen) in Deutschland geplante „Selbstbestimmungsgesetz“, wonach künftig jeder seinen Geschlechtseintrag durch einen Sprechakt rechtlich ändern können soll. Mit vollendetem vierzehnten Lebensjahr sollen Kinder auch gegen den Willen ihrer Eltern über eine hormonelle und operative Geschlechtsänderung entscheiden können.

Heftig kritisiert wird das geplante Gesetz u.a. von Eva Engelken (Bündnis 90/Grüne). Die Feministin kritisiert die aggressive Transgender-Bewegung als Angriff auf Frauenrechte. Engelken publizierte das 50-seitige Dossier sowie den mahnenden Appell der Experten auf ihrem Blog. Darin heißt es: „Wir sehen Errungenschaften der Frauenbewegung bedroht, weil jeder Mann sich fortan durch eine Erklärung zur Frau deklarieren und in deren Schutzzonen eindringen kann. Maßnahmen zur Frauenförderung werden ebenso ausgehöhlt wie ihr Schutz vor Gewalt. Kindern wird noch vor vollendeter Geschlechtsreife während der Pubertät eine Entscheidung auferlegt, deren Folgen sie nicht überblicken können.“ Der Juristin und feministischen Autorin droht nun der Ausschluss aus der Grünen-Partei.

Institut für Medizinische
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