Bioethik aktuell

Schwangerschaftsabbruch: Was denkt die Bevölkerung in Österreich darüber?

Umfrage gibt Einblick in die vermuteten Gründe für Abtreibung und den Druck, der auf der Schwangeren lastet

Lesezeit: 03:45 Minuten

Mehr als drei Viertel der Österreicher ab 16 Jahren stimmt der Aussage zu, dass schwangere Frauen stärker unterstützt und beraten werden sollten, „um ein Ja zum Kind zu ermöglichen“. Das geht aus einer aktuellen IMAS-Umfrage hervor, die im Auftrag der Bürgerinitiative #Fairändern durchgeführt wurde.

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77 Prozent der Österreicher wünschen sich mehr Unterstützung für Frauen im Schwangerschaftskonflikt, „um ein Ja zum Kind zu ermöglichen“. 75 Prozent sehen einen steigenden Druck in Richtung Abtreibung bei Verdacht auf Behinderung. 84 Prozent wünschen sich, dass Familien bei einer Verdachtsdiagnose auf Behinderung mehr unterstützt werden. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Umfrage des Linzer Markt- und Meinungsforschungsinstituts IMAS. Die repräsentativen Umfrage wurde von der Bürgerinitiative #fairaendern in Auftrag gegeben und zum Weltfrauentag am 8. März in Innsbruck vorgestellt.

Jeder Vierte war bereits einmal mit einem Abbruch befasst

Die Interviews der Mehr-Themen-Umfrage von IMAS wurden vom 28. September bis 19. Oktober 2022 erhoben. Die Umfrage unter 1039 Österreichern ab 16 Jahren erhob die Einstellung der Bevölkerung zum Thema ungeplante Schwangerschaft, Schwangerschaftsabbruch und Begleitumständen. 23 Prozent der Befragten gaben an, dass sie persönlich eine Frau kennen, die eine Abtreibung hatte. Bei 63 Prozent war das nicht der Fall. Demnach hatte etwa ein Viertel der Bevölkerung bereits direkten Kontakt mit einer Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch hat vornehmen lassen. 

Neben den 77 Prozent, die sich für eine vermehrte Unterstützung für Frauen im Schwangerschaftskonflikt aussprachen, wünschten sich 84 Prozent der Befragten, dass Ärzte vermehrt auf Beratungsangebote hinweisen; 80 Prozent forderten eine mehrtägige Bedenkzeit vor einer Abtreibung, „wie z.B. bei medizinisch nicht notwendigen Schönheitsoperationen üblich“. 77 Prozent wollten eine Aufwertung der Adoption als Alternative zur Abtreibung. 

Vergewaltigung sei der häufigste Grund für einen Schwangerschaftsabbruch

Fragt man die österreichische Bevölkerung nach möglichen Gründen, sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, so wird am häufigsten Vergewaltigung (54 Prozent) genannt. Dass es sich hierbei um eine grobe Fehleinschätzung handelt, zeigt die Statistik aus Deutschland: Von 99.948 Abtreibungen im Jahr 2020 gingen 29 auf eine Vergewaltigung zurück (vgl. Statisches Bundesamt), was nicht einmal 0.03 Prozent entspricht.

Als Hauptgrund werden weiters der Verdacht einer Behinderung des Kindes (48 Prozent), Gewalt und Missbrauch in der Partnerschaft (44 Prozent) und Drogen- und Alkoholmissbrauch (43 Prozent) angenommen. Eine zu kleine Wohnung (14 Prozent), fehlende Information über mögliche Alternativen (20 Prozent) werden vergleichsweise seltener als Abbruchsgrund vermutet. "Unpassender Zeitpunkt" und "das Drängen des Partners" wurde in jeweils 30 Prozent vermutet. 

Hoher Anteil von Frauen stand bei Entscheidung unter Druck

62 Prozent der mehr als tausend Befragten meinten, dass das Thema „ungeplante Schwangerschaften“ in Österreich eher nicht oder überhaupt nicht diskutiert werde. Auf die Frage, ob die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch im persönlichen Umfeld selbstbestimmt und frei oder unter Druck entstanden ist, beobachteten 51 Prozent, dass die Betroffenen unter sehr starkem bis starkem Druck gestanden sind. Keinen Druck nahmen 34 Prozent der Befragten wahr.

Was die Experten aus den Resultaten schließen

In ihren Statements zur Umfrage erläuterte Petra Plonner, Vorsitzende von #fairändern, dass die meisten Ergebnisse gut nachvollziehbar seien: „Der Druck auf die Frau ist oft enorm und er geht längst nicht mehr dahin, möglichst viele Kinder zu bekommen, sondern abzutreiben.“ Die Umfrage beweise die Dringlichkeit einer guten Beratung und einer verpflichtenden Bedenkzeit, um ungewollte Abtreibungen zu verhindern.

Für Daniela Karall, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, ist es unverständlich, dass immer noch keine validen Zahlen zum Schwangerschaftsabbruch vorliegen: „Es herrscht große Desinformation um das Thema und bei geschätzten 30.000 Abbrüchen pro Jahr in Österreich können wir uns nicht erlauben, wegzuschauen.“ Es brauche dringend eine Statistik und eine weitere Motivforschung, damit zielgerichtet und besser geholfen werden könne, so die Pädiaterin an der Universität Innsbruck.

Die Tiroler Landesvorsitzende des Österreichischen Psychotherapeutenverbandes, Ines Gstrein, kritisiert, dass es bei diesem Tabuthema oft an Ehrlichkeit und Kompetenz fehle. „Keine Schwangerschaft ist frei von Ängsten, Zweifeln, Unsicherheiten und kritischen Überlegungen. (..) aber auch kein Schwangerschaftsabbruch geht spurlos an einer Frau vorbei“. Der Druck, unter dem Frauen in dieser Situation stehen, werde generell zu wenig gesehen.

Marianne Hengl, Obfrau des Vereins RollOn Austria, selbst im Rollstuhl, forderte ein Ende des „vorgeburtlichen Aussortierens“ von Kindern mit Behinderung im Zuge der eugenischen Indikation: „Es ist menschenunwürdig, dass bei Verdacht auf eine Behinderung ein Fötus über die Fristenregelung hinaus bis zur Geburt abgetrieben werden darf. Das ist eine niemandem zustehende Bewertung von behindertem und nichtbehindertem Leben und eine schlimme Diskriminierung von behinderten Menschen.“

Die Bürgerinitiative #Fairändern

2018 hatte #Fairändern eine parlamentarische Bürgerinitiative gestartet, die von mehr als 60.000 Bürgern unterschrieben wurde. Darin wurde die Abschaffung der eugenischen Indikation gefordert, eine umfassendere Aufklärung von Schwangeren in Not, bessere Beratung, Hilfestellung und eine verpflichtende Bedenkzeit vor einem Schwangerschaftsabbruch.

Institut für Medizinische
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